Transkript
BERICHT
ECCO 2025
Neue Studien zur Morbus Crohn
Hat die Dauer einer Morbus-Crohn-Erkrankung Einfluss auf den Therapieerfolg? Welche Rolle spielt die Vorbehandlung? Sollte bei einem Nachlassen der Effektivität mit der gleichen Substanz intensiviert werden, oder ist ein Wirkstoffwechsel sinnvoller? Haben Perianalfisteln Einfluss auf den Wirkspiegel von TNF-Inhibitoren? Am Jahreskongress der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) in Berlin wurden solche und viele weitere Fragen gestellt – und zumindest teilweise auch beantwortet.
Vedolizumab: früher Morbus Crohn besser behandelbar Könnte die Dauer einer Morbus-Crohn-Erkrankung Einfluss auf die Effektivität von Vedolizumab (VDZ) haben? Dieser Frage ging ein Team aus niederländischen, belgischen und ungarischen Wissenschaftlern in der LOVE-CD-Studie nach (1). Die dafür rekrutierten 260 Patienten mit moderatem bis schwerem Morbus Crohn wurden in zwei Gruppen eingeteilt: kürzlich Diagnostizierte (Diagnose < 24 Monate), die entweder unbehandelt oder lediglich mit Kortikosteroiden oder Immunmodulatoren vorbehandelt waren (n = 74), und schon länger unter Morbus Crohn Leidende (Diagnose > 24 Monate), die bereits eine Tumornekrosefaktor(TNF)-Behandlung (plus Kortikosteroide/Immunmodulatoren) hinter sich hatten (n = 186). Alle erhielten nach einer Induktionsphase alle acht Wochen intravenös VDZ über 52 Wochen. Die Krankheitsdauer betrug in der frühen Gruppe im Median 0–1 Jahr und in der späten 6–16 Jahre. Ab Woche 6 erreichten signifikant mehr Teilnehmer mit frühem Morbus Crohn eine Remission als mit spätem. Ab Woche 14 war mehr als die Hälfte in der frühen, aber nur 31% in der späten Gruppe waren in klinischer Remission (p < 0,001). Nach 26 Wochen zeigten 64% vs. 28% (p < 0,001) und nach 52 Wochen 51% vs. 27% (p < 0,001) eine endoskopische Remission, berichtete Dr. Lotte Oldenburg vom Universitätsspital Amsterdam (NL). Es seien keine neuen Sicherheitssignale aufgetreten. Die signifikant bessere Wirksamkeit von Vedolizumab bei frühem Morbus Crohn sei ein Argument dafür, die Substanz als First-Line-Therapie zu verwenden. Bei Patienten, die diese endoskopische Ansprache nach 26 Wochen nicht erreicht hatten (31,5%), wurde in einer gesonderten Fragestellung die VDZ-Gabe von alle acht Wochen auf alle vier Wochen intensiviert (2). Zwischen beiden Dosisgruppen konnten hinsichtlich der endoskopischen Remission jedoch keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden, das heisst, die Teilnehmer profitierten nicht von der VDZ-Dosissteigerung. Keine Unterschiede zwischen Interleukin-12/23Hemmer und TNF-Inhibitoren Bestehen Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit bei der Therapie von Biologika-naiven oder Biologikavorbehandelten Morbus-Crohn-Patienten, wenn diese mit Substanzen unterschiedlicher Wirkstoffklassen behandelt werden? In einer multizentrischen Real-World-Studie mit 536 Patienten, die an moderatem bis schwerem Morbus Crohn litten, wurde rund die Hälfte entweder mit TNF-Hemmern (Infliximab und Adalimumab) oder mit dem Interleukin(IL)-12/23Hemmer Ustekinumab (UST) behandelt (3). Primäre Endpunkte waren klinische Remission (Harvey-Bradshaw-Index ≤ 3), endoskopische Remission (SES-CD [Simple Endoscopic Score for Crohn Disease] ≤ 3 oder Rutgeerts-Score i0) und steroidfreie klinische Remission. Nach 52 Wochen erreichten in der Biologika-naiven Gruppe 78,1% (UST) und 75,7% (antiTNF) sowie in der Biologika-vorbehandelten Gruppe 52,2% (UST) und 50,5% (anti-TNF) der Teilnehmer eine klinische Remission (p = 0,25 und p = 0,31). Eine endoskopische Remission wurde bei den Biologika-naiven Patienten bei 74,8% (UST) und 68,8% (anti-TNF) respektive bei den Biologika-Vorbehandelten bei 50,6% (UST) und 46,8% (anti-TNF) nachgewiesen. Hinsichtlich der Wirksamkeit zeigten sich damit keine signifikanten Unterschiede zwischen den eingesetzten Substanzen, wohl aber zwischen Biologika-naiven und -vorbehandelten Teilnehmern. Unter den Anti-TNF-Substanzen