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KONGRESSBERICHT
Psoriasis
Molekulare Profile weisen den Weg zur richtigen Therapie
Die immunologische Heterogenität der Psoriasis erfordert neue Ansätze, z.B. den Einsatz molekularer Profile zur Präzisierung von Diagnose und Therapie. Ein weiterer Vortrag beschäftigte sich mit der Frage, wie bei Psoriasis-Patienten mit Verdacht auf Tuberkulose vorzugehen ist.
Nicht jeder Patient mit Psoriasis leidet an einer PlaquePsoriasis. Neben dieser häufigsten Form existieren weitere Phänotypen wie Psoriasis guttata, Psoriasis palmoplantaris, pustulöse oder erythrodermische Formen der Psoriasis, die unterschiedliche immunologische Signaturen aufweisen, welche die Wahl der Therapie wesentlich beeinflussen. Nach Ausführung von Prof. Michel Gilliet, CHUV, Lausanne, ist es wichtig, den Phänotyp zu erkennen, da es den therapeutischen Ansatz beeinflusst (1). «Unser präzisionsmedizinischer Ansatz besteht darin, dass wir Immunprofile mit Heat-Maps messen und wir fanden drei molekulare Endotypen», erklärte Prof. Gilliet. Daher wird in seiner Abteilung bei allen Patienten mit entzündlichen Hauterkrankungen eine 4 mm grosse Stanzbiopsie von Hautläsionen entnommen, eine RNA-Extraktion durchgeführt und ein Transkriptionsprofil erstellt: Dadurch können verschiedene Immunmodule identifiziert werden, bei Psoriasis z.B. der IFN-I-Endotyp, der Th17-Endotyp und der neutrophile Endotyp.
Dieses Wissen eröffnet Möglichkeiten für eine gezieltere Therapie. Akute Formen wie die erythrodermische Psoriasis oder die paradoxe Psoriasis gehören zum IFN-I-Endotyp. Sie sprechen auf Cyclosporin, topische Steroide und TYK2Inhibitoren an. Der Endotyp Th17 ist derjenige der typischen Plaque-Psoriasis, bei dem IL17- und IL-23-Blocker sowie TYK2-Inhibitoren gut wirken. Dagegen sprechen neutrophile Endotypen wie die pustuläre Psoriasis gut an auf Retinoide, Apremilast und IL36-Rezeptorblocker.
Nonresponder: Manchmal steck der Angriff am falschen Signalweg dahinter Obwohl die moderne zielgerichtete Therapie der Psoriasis sehr wirksam ist, gibt es immer noch Nonresponder. Hierfür können verschiedene Ursachen verantwortlich sein: Zum einen könnte der falsche Signalweg adressiert werden, doch auch Immun-Escape-Pfade oder sogar paradoxe Reaktionen können eine Rolle spielen. Gerade bei solchen Fällen ist der präzisionsmedizinische Ansatz wertvoll und kann den Weg zur korrekten Therapie weisen: Als Beispiel hierfür erwähnte Prof. Gilliet einen 63-jährigen Patienten mit schwerer, therapierefraktärer Psoriasis. Er sprach weder auf die konventionelle Therapie mit Methotrexat und Fumarsäure an, noch
auf Apremilast oder Zytokinblocker (sowohl Anti-IL-17 als auch Anti-IL-23-Blocker waren in der Vergangenheit erfolglos versucht worden).
Die Läsionen sahen klinisch wie Psoriasisläsionen aus, auch eine Biopsie bestätigte das histologische Bild einer Psoriasis. Die molekulargenetische Bestimmung zeigte dagegen, dass bei dem Patienten neben dem zu erwartenden Th17-Cluster auch ein dominantes Th2-Cluster vorhanden war, das eigentlich typisch für die atopische Dermatitis ist. Nach dieser Erkenntnis wurde der Patient mit Dupilumab behandelt, worauf er sehr gut ansprach, was die diagnostische und therapeutische Stärke der Methode belegt.
Heat-Maps: der Weg aus dem diagnostischen Dilemma Nach den Erfahrungen von Prof. Gilliet tragen molekulargenetische Bestimmungen massgeblich dazu bei, die Diagnose entzündlicher Hauterkrankungen zu verbessern. «Wir haben viele Fehldiagnosen mit diesem Ansatz aufgedeckt – bei AD etwa 50%, beim chronischen Handekzem 31% und bei Psoriasis 36%», erklärte Prof. Gilliet. Im Vergleich zu rein klinischen Therapieentscheidungen führen molekular begründete Entscheidungen zu besseren Behandlungsresultaten.
Das Konzept «precision medicine» erlaubt zudem, ein Therapieversagen besser zu verstehen. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Ist die Diagnose korrekt? Wurde der richtige therapeutische Angriffspunkt gewählt? Oder hat sich unter einer zielgerichteten Therapie ein Immun-Shift entwickelt?
Als Take-home-Message gab Prof. Gilliet zu bedenken, dass nicht jede Psoriasis einem Th17-Muster entspreche. Besonders bei inflammatorischen Varianten oder einem Nichtansprechen auf eine Th17-Blockade liegt häufig ein Typ-I-IFN-Endotyp vor.
