Transkript
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Rosenbergstrasse
Ein Boomer: Früher gingen die Alten in den Wald oder ins Meer, um den Jungen nicht weiter zur Last zu fallen. Heute findet man sie auf Kreuzfahrten oder Trekkings, gut versichert, das Altersloft vorreserviert.
Vor allem in den USA, aber auch in Europa bieten Firmen die Ganzkörper- (oder auch nur Hirn-)Kryokonservierung in Flüssigstickstoff an (für ernsthaft Interessierte: z.B. «Tomorrow Biostasis» in Berlin). Auf diese Weise könne man locker mehr als 150 Jahre alt werden, heisst es – so wie sich das Putin und Xi kürzlich in einem bei versehentlich eingeschalteten Mikrofonen mitgehörten Gespräch vorgestellt und gegenseitig versichert haben. Die Technik ist noch nicht ganz ausgereift, die Kosten mit rund 200 000 Euro aber immerhin überblickbar. Klar, spannend wär’s schon zu erleben, wie die Welt 2175 oder später aussieht. Es sei denn, unkt ein kritischer Freund, man würde dannzumal sanft und langsam aus dem Kryokoma erweckt, erfreut und neugierig, und müsste feststellen: Putin, Trump und Xi sind immer noch an der Macht. Dann wäre es von Vorteil, gleichzeitig Mitglied von EXIT zu sein.
Der Weg ist das Ziel, heisst es (von Konfuzius). Wirklich? Mag ja manchmal so sein, vor allem für Philosophen. Aber eigentlich: Ist nicht das Ziel das Ziel und der Weg davor nicht selten so mühsam, dass man gerne auf ihn verzichten würde?
Onkel Hugo hat das Ende jedwelchen Neids angekündigt, der ihn je geplagt habe. Und zwar nachdem er gesehen und quasi chronologisch miterlebt habe, was sich Mark Zuckerberg auf der Insel Kauai in Hawaii zusammengekauft und gebaut habe. Seit 2014 hat Zucki für Hunderte von Millionen Dollar mehrere Parzellen erworben, insgesamt über 1000 Hektaren Land, selbstverständlich mit Meeranstoss. Darauf stehen jetzt Dutzende luxuriöse Villen und Bungalows und eingelassen ist ein unterirdischer Bunker, der vor jeder denkbaren menschen- oder naturgemachten Unbill schützt. (Nur «leider», meint Hugo schadenfreudig, nicht gegen Älterwerden, Arthrose, Atherosklerose und Herzschmerz.) Hinzu kommt eine Rinderzucht: sündhaft teure Wagyu-Rinder, die mit Macadamianüssen gefüttert werden und Bier saufen (oder damit eingerieben werden). Wie oft sich Zuckerberg in Kauai aufhält, weiss man nicht. Ob er den fast 500 Quadratmeter grossen Schutzraum je braucht, auch nicht. Seinen Besitz hat er vermutlich noch
nie im Detail, sondern nur vom Helikopter aus gesehen. Was er davon hat? Hugo meint: ausser «ihn zu haben» irgendwie nichts. Zucki nutzt das Anwesen weder als Bauer noch als Hotelier oder Landschaftsgärtner oder Naturforscher. Verdienen tut er auch nichts daran. Wäre ja auch sinnlos. Was soll er mit ein paar Milliarden mehr pro Jahr – ausser sich neues Land kaufen, neue Villen bauen und neue Projekte aufgleisen, mit denen er … was kann? Sie von oben anschauen und noch mehr Geld verdienen? Und so viele neidlose Freunde, denen er alles zeigen kann, was er hat, kann er gar nicht haben. Eigentlich können Zucki, Bezos, Gates, Musk, Theiler und wie sie alle heissen nur auf einen Atomkrieg oder einen Asteroideneinschlag hoffen. Das könnte die hundertfachen Milliardäre dann vielleicht vom ärmlichen Rest der Menschheit unterscheiden, indem sie etwas länger (unterirdisch) überleben – bis auch sie an Alzheimer erkranken oder an einer Leukämie oder schlicht am Alter, geplagt von Krampfadern, Prostatabeschwerden und Medikamentennebenwirkungen. Nein, Hugos Neid auf «Meine Villa, mein Auto, meine Yacht!» ist verpufft. Ein gutes Gefühl, meint er – und räkelt sich zufrieden auf seinem IKEA-Sofa.
Gehört: «Stress» ist etwas für Anfänger, Profis sind «beschäftigt».
Aus der Reihe «Gesungene Antworten»: Na, wie läufts mit der Hausarbeit? – «Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert …» (Sänger: männlich).
Der Nachbar ist genervt. Er hat sich gerade mal wieder eine Talkshow im Deutschen Fernsehen angeschaut und sich geärgert über abstruse Behauptungen. «Es gibt Dinge, die ich nicht beweisen kann und nicht beweisen will, Dinge, an die ich nicht glaube, sondern die ich weiss. Punkt. Ich kann nicht beweisen, dass zwei plus zwei vier ergibt. Ich weiss es, hab’s gelernt und die Erfahrung gemacht, dass es stimmt. Wenn jemand behauptet, 2 plus 2 sei 5, dann kann ich’s nicht ändern und versuch’s auch nicht. Diskussion sinnlos.» Recht hat er. Die Mehrzahl der Diskussionen zwischen links und rechts, zwischen blau und rot oder zwischen woke und unwoke sind bestenfalls Unterhaltung, mit dem Ärger über einige der Diskutanten als einzigem Lustgewinn.
Und das meint Walti: Auf der Erde leben weniger als 8% «Weisse». Wenn «Weisse» sich für «Weisse» einsetzen – ist das dann Rassismus oder Minderheitenschutz?
Richard Altorfer
490 ars medici 15 | 2025