seien im Vergleich zu Ustekinumab mehr ernsthafte Nebenwirkungen aufgetreten, so die Autoren (28,3% vs. 12,5%; p <0,01). Bei Biologika-naiven Patienten wurden überdies unter UST eine höhere Therapiepersistenz (96,9% vs. 80,8%; p = 0,029) und eine geringere Rückfallquote (3,08% vs. 11,11%; p = 0,01) beobachtet. Langzeitdaten zu Risankizumab Schon eine ganze Weile steht der IL-23-Inhibitor Risankizumab (RZB) zur Behandlung von moderatem bis schwerem Morbus Crohn zur Verfügung. In Berlin wurden nun, nach einer 56-wöchigen ersten Phase, neue Ergebnisse zur 2-JahresOpen-Label-Extension-Phase dieses Antikörpers vorgestellt (FORTIFY-Studie) (4). Dazu behandelten die Forscher 1148 Crohn-Patienten alle acht Wochen subkutan (s.c.) mit 160 mg RZB respektive Patienten mit inadäquater Response oder als Rescue-Therapie mit s.c. 360 mg. Unter den Respondern, die nach 152 Wochen die Studie abgeschlossen hatten (gepoolte Daten «as observed»), erreichten 72,3% eine SF/ APS-klinische Remission, 79,4% eine CDAI-klinische Remission und 73,6% eine endoskopische Remission (SF/APS: Stool 254 ars medici 7 | 2025 BERICHT Frequency / Abdominal Pain Score; CDAI: Crohn’s Disease Activity Index). Unter den Patienten, die eine Rescue-Therapie erhalten hatten, zeigten immerhin noch rund 50% eine klinische Remission. Dies sei erfreulich, ebenso wie das Sicherheitsprofil, das sich auch unter langfristiger IL-23-Hemmung als sehr vorteilhaft gezeigt habe, berichtete Prof. Dr. Marc Ferrante vom Universitätsspital Leuven, Belgien. Ustekinumab: Therapieintensivierung ohne Vorteile Obwohl mehrere retrospektive Studien und Beobachtungsstudien gezeigt haben, dass bei Morbus Crohn eine Dosiseskalation von Ustekinumab (UST) bei sekundärem Therapieversagen erfolgreich sein kann, fehlten bislang prospektive plazebokontrollierte Daten. Belgische Wissenschaftler wollten daher in der randomisierten plazebokontrollierten REScUEStudie die Wirkung zweier unterschiedlicher Re-Induktionsschemata mit UST untersuchen (5). Die 108 Teilnehmer waren bis zum Eintreten des Wirkungsverlusts bereits mit UST behandelt worden. Sie erhielten eine intravenöse Re-Induktion mit 6 mg/kg UST und wurden dann entweder auf s.c. UST 90 mg alle vier (q4w) oder UST 90 mg alle acht Wochen (q8w) randomisiert. Die Unterschiede nach 48 Wochen waren minimal: Der primäre Endpunkt, nämlich eine steroidfreie Remission, wurde von 17% im q4w-Arm und von 16% im q8w-Arm erreicht (p = 0,96). Eine endoskopische Response wiesen 22% vs. 12% (p = 0,23) und eine endoskopische Remission 10% vs. 6% (p = 0,52) auf. Auch bei den Biomarkern zeigten sich keine Unterschiede. Die in den retrospektiven Untersuchungen respektive Beobachtungsstudien beobachteten Vorteile bei intensivierter UST-Therapie konnte in dieser prospektiven randomisierten Studie nicht bestätigt werden. Obwohl teilweise ein numerischer Vorteil zugunsten der vierwöchigen Gaben von UST zu verzeichnen war, ist bei sekundärem Wirkverlust wahrscheinlich die Umstellung auf einen anderen Wirkmechanismus die bessere Option. Keine Unterschiede zwischen Risankizumab und Ustekinumab Bereits im vergangenen Jahr wurde mit der SEQUENCE-Studie eine Arbeit vorgelegt, bei der man die Wirksamkeit von Risankizumab (RZB) versus Ustekinumab (UST) bei mit Biologika vorbehandelten Morbus-Crohn-Patienten miteinander verglichen hatte. Dabei hatte sich in Woche 48 eine Überlegenheit von RZB gezeigt. Nun wollten Wissenschaftler aus den USA und Frankreich in einer retrospektiven Real-World-Studie die Wirksamkeit dieser beiden Substanzen bei Crohn-Patienten prüfen, die bislang Biologika-naiv waren (6). Eingeschlossen waren rund 3100 Patienten mit moderatem bis schwerem Morbus Crohn, die entweder mit RZB (n = 1568) oder UST (n = 1568) behandelt worden waren. Sowohl bei den Levels von C-reaktivem Protein, fäkalem Calprotectin, bei Opioid-Gebrauch, durch Morbus Crohn bedingten chirurgischen Eingriffen, Noteinlieferungen, Hospitalisationen oder Kortikoideinsatz zeigten