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BERICHT
ECCO 2025
Neue Studien zur Colitis ulcerosa
Am diesjährigen Jahrestreffen der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) in Berlin wurde eine Vielzahl neuer Studien mit unterschiedlichen Therapieansätzen präsentiert. Dabei zeigten sich interessante Fortschritte bei der Behandlung der Colitis ulcerosa. Eine Auswahl.
Vedolizumab mit Vorteilen nach gescheiterter Anti-TNF-Therapie Einer Frage von hoher praktischer Relevanz gingen französische Wissenschaftler nach: Sollte man es nach Versagen eines ersten Anti-Tumornekrosefaktor(TNF)-Antikörpers (Adalimumab oder Golimumab) mit einem zweiten Anti-TNFAntikörper (Infliximab) versuchen, oder ist der Wechsel auf einen ganz anderen Wirkmechanismus, nämlich auf den Integrin-Antagonisten Vedolizumab, sinnvoller? Die Wissenschaftler stellten in Berlin die Ergebnisse einer doppelblinden Head-to-Head-Studie vor, in die 151 Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa eingeschlossen wurden (1). Alle hatten eine gescheiterte intravenöse (i.v.) Golimumab- oder Adalimumab-Therapie hinter sich, wobei bei den allermeisten Teilnehmern der Verlust der Wirksamkeit dafür verantwortlich war. Die Patienten wurden in 24 französischen gastroenterologischen Zentren entweder auf Infliximab (IFX; 5 mg/kg, n = 73) oder Vedolizumab (VDZ; 300 mg, n = 78) randomisiert und erhielten in den Wochen 0, 2 und 6 eine i.v. Infusion. Der primäre Endpunkt war definiert als steroidfreie klinische Remission in Woche 14. Von den 147 in die Auswertung gekommenen Teilnehmern hatten diesen Endpunkt nach 14 Wochen 34,6% in der VDZ-Gruppe und 19,2% in der IFX-Gruppe erreicht (p < 0,033). Damit zeigten signifikant mehr Patienten unter VDZ eine steroidfreie klinische Remission. Auch bei den Kriterien «endoskopische Remission» (19,5% vs. 8,3%, p = 0,051) und «endoskopische Verbesserung» (46,8% vs. 29,2%, p = 0,027) erwies sich VDZ als überlegen. Hinsichtlich des Kriteriums «klinische Response» war ein nicht signifikanter Trend zugunsten von VDZ zu beobachten (59% vs. 50%). Für beide Wirkstoffe zeigten sich keine neuen Sicherheitssignale. Insgesamt würde nach gescheiterter erster Anti-TNFTherapie bei Patienten mit Colitis ulcerosa eine Behandlung mit Vedolizumab gegenüber dem weiteren TNF-Hemmer Infliximab Vorteile zeigen, so Prof. Dr. Guillaume Bouguen vom Centre Hospitalier Regional Universitaire Rennes (F) bei der Vorstellung der Ergebnisse. Die 54-Wochen-Ergebnisse des Follow-up sollen in Kürze präsentiert werden. Guselkumab auch intravenös effektiv Bislang konnten Patienten mit Colitis ulcerosa nicht von vornherein mit einem Interleukin(IL)-23-Inhibitor subkutan (s.c.) behandelt werden, sondern mussten zuerst eine i.v. Induk- tionsphase erhalten, die dann von einer Subkutantherapie abgelöst werden konnte. Eine internationale Forschergruppe wollte nun wissen, ob Betroffene auch direkt subkutan behandelt werden können. Dafür wurden in der randomisierten, plazebokontrollierten Studie (ASTRO) 418 Patienten mit moderater bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa eingeschlossen (modifizierter Mayo-Score: 5 bis 9) (2). Sie erhielten von Beginn an entweder s.c. den IL-23-Inhibitor Guselkumab (GUS) oder s.c. Plazebo. Rund 60% der Teilnehmer hatten zuvor keine moderne Therapie erhalten, die anderen waren davor entweder mit TNF-Inhibitoren, Vedolizumab, Januskinase(JAK)-Inhibitoren oder – nur in sehr wenigen Fällen – mit Ozanimod behandelt worden. Nach der 12-wöchigen Induktionsphase hatten 27% der Teilnehmer unter s.c. GUS und 6,5% unter Plazebo den primären Endpunkt, nämlich eine klinische Remission, erreicht (Mayo-Score < 