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BERICHT
Intensive Herzinsuffizienztherapie lohnt sich
Aggressiv und früh die volle Dosis erreichen
«Man muss dekompensierte Herzinsuffizienzpatienten nicht nur in der Intensivstation retten, sondern mit einem Konzept auch dafür sorgen, dass sie das nächste Jahr besser überstehen», betonte Prof. Dr. Alexandre Mebazaa, Service d'Anesthésie réanimation, Hôpital Lariboisière, Université Paris Cité (F), am Wintermeeting Herzinsuffizienz in Les Diablerets.
Im ersten Jahr nach der Spitalentlassung von zuvor wegen dekompensierter Herzinsuffizienz hospitalisierten Patienten liege die Mortalitätsrate bei 20%, und die übrigen 80% trügen irgendeine Behinderung davon, skizzierte Prof. Mebazaa die düstere Situation. Das müsse und könne besser werden, von einem Onkologen erwarte man schliesslich auch keine halbherzige Chemotherapie bei einer Krebsdiagnose.
Prof. Mebazaa testete ein Therapiekonzept bei mit dekompensierter Herzinsuffizienz hospitalisierten Patienten, dessen Resultate er vor drei Jahren mit der STRONG-HF-Studie (1) publizieren konnte. Dabei wurde eine intensivierte Therapie bereits während des Spitalaufenthalts begonnen, die über die Entlassung hinausging. Die intensive Therapie enthielt die rasche Auftitrierung der Herzinsuffizienzmedikation der neurohormonalen Blockade bei 542 Patienten kurz vor und nach der Spitalentlassung versus Standardtherapie (n = 542). Dabei erhielten die Patienten bereits zwei Tage vor Spitalentlassung etwa 50% der Zieldosis der Therapie mit ACE (angiotensin-converting enzyme)-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI)/Sartan, Betablocker und Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist (MRA), die innerhalb der folgenden zwei Wochen auf 100% auftitriert wurde (1). Bei vier Kontrollterminen innerhalb von zwei Monaten nach Entlassung wurden der klinische Status, Laborwerte und das NTproBNP (N-terminal pro-brain natriuretic peptide) überprüft. Die Studie wurde wegen unerwartet grosser Unterschiede zwischen den Gruppen vorzeitig gestoppt. Nach 180 Tagen war in der Gruppe mit der Standardnachsorge bei 23,3% der Patienten ein Endpunktereignis (herzinsuffizienzbedingte Rehospitalisation oder Tod jeglicher Ursache) eingetreten. Unter der Intensivnachsorge war die Ereignisrate um 8,1% tiefer (15,2%) (Risk Ratio: 0,66; 95%-Konfidenzintervall: 0,50– 0,86; p = 0,0021), was einer relativen Risikoreduktion um 34% entspricht (1).
Vulnerable Phase überbrücken Gemäss einem Herzinsuffizienzregister der European Society of Cardiology (ESC) hat sich bei einem Drittel der Patienten die Kongestion bei Entlassung noch nicht ganz zurückgebildet. Das heisst, dass die vulnerable Phase zu dem Zeitpunkt bei diesen Patienten noch nicht überstanden ist (2). In dieser Phase stürben mehr Patienten als durch manche Krebserkrankungen (3), und viele Patienten verliessen das Spital mit
dem gleichen Körpergewicht wie bei Eintritt, beklagte Prof. Mebazaa weiter. Dabei existierten gute Therapien mit minimalen Nebenwirkungen, man müsse sie nur adäquat einsetzen. Eine voll dosierte Kombinationstherapie bringt 8,3 zusätzliche Jahre ohne herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung oder kardiovaskulären Tod (4), und die Gesamtsterblichkeit sinkt um 61% (4,5).
Und dennoch erhält nur gerade 1% der Patienten eine voll dosierte Kombinationstherapie (6).
Die ESC-Guidelines empfehlen, nur Patienten ohne Stauungszeichen aus dem Spital zu entlassen und davor eine evidenzbasierte medikamentöse Therapie einzurichten. Ein bis zwei Wochen nach Entlassung sollten die Patienten auf Symptome, Stauungszeichen und Nebenwirkungen kontrolliert und ihre begonnene Therapie weiter auftitriert werden (7). In der STRONG-HF-Studie wurde nach 90 und 180 Tagen in der intensivierten Gruppe immerhin etwa die Hälfte der Patienten mit voll dosierten ACE-Hemmern/Sartanen/ARNI und Betablockern behandelt. Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA) erhielten über 80% (1). In der Standardtherapiegruppe erhielten die Patienten praktisch keine ACE-Hemmer/Sartane/ ARNI bzw. Betablocker, MRA in etwa der Hälfte der Fälle (1).