sich zwischen beiden Wirkstoffen bei Biologika-naiven Patienten keine signifikanten Unterschiede. Perianalfisteln sorgen für geringere InfliximabWirkspiegel Patienten mit perianalen Fisteln sind häufig schwer zu behandeln. Studien haben gezeigt, dass der TNF-Hemmer Infliximab (IFX) hier eine wirksame Therapie sein kann, allerdings in ausreichend hohen Wirkspiegeln. Gerade Perianalfisteln könnten jedoch dazu führen, dass sich die Wirkspiegel solcher Substanzen – aus welchen Gründen auch immer – verringern. In einer in Berlin vorgestellten Untersuchung wollte man dieser Frage nun nachgehen (7). Dazu wurden zwei Gruppen von Morbus-Crohn-Patienten gebildet, eine mit Perianalfisteln (n = 63) und eine ohne (n = 86). Alle Teilnehmer erhielten die standardisierte IFX-Induktions- und -Erhaltungstherapie sowie regelmässige Wirkspiegelmessungen. Tatsächlich zeigten Patienten mit Fisteln nach sechs und vor allem nach 14 Wochen signifikant geringere Wirkspiegel als solche ohne Perianalfisteln. Nur sehr wenige Fistelpatienten hatten den notwendigen IFX-Wirkspiegel erreicht, weshalb man möglicherweise über eine Dosissteigerung bei solchen Betroffenen nachdenken sollte, so die Autoren. In einer weiteren Untersuchung wollten Prof. Dr. Stefan Schreiber aus Kiel (D) und seine Kollegen wissen, ob bei Morbus Crohn die Lokalisation der Erkrankung Einfluss auf die Wirksamkeit von subkutanem IFX hat (8). Die Patienten wurden nach Ausgangslokalisation ihres Morbus Crohn gruppiert und mit IFX s.c. 120 mg alle zwei Wochen behandelt. Ergebnis: Subkutanes IFX war unabhängig von der Lokalisation der Erkrankung im Darm gegenüber Plazebo signifikant wirksam. Nach 54 Wochen waren die Parameter klinische Remission und endoskopische Remission sowohl im Ileum, Ileokolon und Kolon unter IFX klar im Vorteil. Klaus Duffner Quelle: 20th Congress of the European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO), 19.–22. Februar 2025, Berlin (D) Referenzen: 1. Oldenburg L et al.: Higher clinical remission and endoscopic response with vedolizumab in early versus late Crohn’s disease: data from the LOVE-CD trial. ECCO 2025; DOP085. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0124 2. Oldenburg L et al.: Dose intensification of vedolizumab is not effective in inducing endoscopic response in Crohn’s disease patients with endoscopic primary non-response ECCO 2025; OP09. doi:10.1093/ ecco-jcc/jjae190.0009 3. Ferreira S et al.: Comparative effectiveness and safety of ustekinumab versus anti-tumour necrosis Factor agents as first- or second-line biologics in Crohn´s disease: a real-world multicentric observational study. ECCO 2025; P0861. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.1035 4. Ferrante M et al.: Efficacy and Safety of Risankizumab in Patients With Moderate to Severe Crohn's Disease With 3 Years of Treatment: Results From the FORTIFY Open-Label Long-Term Extension. ECCO 2025; DOP016. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0055 5. Bossuyt P et al.: Low remission recapture after ustekinumab dose optimization in Crohn’s disease: results of the randomized placebocontrolled double-blind REScUE study. ECCO 2025; OP 35. doi:10.1093/ ecco-jcc/jjae190.0035 6. Aldiabat M et al.: Comparative effectiveness of risankizumab vs. ustekinumab in bio-naïve Crohn's disease patients: A real-world multicentre retrospective cohort study. ECCO 2025; DOP102. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0141 7. Mulders L et al.: Infliximab induction fails to reach targets in Perianal Fistulizing Crohn’s Disease: first results from the ATLANTIC study. ECCO 2025; DOP017. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0056 8. Schreiber S et al.: Efficacy of subcutaneous infliximab maintenance therapy according to disease location in patients with moderate-to-severe Crohn’s disease: A post hoc analysis of the Phase 3 LIBERTY-CD study. ECCO 2025; P0702. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0876 256 ars medici 7 | 2025