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STUDIE REFERIERT
Hypothyreose
Erfolgreiche Substitutionstherapie in der Allgemeinpraxis
Die Schilddrüsenfunktion von Patienten mit Hypothyreose, die eine Thyroxinersatztherapie erhalten, sollte regelmässig kontrolliert werden, um eine Unterversorgung zu vermeiden. Die Autoren der vorliegenden Studie befassten sich mit der Ermittlung des optimalen Intervalls für diese Kontrollen und untersuchten, welche Faktoren den Schilddrüsenstatus beeinflussen.
BMC Primary Care
Die meisten Patienten mit Hypothyreose benötigen eine lebenslange Ersatztherapie mit Thyroxin, um allfällige Symptome zu lindern und Langzeitfolgen zu vermeiden. Die Kontrolluntersuchungen zeigen jedoch, dass es einem relevanten Anteil der substituierten Patienten nicht gelingt, einen euthyreoten Zustand zu erreichen. Um Komplikationen einer schlechten Einstellung zu vermeiden und die Therapietreue zu unterstützen, sind daher regelmässige Kontrollen der Schilddrüsenwerte vorgesehen. Leitlinien der American Academy of Family Physicians für die klinische Praxis empfehlen für die meisten Erwachsenen mit Hypothyreose eine jährliche Kontrolle, aber zum optimalen Intervall gibt es verschiedene Vorschläge.
Wie häufig kontrollieren?
Auf der Suche nach dem optimalen Überwachungsintervall analysierten Gunasekaran et al. im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie die elektronischen Gesundheitsakten von hypothyreoten Erwachsenen aus Singapur, die zwischen Juli 2017 und Juni 2020 in Polikliniken behandelt worden waren. Für die Auswertung geeignet waren Daten von 5749 Personen (Durchschnittsalter 62,1 Jahre; 79% weiblich; 79,7% Chinesen; mittlerer Body-MassIndex [BMI]: 24,6 kg/m2). Bei einem Grossteil erfolgte die Nachuntersuchung innerhalb eines Jahres, bei den anderen betrug das Intervall 13–24 Monate. Da bei den eingeschlossenen Patienten unterschiedliche Substitutionschemata zum Einsatz kamen, wurde dem Vergleich die wöchentliche Gesamtdosis
respektive die daraus ermittelte durchschnittliche tägliche Dosis an Thyroxin zugrunde gelegt. Am häufigsten (45,5%) war ein tägliches Dosierungsschema, gefolgt von einem segmentierten Vorgehen. Patienten mit einem segmentierten Dosierungsschema nahmen durchschnittlich eine höhere tägliche Thyroxindosis ein; die verschiedenen Dosierungsschemata führten jedoch nicht zu einem signifikanten Unterschied im Schilddrüsenstatus (p = 0,193). Nach zwei Jahren Nachbeobachtung waren gemäss dem Wert des Thyroidea-stimulierenden Hormons (TSH) 61,9% der Patienten (n = 3558) eu-, 29,5% (n = 1694) hypo- und 8,6% (n = 497) hyperthyreot. Eine Unterversorgung mit Thyroxin war häufiger bei Männern und bei Adipösen (BMI > 27,5 kg/m2) zu verzeichnen (adjustierte Odds Ratio [AOR]: 1,25 bzw. 1,34; p = 0,02 bzw. 0,008). Von den 3312 zu Studienbeginn euthyreoten Erwachsenen entwickelten 22,2% nach 6 Monaten, 41,7% nach 12 Monaten und 59,6% nach 24 Monaten eine suboptimale Schilddrüsenkontrolle. Eine Überprüfung der Schilddrüsenfunktion innerhalb eines Jahres (≤ 12 Monate) reduzierte sowohl die Wahrscheinlichkeit für eine Unter- (AOR: 0,57; p < 0,001) als auch die für eine Überversorgung (AOR: 0,62; p = 0,033). Massgeschneidert therapieren Etwa 60% der Hypothyreose-Patienten blieben mit einer Thyroxinersatztherapie über zwei Jahre hinweg euthyreot. Die Autoren weisen darauf hin, dass die meisten asiatischen Patienten mit einer geringeren mittleren Tagesdosis als z. B. in den erwähnten Leitlinien für ameri- kanische Patienten empfohlen (1,11 µg/ kg anstelle von 1,6 µg/kg Körpergewicht) erfolgreich eingestellt werden können. Als Risikofaktoren für eine Unterversorgung erwiesen sich in dieser Studie ein männliches Geschlecht und Adipositas. Um massgeschneidert behandeln zu können, sei es wichtig, daran zu denken, dass das Zusammenspiel zwischen Schilddrüsenfunktion und MagenDarm-Physiologie komplex sei, erinnern die Autoren. Denn eine suboptimale Substitutionstherapie könne metabolische Ungleichgewichte verschlimmern und bei fettleibigen Personen zur Gewichtszunahme beitragen. Bei suboptimaler Schilddrüsenkontrolle reiche es häufig nicht, die Überprüfungsintervalle zu verkürzen und die Dosistitration anzupassen, schreiben die Autoren. Unter Umständen sei es für eine langfristig gute Einstellung viel wichtiger, die der Situation zugrunde liegenden Faktoren zu überprüfen – wie die Therapietreue oder Faktoren, die die Thyroxinsubstitution beeinträchtigen könnten, zum Beispiel die gleichzeitige Einnahme von Kalziumpräparaten. Die Tatsache, dass nach sechs Monaten Therapie ungefähr doppelt so viele Patienten euthyreot waren wie zu Beginn, belege die Wirksamkeit der Behandlung und unterstreiche die Bedeutung einer kontinuierlichen Überwachung mit allfälliger Anpassung der Behandlungsprotokolle, so die Autoren. Mü s Quelle: Gunasekaran K et al.: Thyroid function status in patients with hypothyroidism on thyroxine replacement and associated factors: a retrospective cohort study in primary care. BMC Prim Care. 2024;25(1):383. doi:10.1186/s12875-024-02613-z 622 ARS MEDICI 24 | 2024