Transkript
BERICHT
Hypertrophe und ATTR-Kardiomyopathien
Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten
In der Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie und der ATTR-Kardiomyopathie sind in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt worden, sodass es heute möglich ist, die Mortalität dieser Patienten zu senken und ihre Lebensqualität zu verbessern. Welche Therapiemöglichkeiten bestehen und was in Entwicklung ist, berichtete Prof. Dr. Otmar Pfister, Leiter Herzinsuffizienz, Prävention und Rehabilitation, Universitäres Herzzentrum, Basel, an der Birsecker Herzfortbildung in Arlesheim.
Ein 50-jähriger Patient präsentierte sich im Universitätsspital Basel mit einer deutlichen Zunahme einer Belastungsdyspnoe seit seiner COVID-19-Erkrankung. Die aktuelle Dyspnoe entsprach einer NYHA-Klasse II–IV, je nach Tagesform. Er verspürte pektanginöse Beschwerden bei Anstrengung. Sein vormals behandelnder Kardiologe, jetzt pensioniert, stellte vor Jahren eine auffällige linksventrikuläre Hypertrophie mittels Echokardiografie fest. Der Patient ist ExRaucher, nimmt zurzeit keine Medikamente, sein Vater ist mit 54 Jahren an einem Myokardinfarkt verstorben.
Bei der aktuellen Untersuchung zeigte sich eine Normotonie, im Labor wurden ein erhöhtes NT-proBNP (901 ng/l) und erhöhtes Troponin T (31 ng/l) gemessen. Das Elektrokardiogramm (EKG) war auffällig mit Zeichen der Hypertrophie und Repolarisationsstörungen. Im Echokardiogramm zeigten sich eine linksventrikuläre Hypertrophie und ein verdicktes Septum. Die Resultate der anschliessend durchgeführten kardialen Magnetresonanztomografie entsprachen einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie, wie Prof. Pfister erklärte.
Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie Die hypertrophe Kardiomyopathie ist mit einer Prävalenz von 1/500 die häufigste genetische Kardiomyopathie mit einer linksventrikulären Wanddicke von > 15 mm ohne hämodynamische Belastung. Eine obstruktive hypertrophe Kardiomyo-
KURZ UND BÜNDIG
• Myosin-Inhibitoren sind der neue Therapiestandard bei symptomatischer obstruktiver Kardiomyopathie (HOCM) mit NYHA-Klasse II+ und LVOT-Gradient ≥ 50 mmHg trotz ausgebauter Betablockertherapie.
• Septum-Reduktionstherapien (Myektomie, Alkoholablation) sind nur noch in Ausnahmefällen indiziert.
• Bei kardialer ATTR-Amyloidose sind neben bereits zugelassenen TTR-Synthesehemmern und tetramerstabilisierenden Therapien neu auch monoklonale Antikörper als TTR-Depleter in Entwicklung.
pathie (HOCM) definiert sich durch den Gradienten bei Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT) von > 30 mmHg. Ein LVOT-Gradient von < 30 mmHg, auch nach Provokation, bezeichnet eine nicht obstruktive hypertrophe Kardiomyopathie. Die Therapie besteht in der Behandlung der Symptome mit Betablockern oder Kalziumantagonisten und in einem weiteren Schritt mit dem Myosin-Inhibitor Mavacamten (Camzyos®) bei einem LVOT-Gradienten ≥ 50 mmHg und einer linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) > 55%. Fällt die LVEF < 50%, ist eine Therapiepause angezeigt. In der 30-wöchigen Zulassungsstudie zeigten sich im Vergleich zu Plazebo bereits nach vier Wochen eine signifikante und anhaltende Reduktion des LVOTGradienten mit verbesserter Leistungskapazität, sinkender NYHA-Klasse sowie eine Verringerung der Biomarkerwerte von NT-proBNP und Troponin. Kardiale schwere unerwünschte Ereignisse waren selten und unter Mavacamten nicht gehäuft (1). Bei ausbleibender Symptomlinderung mit dem MyosinInhibitor muss als nächster Schritt eine operative Septumreduktion mittels Myektomie oder Alkoholablation erwogen werden. Optionen bei kardialer ATTR-Amyloidose Eine weitere heute behandelbare Kardiomyopthie ist die kardiale ATTR-Amyloidose. Deren Ursache sind fehlgefaltete Transthyretin(TTR)-Proteine, die sich als Amyloidfibrillen in den Organen, darunter auch im Herz, ablagern und mit der Zeit die Organfunktion schädigen. Die Verdickung des Herzmuskels führt zu einer Störung der Herzfunktion. Häufige Symptome einer ATTR-Kardiomyopathie sind Zeichen einer Herzinsuffizienz mit erhaltener (preserved) Auswurffraktion (HFpEF). Die kardiale ATTR-Amyloidose ist viel häufiger, als man denkt, wie Prof. Pfister erklärte. Etwa 10% der Patienten mit Aortenstenose oder HFpEF leiden an einer ATTR-Amyloidose. An eine kardiale ATTR-Amyloidose sollte man auch denken, wenn zusätzliche verdächtige Zeichen in der Vorgeschichte auftreten, wie z.B.: Karpaltunnelsyndrom, Bizepssehnenruptur, Spinalkanalstenose und Polyneuropathie. Eine ATTR-Amyloidose lässt sich nach Ausschluss einer Leichtketten(AL)-Amyloidose mit einer Skelettszintigrafie diagnostizieren. ars medici 10 | 2025 347 BERICHT