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Lebenslange motorische Entwicklungen
Normkurven in der Praxis anwenden
Fingerfertigkeit, Koordination oder Gleichgewicht sind während des ganzen Lebens äussert wichtig, verändern sich jedoch von der frühen Kindheit bis ins hohe Erwachsenenalter. In welchem Lebensabschnitt ist unser Gleichgewicht am besten? Nehmen Fein- und Grobmotorik mit dem Alter immer mehr ab?
Forscher der Universität Zürich und des UniversitätsKinderspitals Zürich gingen diesen Fragen nach. Sie werteten Datenmaterial von 1620 Personen im Alter zwischen 6 und 80 Jahren aus, die von 1983 bis 2023 an einem standardisierten Test zu ihren neuromotorischen Fähigkeiten teilgenommen hatten. Dieses Zurich Neuromotor Assessment (ZNA) misst die Feinmotorik (Fingerfertigkeit, Geschicklichkeit), die Grobmotorik (Sprungkraft, Koordination), das Gleichgewicht (Balancieren mit offenen und geschlossenen Augen), die Qualität der Bewegungen (etwa unwillkürliche Mitbewegungen) sowie repetitive und serielle Bewegungen (schnelle Hand- und Fussbewegungen). Der Vorteil dieses Assessments ist, dass alle Altersgruppen die gleichen Übungen durchführen. Einzig die Anzahl Wiederholungen wird altersgerecht angepasst. Dadurch sind die gewonnenen Daten bestens vergleichbar.
Feinmotorik bis ins hohe Alter
Es zeigte sich, dass sich die motorischen Fähigkeiten am
schnellsten bei Kindern bis etwa zum 10. Geburtstag ent-
wickeln. Erwachsene erreichen ihre Bestleistungen bezüg-
lich Kraft, Gleichgewicht und Koordination mit 20 bis 35 Jah-
ren, wobei Männer gegenüber den Frauen im Durchschnitt
ein Jahr hinterherhinken. Mit steigendem Alter nehmen die
motorischen Funktionen bei den meisten Aufgaben ab.
Frauen schneiden tendenziell besser in Feinmotorik und
Balance ab, Männer in Grobmotorik und Kraft. Wer einen
hohen Body-Mass-Index hat, ist weniger gut bei Balance-
übungen und in der Grobmotorik. Ausserdem zeigt sich, dass
im höheren Alter vor allem Grobmotorik, Gleichgewicht und
Muskelkraft schneller abnehmen. Die Feinmotorik dagegen
bleibt bis ins Seniorenalter stabil.
Die von der Forschungsgruppe publizierten Normkurven
für neuromotorische Funktionen erlauben es, in vier klinisch
relevanten Bereichen individuelle Leistungen von Patienten
mit altersspezifischen Normen zu vergleichen, und dies über
die ganze Lebensspanne von 6 bis 80 Jahren. «Das ermög-
licht insbesondere im Kindes- und im Seniorenalter, rele-
vante Abweichungen oder frühzeitigen Leistungsabbau zu
erfassen und falls nötig, therapeutische Massnahmen zu
veranlassen.
vh
Quelle: Medienmitteilung Universität Zürich 24.09.2025
Zur Originalpublikation: Kakebeeke TH et al.: Neuromotor functions across the lifespan: percentiles from 6 to 80 years. Frontiers in Aging Neuroscience. 2025;17:1543408. doi: 10.3389/fnagi.2025.1543408
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