Kardiologie – Wir können Prävention besser machen
Prof. Dr. med. Isabella Sudano Leitende Ärztin, Klinik für Kardiologie Universitätsspital Zürich
Prof. Dr. med. Isabella Sudano Leitende Ärztin, Klinik für Kardiologie Universitätsspital Zürich
Interview mit PD Dr. Simon Stämpfli
Am diesjährigen Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in Amsterdam, an dem 24 000 Personen vor Ort und 6000 Personen virtuell teilnahmen, wurden viele Neuigkeiten vorgestellt. Darunter waren einige neue Guidelines und ein Update zu einer bestehenden Guideline. Alle sind für sich genommen wichtig und interessant. Im Interview erklärt PD Dr. Simon Stämpfli, Kardiologie, Kantonsspital Luzern, welches seine Kongresshighlights waren. Beeindruckt ist er unter anderem von der STEP-HFpEF-Studie mit Semaglutid bei Herzinsuffizienten mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) und der QUEST-Studie mit einer chinesischen Kräutermischung, die Herzinsuffizienzssymptome lindert.
Guidelines werden alle paar Jahre aktualisiert und der inzwischen erschienenen Evidenz angepasst. Seit der letzten Anpassung der Guidelines für die Diagnose und Behandlung der Herzinsuffizienz 2021 kamen in sehr kurzer Zeit einige «Game changing»-Studien heraus, sodass eine erneute Anpassung nach nur zwei Jahren nötig wurde, vor allem in Bezug auf die SGLT2-Hemmer. Das Update präsentierte Mitautor Prof. Marco Metra, Universität Brescia (I), am Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in Amsterdam.
Bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) unter Standardtherapie vermochte eine chinesische Kräutermischung in der am ESC-Kongress präsentierten QUEST-Studie zum Erstaunen des Kongresspublikums die Endpunkte herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung und kardiovaskulärer Tod weiter zu verbessern.
Weil die Prognose von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes schlechter ist als ohne Diabetes, hat die European Society of Cardiology (ESC) Empfehlungen formuliert, um dieses Risiko zu reduzieren. Dazu gehören ein eigens entwickelter Risikorechner SCORE2-Diabetes und Guidelines zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern mit hohem und sehr hohem kardiovaskulärem Risiko. Die neuen Guidelines wurden am diesjährigen ESC-Jahreskongress in Amsterdam präsentiert.
Mittlerweile stehen für eine effiziente Behandlung erhöhter Lipidwerte einige Lipidsenker zur Verfügung, die bei Bedarf auch als Kombination angewendet werden können. Je früher die Therapie beginnt, desto tiefer kann das kardiovaskuläre Risiko gehalten werden. Und je früher eine Dyslipidämie entdeckt werden kann, desto besser. Das ist nun schon im Nabelschnurblut von Neugeborenen möglich.
Viele Menschen nutzen Smartwatches um die eigene Fitness zu tracken. Auf einen Blick kann man Puls, Schrittanzahl, Schlafqualität oder den Herzrhythmus überwachen. Die Angaben zur Herzgesundheit können nun durch weitaus komplexere Gesundheitsdaten ergänzt werden.
Trotz aller medizinischen Fortschritte sterben in Europa immer noch sehr viele Patienten aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen, oder sie haben deswegen eine schlechte Lebensqualität. Durch die Kontrolle von Blutdruck, LDL-Cholesterin, Blutzucker und Gewicht sowie durch Rauchstopp, gute Ernährung, Bewegung und soziale Einbindung ist das gemäss Prof. Isabella Sudano, Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Zürich, eigentlich weitgehend vermeidbar.
SGLT2-Hemmer sind nicht nur wirkungsvolle Medikamente zur Diabetesbehandlung. Sie würden inzwischen mit grossem Nutzen auch bei nicht zuckerkranken Patienten mit Herzinsuffizienz oder eingeschränkter Nierenfunktion eingesetzt, wie PD Dr. med Matthias Hermann, Leitender Arzt, Klinik für Kardiologie und Universitäres Herzzentrum, Unispital Zürich, erläuterte.
Nachdem der SGLT2-Hemmer Empagliflozin im letzten Jahr mit der EMPEROR-PRESERVE-Studie bei der bis dahin als nicht behandelbar geltenden Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) eine gute Wirkung gezeigt hatte, konnte nun Dapagliflozin mit der am ESC-Kongress präsentierten DELIVER-Studie diesen Beweis ebenfalls erbingen, auch für Patienten mit einer leicht reduzierten Auswurffraktion. Somit sind beide SGLT2-Hemmer bei mehreren Formen der Herzinsuffizienz einsetzbar.