3, p < 0,001). Von den Patienten, die zum ersten Mal mit einem Biologikum oder einer anderen modernen Therapie behandelt worden waren, zeigten 36% eine klinische Remission (Plazebo 8,9%, p < 0,001). Ähnlich deutliche Unterschiede waren auch bei der klinischen Response zu beobachten, nämlich GUS 65,6% vs. Plazebo 41,8%. Dieser deutliche Unterschied zugunsten Guselkumab ziehe sich durch alle untersuchten Subgruppen, erklärte in Berlin Prof. Dr. Laurent Peyrin-Biroulet von der Université de Lorraine, Nancy (F). Hinsichtlich der Sicherheit hätten sich im Vergleich zu den bisherigen Erfahrungen mit Guselkumab keine Unterschiede gezeigt, so der Gastroenterologe. «Diese Resultate machen zusammen mit den aus früheren Studien gewonnenen Daten deutlich, dass sowohl die intravenöse, als auch die subkutane Induktion von Guselkumab eine effektive therapeutische Option darstellt.» Weniger drängender Stuhlgang unter Mirikizumab Ein typisches Symptom bei Colitis-ulcerosa-Betroffenen ist der imperative Stuhlgang (bowel urgency, BU), das plötzliche und dringende Bedürfnis, den Darm zu entleeren. In einer europäisch-amerikanischen Phase-IIIb-Studie (LUCENTURGE) wollte man sich in acht Ländern dieses, gemäss den Autoren, «unterschätzten» Phänomens annehmen und untersuchen, ob eine Therapie mit dem IL-23-Inhibitor Mirikizumab (MIRI) hier nützlich sein könnte (3). Dafür wurden 172 Patienten in der Induktionsphase (W 0, 4, 8) mit i.v. MIRI 300 mg und anschliessend alle vier Wochen mit s.c. MIRI 200 mg be- ars medici 7 | 2025 251 BERICHT handelt. Der Teilnehmer litten unter moderater bis schwerer Colitis ulcerosa in Kombination mit BU, wobei 64% von ihnen zu Beginn der Studie eine schwere Krankheitsaktivität aufwiesen. Die Wirkung von MIRI wurde mit drei unterschiedlichen Bewertungsskalen validiert: der klassischen Urgency Numeric Rating Scale (UNRS), die die Dringlichkeit des Stuhlgangs beschreibt (von 0 bis 10), der Bowel Urgency Frequency (BUF), also der Stuhlfrequenz in den vergangenen 24 Stunden, und der Stool Deferral Time (SDT), d.h. der Aufschiebungszeit, die möglich ist, um den Stuhlgang nach dem Entleerungswunsch hinauszuzögern (von 1 mild bis 4 schwer). Nach zwölf Wochen MIRI-Therapie hatte sich der UNRS-Wert im Vergleich zur Baseline um 47,8% und die BUF um durchschnittlich 55,1% verbessert. Auch die Fähigkeit, den Stuhl noch eine gewisse Zeit zu halten, zeigte sich um 26,1% verbessert. 63% der Teilnehmer wiesen eine klinische Response auf und 44% eine klinische Response plus eine klinisch deutliche Verbesserung des UNRS-Werts (≥ 3 Punkte Abnahme). Das Sicherheitsprofil entsprach den bislang gemachten Erfahrungen. Von fünf aufgetretenen ernsthaften Ereignissen stand keines im Zusammenhang mit der Behandlung. Die Studie wird noch bis Woche 28 fortgeführt. Endoskopisch-histologische Verbesserungen unter Infliximab Der TNF-alpha-Inhibitor Infliximab (IFX) steht seit fast 20 Jahren zur Behandlung der Colitis ulcerosa zur Verfügung. Trotzdem stünden hinsichtlich des kombinierten Endpunkts aus endoskopischer und histologischer Remission nur wenige wissenschaftliche Daten zur Verfügung, berichtete Prof. Dr. JeanFrederic Colombel vom Inflammatory Bowel Disease Clinical Center, Mount Sinai, New York. Aus diesem Grund wurde eine neue Analyse der im vergangenen Jahr vorgestellten LIBERTYUC-Studie durchgeführt (4). Die 438 Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa hatten nach einer 10-wöchigen i.v. Induktionsphase in der Erhaltungsphase entweder s.c. IFX (120 mg bzw. 240 mg) oder s.c. Plazebo erhalten. Nach 54 Wochen zeigten 43,9% unter IFX und 22,2% unter Plazebo eine endoskopische Verbesserung (p < 0,0001) und 32,7% respektive 