Vutrisiran bei wtATTR-Amyloidose In der HELIOS-B-Studie wurde Vutrisiran auch bei Patienten mit kardialer Wild-Typ-ATTR-Amyloidose (wtATTR) untersucht. Vutrisiran führte im Vergleich zu Plazebo zu einem um 28% signifikant tieferen Risiko für Gesamtsterblichkeit und wiederkehrende kardiovaskuläre Ereignisse. Der Leistungsabfall nach 42 Monaten war geringer als unter Plazebo, ebenso der Abfall im KCCQ-OS-Score. Die Häufigkeit der Nebenwirkungen war in beiden Gruppen ähnlich, auch von schweren Nebenwirkungen (6). Bei wtATTR ist Vutrisiran noch nicht zugelassen. Die Studie wurde am letztjährigen Kongress der European Society of Cardiology präsentiert und ist inzwischen publiziert (6). In der Behandlung der kardialen Transthyretin-Amyloidose (ATTR) wurden in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Zurzeit steht zur Behandlung der Wild-Typ- und der hereditären Form Tafamidis (Vyndaqel®) zur Verfügung. Diese Substanz verhindert die Fehlfaltung der TTR-Proteine und Ablagerung als Amyloidfibrillen und bremst damit die weitere Progression der Erkrankung. TTR ist ein Transportprotein und wird in der Leber als Tetramer synthetisiert. Eine Therapie mit Tafamidis stabilisiert die Tetramere, senkt die Gesamtmortalität und verbessert die Leistungskapazität wie auch die Lebensqualität (2,3). In der ATTR-ACT-Zulassungsstudie bewirkte Tafamidis gegenüber Plazebo nach 30 Monaten eine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität um 30% sowie der Hospitalisationsrate um 32% (2). Zudem verbesserten sich die 6-Minuten-Gehstrecke und die Lebensqualität (gemessen anhand des Kansas City Cardiomyopathie Questionnaire Overall Summary Score, KCCQ OS) signifikant (2). In der anschliessenden offenen Verlängerungsstudie, in der auch die ursprüngliche Plazebogruppe Tafamidis erhielt, ergab sich für die Patienten unter kontinuierlicher Therapie mit Tafamidis während 72 Monaten gemäss einer Post-hoc-Analyse eine Reduktion der Gesamtmortalität um 41% (3). Zur Behandlung der seltenen hereditären Form kann Vutrisiran (Amvuttra®) eingesetzt werden. Vutrisiran ist eine SmallInterfering-Ribonukleinsäure (siRNA) und hemmt die Synthese des TTR-Proteins. Vutrisiran wird subkutan in einer Dosis von 25 mg alle drei Monate verabreicht. In der HELIOS-AStudie zeigte Vutrisiran bei Patienten mit hereditärer kardialer ATTR-Amyloidose (hATTR) mit Polyneuropathie gegenüber Plazebo eine signifikante Linderung der Neuropathie bei milden bis moderaten Nebenwirkungen. Therapiebedingte Studienabbrüche oder Todesfälle traten nicht auf (4). Entwicklung auf Hochtouren Neben Vutrisiran sind weitere Präparate auf siRNA-Basis wie Patisiran (Onpattro®) und Eplontersen (Wainzua®) bei der hATTR-Amyloidose mit Polyneuropathie (Stadium 1 und 2) zugelassen. Ein weiterer, sich in Entwicklung befindender Ansatz zur Behandlung der ATTR-Amyloidose sind monoklonale Antikörper. Mit einer monatlichen Infusion ist es möglich, damit bereits abgelagerte Amyloidfibrillen aus dem Herz zu entfernen, wie eine Untersuchung zeigte (5). Momentan läuft damit eine grosse Studie (DepleTTR-CM) mit Schweizer Beteiligung, unter anderem mit dem Universitätsspital Basel, wie Prof. Pfister berichtete. Dabei werden 1000 Patienten mit ATTR-Kardiomyopathie während zweier Jahre alle vier Wochen entweder das Verum oder Plazebo erhalten. Als Endpunkte sind die Gesamtmortalität und kumulative kardiovaskuläre Ereignisse definiert. Valérie Herzog Quelle: «Kardiomyopathien: Neue Behandlungsmöglichkeiten». Birsecker Herzfortbildung, 30. Januar 2025, Arlesheim Referenzen: 1. Olivotto I et al.: Mavacamten for treatment of symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy (EXPLORER-HCM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet. 2020;396(10253):759-769. doi:10.1016/S0140-6736(20)31792-X 2. Maurer MS et al.: Tafamidis treatment for patients with transthyretin amyloid cardiomyopathy. N Engl J Med. 2018;379:1007-1016. doi:10.1056/NEJMoa1805689 3. Elliott PM et al.: Long-term survival with tafamidis in patients with transthyretin amyloid cardiomyopathy. Circ Heart Fail. 2022;15(1):e008193. doi:10.1161/CIRCHEARTFAILURE.120.008193 4. Adams D et al.: Efficacy and safety of vutrisiran for patients with hereditary transthyretin-mediated amyloidosis with polyneuropathy: a randomized clinical trial. Amyloid. 2023;30(1):1-9. doi:10.1080/13506 129.2022.2091985 5. Garcia-Pavia P et al.: Phase 1 Trial of Antibody NI006 for Depletion of Cardiac Transthyretin Amyloid. N Engl J Med. 2023;389(3):239-250. doi:10.1056/NEJMoa2303765 6. Fontana M et al.: Vutrisiran in Patients with Transthyretin Amyloidosis with Cardiomyopathy. N Engl J Med. 2025;392(1):33-44. doi:10.1056/ NEJMoa2409134 348 ars medici 10 | 2025