Psoriasis und Tuberkulose – was bei modernen Therapien zu beachten ist Patienten mit Psoriasis und latenter Tuberkulose (TB) stellen aufgrund des Risikos der Reaktivierung einer latenten TB eine besondere therapeutische Herausforderung dar. Wie Dr. Tiago Torres, Universität Porto (Portugal), betonte, tragen rund 25% der Weltbevölkerung eine latente TB-Infek-
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tion in sich, von denen 5–10% auch ohne Immundefekt im Laufe ihres Lebens eine aktive Tuberkulose entwickeln werden (2,3). Verschiedene Begleiterkrankungen wie HIV, Diabetes, chronische Niereninsuffizienz, hämatologische Neoplasien oder Drogenabhängigkeit erhöhen dieses Risiko zusätzlich, ebenso bestimmte Medikamente (3). Besonders bekannt ist die TB-Reaktivierung unter TNF-Blockern, da der Tumornekrosefaktor eine Schlüsselrolle in der Immunabwehr gegen Mykobakterien spielt (4).
Durch ein TB-Screening vor Therapiebeginn und die adäquate Behandlung einer latenten Infektion lässt sich das Risiko deutlich reduzieren – laut Dr. Torres um den Faktor 10. Daher empfehlen die meisten Leitlinien ein konsequentes Screening und gegebenenfalls eine präventive Therapie vor Beginn jeder Biologika-Behandlung, unabhängig vom gewählten Wirkmechanismus (5,6).
Therapie einer latenten TB ist eine individuelle Entscheidung Allerdings ist auch die Behandlung einer latenten TB nicht ohne Risiken: Gefährdet sind Patienten mit niedrigem BMI, ältere Patienten besonders mit vorbestehenden Lebererkrankungen, anämische Patienten, HIV-Patienten, solche mit chronischer Niereninsuffienz oder Thrombozytopenie sowie Schwangere (7). Ihnen drohen nach Ausführung von Dr. Torres bei Behandlung Arzneimittelinteraktionen, gas trointestinale Beschwerden, allergische Reaktionen, Lebertoxizität und periphere Neuropathien. Die Entscheidung zur präventiven Therapie sollte deshalb immer individuell gefällt werden.
Nicht alle modernen Biologika erhöhen das Risiko für eine TB-Reaktivierung gleichermassen. Während TNF-Blocker und möglicherweise auch Ustekinumab aufgrund der Blockade von IL-12 ein gewisses Risiko bergen, scheint dieses bei IL-17- und IL-23-Inhibitoren sehr gering zu sein. Studien weisen darauf hin, dass eine gezielte Blockade dieser Signalwege die Kontrolle einer latenten TB nicht wesentlich beeinträchtige (8). Damit könnten IL-17- und IL-23-Blocker gerade für Patienten mit erhöhtem TB-Risiko eine sicherere
Option darstellen. Er empfiehlt daher bei Patienten, bei denen Komplikationen durch eine präventive TB-Therapie zu befürchten sind, direkt mit den genannten Zytokinblockern zu behandeln. Ziel müsse eine ausgewogene NutzenRisiko-Abwägung sein, um Psoriasis effektiv zu behandeln, ohne unnötige Gefahren einzugehen.
In diesem Sinn sind auch die jüngsten Konsensus-Empfehlungen der SPIN-Experten zur Behandlung der Psoriasis bei Patienten mit latenter Tuberkulose oder einem erhöhten Risiko für eine TB-Exposition bzw. -Reaktivierung formuliert (9). So sollen Patienten mit negativem TB-Screening bei bestehendem Risiko für eine TB-Exposition oder für die Entwicklung einer aktiven TB im Falle einer Infektion bevorzugt mit IL-17-Inhibitoren, IL-23-Inhibitoren oder Apremilast als Erstlinientherapie behandelt werden.
Susanne Kammerer
Referenzen: 1. Gilliet M et al.: What I want everybody to know about Psoriasis. Vortrag,
SPIN 2025, 2.–4. Juli 2025, Paris (Frankreich). 2. Torres T et al.: Psoriasis and tuberculosis in the era of new targeted
therapies. Vortrag, SPIN 2025, 2.–4. Juli 2025, Paris (Frankreich). 3. World Health Organization (WHO): Global Tuberculosis Report 2023.
URL: https://www.who.int/teams/global-programme-on-tuberculosisand-lung-health/tb-reports/global-tuberculosis-report-2023 (Zugriff am 11. Oktober 2025). 4. Zhang Z et al.: Risk of tuberculosis in patients treated with TNF-α antagonists: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ Open. 2017;7(3):e012567. doi:10.1136/bmjopen-2016-012567. 5. Fragoulis GE et al.: 2022 EULAR recommendations for screening and prophylaxis of chronic and opportunistic infections in adults with autoimmune inflammatory rheumatic disease. Ann Rheum Dis. 2023;82(6):742-753. 6. Nast A et al.: S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris Update – Kurzfassung Teil 2 – Besondere Patientengruppen und spezielle Behandlungssituationen. J Dtsch Dermatol Ges. 2018;16(6):806-814. 7. Price C et al.: Latent tuberculosis. StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/ books/NBK599527/ (Zugriff am 11. Oktober 2025). 8. Nogueira M et al.: Risk of tuberculosis reactivation with interleukin (IL)-17 and IL-23 inhibitors in psoriasis – time for a paradigm change. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2021;35(4):824-834. 9. Torres T et al.: Treatment of psoriasis with biologic and non-biologic targeted therapies in patients with latent tuberculosis infection or at risk for tuberculosis disease progression: Recommendations from a SPIN-FRT expert consensus. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2025;39(1):52-69.
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