11,1% eine endoskopische Normalisierung (p < 0,0001). Eine histologische Remission erreichten 37,8% unter Verum und 19,4% unter Plazebo (p < 0,0001). Entsprechend eindeutig waren auch die kombinierten Outcomes aus Endoskopie und Histologie nach 54 Wochen: Während durch die IFX-Behandlung 27,9% eine histologische Remission plus eine endoskopische Normalisierung aufwiesen, war dies unter Plazebo bei 11,1% der Fall (p < 0,0001). Interessanterweise zeigte sich eine sehr starke Assoziation zwischen der Dauer der Erkrankung und dem kombinierten endoskopisch-histologischen Endpunkt, betonte Prof. Colombel: je kürzer die Krankheitsdauer, desto häufiger die Verbesserungen. Patienten mit einem Krankheitsausbruch vor weniger als zwei Jahren erreichten zu 33,7% im Vergleich zu Plazebo (5,6%) dieses Ziel, Teilnehmer, die jedoch schon über zehn Jahre an Colitis ulcerosa erkrankt waren, erreichten nur zu 19% den kombinierten Endpunkt. «Die Ergebnisse dieser Post-hoc-Analyse unterstreichen den nach- haltigen Benefit einer Erhaltungstherapie mit Infliximab», so das Fazit von Prof. Colombel. Langzeitdaten von Upadacitinib Ist der JAK-Inhibitor Upadacitinib auch in Langzeitbehandlung wirksam und sicher? Ein amerikanisch-europäisches Forscherteam stellte in Berlin die 4-Jahres-Ergebnisse des Follow-up der beiden Studien U-ACHIEVE und U-ACCOMPLISH mit 369 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa vor (5). Die Teilnehmer waren mit 15 mg bzw. 30 mg Upadacitinib (UPA) pro Tag behandelt worden und zeigten in der Erhaltungsphase nach 144 Wochen zu über 50% eine endoskopische Remission. Die klinische Remission (adaptierter Mayo-Score, «as observed») lag bei 85,4% (15 mg) bzw. 67,5% (30 mg). Die Behandlung wurde insgesamt gut vertragen. 3,5% bzw. 5,7% entwickelten Herpes zoster, zudem kam es zu fünf opportunistischen Infektionen, wie beispielsweise Candida (1 unter UPA 15 mg, 4 unter UPA 30 mg). Malignitäten traten bei 1,3% bzw. 1,5% und venöse Thrombosen bei 0,3% bzw. 0,2% der Teilnehmer auf. Letztere litten bereits vor Beginn der Studie unter kardiovaskulären Erkrankungen, betonte Prof. Dr. Remo Panaccione von der University of Calgary, Kanada, bei der Vorstellung der Daten. Diese Langzeitdaten seien ein weiterer Beleg für das positive Benefit-Risiko-Profil von Upadacitinib bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa, so der Gastroenterologe. Sicherheitsvergleich von JAK-Inhibitoren mit Biologika Zwar zeigt die Behandlung mit JAK-Inhibitoren bei der Therapie der Colitis ulcerosa eine hohe Wirksamkeit, die Gefahr von Infektionen, speziell von Herpes zoster, ist jedoch immer wieder Gegenstand intensiver Diskussionen. In einer retrospektiven Auswertung der Daten von TriNetX, einem globalen Netzwerk von Gesundheitsorganisationen und Life-SciencesUnternehmen, das Real-World-Research vorantreibt, wollten nun Wissenschaftler aus Italien, Grossbritannien und den USA die aufgetretenen Nebenwirkungen von JAK-Inhibitoren (Tofacitinib und Upadacitinib) mit denen anderer moderner Colitis-ulcerosa-Therapien (IL-23-Antagonisten und Vedolizumab) vergleichen (6). Eingeschlossen wurden die Daten von 866 erwachsenen Colitis-ulcerosa-Patienten, wobei Herpes zoster, kardiovaskuläre Ereignisse, thromboembolische Ereignisse, Karzinome und nicht melanomärer Hautkrebs im Fokus standen. Dabei war Tofacitinib mit statistisch geringeren Raten thromboembolischer Ereignisse als Anti-TNF-Therapien (Hazard Ratio [HR] 0,61, p = 0,04) und mit niedrigeren Krebsraten im Vergleich zu Vedolizumab (HR 0,63, p = 0,03) verbunden. Allerdings zeigten sich mehr Herpes-zoster-Fälle gegenüber Anti-IL-23-Behandlungen (p = 0,001). Auch Upadacitinib