Die STRONG-HF-Studie habe gezeigt, dass sich eine hochintensive Therapie, gestartet im Spital und voll ausdosiert nach zwei Wochen, lohne und sich in einer höheren Überlebensrate nach 180 Tagen niederschlage, so Prof. Mebazaa. Die Tage zwischen der Akutbehandlung bzw. der Stabilisierung und der Entlassung sind demnach entscheidend für den Verlauf und stellen einen günstigen Zeitpunkt dar, um die Kombinationstherapie (ACE-Hemmer/Sartane/ARNI, Betablocker und MRA) einzurichten. Obwohl STRONG-HF mit der Dreifachtherapie durchgeführt wurde, wurden aufgrund der Evidenz auch die SGLT2-Hemmer Empagliflozin und Dapagliflozin in die inzwischen aufdatierten ESC-Guidelines aufgenommen, sodass jetzt eine Vierfachtherapie empfohlen ist (8).
Welche Symptome im Auge zu behalten sind Im Rahmen der ambulanten Nachkontrolltermine sollte auf Stauungszeichen, Blutdruck, Herzfrequenz, NT-proBNP, Kaliumspiegel und die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) geachtet werden (8). Bei einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz bzw. des NT-proBNP soll die Therapie nicht abgesetzt, sondern nur pausiert werden, um nachher, wenn
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die Werte wieder gesunken sind, mit der vollen Dosis weiterzufahren, so die Empfehlung des Referenten.
Man müsse früh und aggressiv die volle Dosis der 4-SäulenTherapie erreichen, denn es gebe keine stabile Herzinsuffizienz, so der Kardiologe abschliessend.
Derzeit sind weitere Studien in Asien, Europa, Afrika und USA hinsichtlich des Nutzens der raschen Gabe und Titration der 4-Säulen-Therapie zur Bestätigung der Ergebnisse von STRONG-HF im Gang.
Valérie Herzog Quelle: «Redefining pre-prost-discharge strategies after STRONG-HF». Wintermeeting Heart Failure, 9.–11. Januar 2025, Les Diablerets Referenzen: 1. Mebazaa A et al.: Safety, tolerability and efficacy of up-titration of
guideline-directed medical therapies for acute heart failure (STRONGHF): a multinational, open-label, randomised, trial. Lancet. 2022;400(10367):1938-1952. doi:10.1016/S0140-6736(22)02076-1 2. Chioncel O et al.: Acute heart failure congestion and perfusion status - impact of the clinical classification on in-hospital and long-term outcomes; insights from the ESC-EORP-HFA Heart Failure Long-Term Registry. Eur J Heart Fail. 2019;21(11):1338-1352. doi:10.1002/ ejhf.1492 3. Mamas MA et al.: Do patients have worse outcomes in heart failure than in cancer? A primary care-based cohort study with 10-year follow-up in Scotland. Eur J Heart Fail. 2017;19(9):1095-1104. doi:10.1002/ejhf.822 4. Vaduganathan M et al.: Estimating lifetime benefits of comprehensive disease-modifying pharmacological therapies in patients with heart failure with reduced ejection fraction: a comparative analysis of three randomised controlled trials. Lancet. 2020;396(10244):121-128. doi:10.1016/S0140-6736(20)30748-0 5. Tromp J et al.: A Systematic Review and Network Meta-Analysis of Pharmacological Treatment of Heart Failure With Reduced Ejection Fraction. JACC Heart Fail. 2022;10(2):73-84. doi:10.1016/j. jchf.2021.09.004 6. Greene SJ et al.: Medical Therapy for Heart Failure With Reduced Ejection Fraction: The CHAMP-HF Registry. J Am Coll Cardiol. 2018;72(4):351-366. doi:10.1016/j.jacc.2018.04.070 7. McDonagh TA et al.: 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2021;42(36):3599-3726. doi:10.1093/eurheartj/ehab368 8. McDonagh TA et al.: 2023 Focused Update of the 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2023;44(37):3627-3639. doi:10.1093/eurheartj/ehad195
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