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Foto: © Dr. Friederike Langhauser
Impfung
Massage statt Spritze:
neue Ansätze für Impfungen?
Die Haut, die den Körper einerseits vor äusseren Einflüssen
schützt, reagiert gleichzeitig auf mechanische Reize wie
Dehnung oder Reibung. Dieser mechanische «Stress»
macht die Hautbarriere vorübergehend durchlässiger und
aktiviert das Immunsystem, wie ein französisch-britisches
Forschungsteam von Inserm, Institut Curie und King’s Col-
lege London nun gezeigt hat. Ein 20-minütiger Massage-
impuls öffnet die Haarfollikel kurzzeitig und macht die Haut
sogar für grössere Moleküle durchlässig. Gleichzeitig ge-
langen Bestandteile des natürlichen Hautmikrobioms in
tiefere Schichten, was eine entzündliche Reaktion und die
Aktivierung der adaptiven Immunität auslöst – also jener
Immunantwort, die gezielt Krankheitserreger eliminiert und
eine Erinnerung des Immunsystems aufbaut. Diese Reaktion
deutet darauf hin, dass mechanischer Stress als Gefahren-
signal wirkt und damit eine Abwehrreaktion in Gang setzt.
Bei Mäusen wurde ein Influenza-Impfstoff (H1N1) mit
einem eigens dafür entwickelten Gerät appliziert und mit
der Auswirkung einer klassischen Verabreichung via intra-
muskuläre Injektion verglichen. Auch über die massierte
Haut liess sich eine qualitativ hochwertige Immunantwort
auslösen. Damit zeigen die Experimente, dass eine Impf-
strategie ohne Nadeln prinzipiell möglich ist.
Die Forscher betonen jedoch, dass noch erheblicher For-
schungsbedarf besteht: Zum einen unterscheiden sich
menschliche und tierische Haut, zum anderen muss geklärt
werden, welche Zellen und welche Bestandteile des Mikro-
bioms genau die Immunantwort antreiben. Zudem weisen
die Ergebnisse auf eine weitere Dimension hin: Mechani-
scher Stress könnte auch die Aufnahme schädlicher Sub
stanzen wie Allergene oder Schadstoffe fördern und damit
unerwünschte Immunreaktionen begünstigen.
Dennoch eröffnet der Ansatz neue Perspektiven für die
Impfstoffentwicklung und die Medikamentengabe. Eine
wirksame, nadelfreie Methode könnte nicht nur die Akzep-
tanz von Impfungen steigern, sondern auch die Anwendung
im Alltag erheblich erleichtern.
Mü
«Masser la peau pour vacciner : une alternative possible aux injections ?», Medienmitteilung Inserm vom 17.09.2025
Zur Originalpublikation: Benaouda F et al.: Transient skin stretching stimulates immune surveillance and promotes vaccine delivery via hair follicles. Cell Rep. 2025;64(11):116224. doi:10.1016/j.celrep.2025.116224
488 ars medici 15 | 2025
Schlaganfall
Akute Grippe kann Hirnschäden und Schlaganfall verschlimmern
Eine Influenza ist nicht nur eine Atemwegserkrankung, sie erhöht offenbar auch das Risiko für Schlaganfälle. Forscher der Universitätsmedizin Essen und der Universität DuisburgEssen haben in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern untersucht, wie eine akute Grippe das Gehirn beeinflusst.
Dafür wurde im Tiermodell eine Infektion mit humanem Influenza-A-Virus ausgelöst und anschliessend zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein Schlaganfall herbeigeführt.
Während akuter viraler Infekte ist das Risiko von Schlaganfällen und anderen kardiovaskulären Erkrankungen erhöht.
Die Auswertung zeigte: Vor allem bei akuter Infektion waren die Hirnschäden und die neurologischen Ausfälle deutlich stärker. Als Ursache wird eine durch das Virus induzierte Störung der Blutgerinnung angenommen. Im Blutbild fanden sich Hinweise auf eine verstärkte Neigung zur Bildung von Thromben, die Gefässverschlüsse begünstigen und damit das Schlaganfallrisiko erhöhen können.
Dieser Effekt wurde auf ein infektionsbedingtes entzündliches Milieu und eine beschleunigte Neutrophilenreaktion zurückgeführt, so die Autoren. Die Ergebnisse liefern eine Erklärung für klinische Beobachtungen: Schon während der COVID-19-Pandemie war ein gehäuftes Auftreten von Schlaganfällen bei SARS-CoV-2-Infizierten registriert worden, und auch für Patienten mit Influenza A gab es Hinweise in diese Richtung.
Für die Praxis ergeben sich daraus zwei Konsequenzen, wie Klinikdirektor Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz anmerkt: Erstens kann eine frühzeitige Impfung gegen Grippeviren besonders vulnerable Patienten schützen. Zweitens empfiehlt er, bei Infektionen besonders auf neurologische Warnzeichen wie Taubheitsgefühle oder Lähmungen zu achten und bei Verdacht auf Schlaganfall rasch zu reagieren. Acetylsalicylsäure sowie antivirale Therapien können die fortschreitenden Hirnschäden abschwächen. Damit wird einmal mehr deutlich, dass eine Infektprävention durch Impfung nicht nur vor Atemwegsinfekten schützt, sondern auch gravierende neurologische Folgen abmildern kann. Mü
Medienmitteilung Universitätsklinikum Essen vom 17.09.2025
Zur Originalstudie: Haupeltshofer S et al.: Influenza A Infection Increases Severity of Acute Ischemic Stroke Through Neutrophil Activation and Hypercoagulability. Stroke. 2025 Sep 2. doi:10.1161/STROKEAHA.125.052967