Transkript
PORTRAIT
Wir stellen vor:
Dr. Christel Elisabeth Nyberg
Leitende Psychologin, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel
In der beruflichen Laufbahn von Dr. Nyberg hat ADHS stets eine Hauptrolle gespielt. Erst bei Kindern und mit der Zeit immer mehr bei Erwachsenen. Grund für diese Entwicklung war ein Zufall.
Sie sind Leitende Psychologin an den Unversitären Psychatrischen Kliniken (UPK) Basel mit den Schwerpunkten ADHS und Autismus. Hat diese Art von Problemen bei den Menschen in den letzten Jahren zugenommen? Was ist Ihre Einschätzung? Ich glaube nicht, dass diese Erkrankungen zugenommen haben. Was sich aber geändert hat, ist die Wahrnehmung von ADHS. Früher galt diese Störung als Kinderkrankheit, die sich mit dem Erwachsenwerden «auswächst». Heute existiert ein Bewusstsein darüber, dass ADHS bei Erwachsenen weiter bestehen und sich über das ganze Leben erstrecken kann. Und wir haben inzwischen Diagnoseinstrumente, die diese Störung auch bei Erwachsenen aufdecken können. Das eröffnet die Möglichkeit, die bisher unerkannten Fälle zu diagnostizieren und sie entsprechend zu behandeln. ADHS ist inzwischen erfreulicherweise ein Bestandteil der Psychotherapieweiterbildung, und es gibt viele Fortbildungsangebote dazu. Das ist wichtig, denn ADHS ist auch ein Risikofaktor für viele andere psychische Störungen.
Was hat Sie an ADHS so fasziniert, dass Sie diese Erkrankung zu einem Ihrer Schwerpunkte gemacht haben? Der Grund dafür liegt 27 Jahre zurück. Meine erste Patientin, die ich behandeln durfte, wurde mit einer atypischen Depression zugewiesen. Sie
Beruflicher Werdegang kurz und knapp
Dr. Nyberg hat in Finnland ihre Schulzeit absolviert und in Freiburg im Breisgau (D) Psychologie studiert. Sie hat zum Thema psychische Störungen nach schweren Verkehrs- und Arbeitsunfällen doktoriert. Im Weiteren hat sie Zertifikate für Supervision in Verhaltenstherapie, Schematherapie erlangt sowie für psychologische Schmerztherapie, psychologische Psychotherapie. Nach mehreren Arbeitsstationen in der Schweiz und in Deutschland arbeitet sie derzeit als Leitende Psychologin und Leiterin der ADHS-Sprechstunde in den Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel.
war damals etwa 20 Jahre alt. Weil ich mich zu diesem Zeitpunkt aber bereits mit ADHS bei Kindern und Jugendlichen befasst hatte, fiel mir auf, dass das Symptommuster einer ADHS entsprach. Damals gab es in Europa nicht viel Forschung darüber, in den USA etwas mehr. So begann ich mich dafür zu interessieren. Mit Prof. Stieglitz, der in diesem Heft auch einen Beitrag geschrieben hat und der damals in derselben Klinik in Freiburg in Deutschland arbeitete wie ich, habe ich in diesem Bereich zusammengearbeitet. Als er dann nach Basel zu den UPK ging, folgte ich ihm. In Basel haben wir dann gemeinsam ADHS-Gruppen aufgebaut und ein therapeutisches Konzept entwickelt.
Sie haben sich nach der Schule für das Psychologiestudium entschieden. Was gab dazu den Ausschlag? Ich bin in Finnland zur Schule gegangen. Dort war Psychologie ein Teil der gymnasialen Ausbildung. Dabei ging es um die gesunden Vorgänge der menschlichen Psyche, und die Psychologielehrerin machte einen sehr spannenden Unterricht. Das war der Grundstein für meine Begeisterung für die Psychologie und der Grund für meine Studienwahl. Das Studium habe ich dann in Deutschland, in Freiburg im Breisgau, absolviert.
Womit können Sie am besten entspannen, was tun Sie für Ihren Ausgleich? Einen guten Ausgleich zu haben, ist sehr wichtig. Bewegung, Yoga und Meditation helfen mir dabei. Ich fahre gern Fahrrad und wandere gern, im Winter auch im Schnee.
Was waren Ihre grössten persönlichen und beruflichen Highlights? Ich freue mich sehr darüber, diese grosse ADHS-Sprechstunde in den UPK leiten zu dürfen. Wir haben in Basel viele Ressourcen zur Verfügung. Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns hier für eine gründliche Abklärung genügend Zeit für die Patienten nehmen können, für die Fremdanamnese und die notwendigen Tests, um einen ausführlichen Befund erstellen zu können. Alles mit dem Ziel, verstehen und einordnen zu können, welche Art von Störung wirklich vorliegt. Das finde ich sehr befriedigend. Ich finde es auch schön, dass ich mich einem Thema widmen und mich darin vertiefen kann. Das ist für mich ein Highlight. l
Das Interview führte Valérie Herzog.
1/2023
PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
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