wies weniger Thromboembolien (p = 0,001) auf, jedoch war auch hier eine stärkere Herpes-zoster-Reaktivierung als bei IL-23-Hemmung zu verzeichnen (p = 0,001). Beim direkten Vergleich von Tofacitinib und Upadacitinib traten Sicherheitsaspekte in ähnlichem Umfang auf. Damit, so die Au- 252 ars medici 7 | 2025 BERICHT toren, würden die beiden JAK-Inhibitoren ein vergleichbares Sicherheitsprofil wie die anderen Wirkmechanismen aufweisen, allerdings bleibe die stärkere Gefahr von Herpes-zosterInfektionen. Behandlung nach gescheiterter First-Line-Therapie Viele Patienten mit Colitis ulcerosa erhalten first-line TNF-Inhibitoren. Wie sieht es jedoch aus, wenn diese erste Therapie scheitert? In der retrospektiven real-life PODIUM-Studie, an der sich 13 gastroenterologische Zentren verschiedener Mittelmeerländer beteiligten, wurden die Daten von 352 Patienten miteinander verglichen (7). Die Patienten litten unter moderater bis mittelschwerer Colitis ulcerosa und waren nach missglückter erster Anti-TNF-Therapie entweder mit Vedolizumab (VDZ), Ustekinumab (UST) oder JAK-Inhibitoren (JAKi) behandelt worden. Nach einem Jahr hatten 52% (VDZ), 68% (UST) und 71% (JAKi) eine steroidfreie klinische Remission (SFCR) erreicht. Zudem war die Stuhlfrequenz in den UST- und JAKi-Gruppen im Vergleich zur VDZ-Gruppe nach zwölf Monaten signifikant geringer (0,5 und 0,5 vs. 1,2, p < 0,05). Ernsthaftere Nebenwirkungen traten unter VDZ bei 5,3%, unter UST bei 9,2% und unter JAKi bei 19,1% auf, letztere bestanden mehrheitlich aus Infektionen, darunter eine Herpes-zoster-Reaktivierung. Klaus Duffner Quelle: 20th Congress of the European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO), 19.–22. Februar 2025, Berlin (D) Referenzen: 1. Bouguen G et al.: Comparative efficacy of infliximab and vedolizumab after failure of a first anti-TNF in patients with ulcerative colitis: a double-blind randomized controlled trial (EFFICACI). ECCO 2025; Session 11: OP38. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0038 2. Peyrin-Biroulet L et al.: Efficacy and safety of subcutaneous guselkumab induction therapy in patients with Ulcerative Colitis: Results through week 12 from the phase 3 ASTRO study. ECCO 2025; DOP Session 4: OP10. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0010 3. Danese S et al.: Mirikizumab demonstrates rapid improvements in bowel urgency severity, bowel urgency frequency, and stool deferral time in patients with moderately-to-severely active Ulcerative Colitis: 12-week interim results from the phase 3b LUCENT-URGE trial. ECCO 2025; OP 34: Session 10. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0034 4. Colombel JF et al.: Endoscopic and histologic outcomes in patients with moderate-to-severe Ulcerative Colitis treated with infliximab: A post hoc analysis of the Phase 3 LIBERTY-UC study. ECCO 2025; DOP Session 1: DOP001. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.0040 5. Panaccione R et al.: Efficacy and safety of upadacitinib after 4 years of treatment in patients with moderately to severely active ulcerative colitis: interim long-term data from the phase 3 open-label extension study (U-ACTIVATE). ECCO 2025; DOP Session 1: DOP002. doi:10.1093/ ecco-jcc/jjae190.0041 6. Fiorino G et al.: Safety of tofacitinib and upadacitinib compared to other advanced therapies in ulcerative colitis: a large real-world comparison ECCO 2025; P1084. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.1258 7. Privitera G et al.: The PODIUM Study: A three-arm comparison of target therapies after anti-TNFα in ulcerative colitis –an interim analysis. ECCO 2025; P1036. doi:10.1093/ecco-jcc/jjae190.1210 ars medici 7 | 2025 253