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KONGRESSBERICHT
Disease Modification
Ein erreichbares Therapieziel bei entzündlichen Hauterkrankungen?
Die Vorstellung, bei chronisch-entzündlichen Dermatosen nicht nur eine Symptomkontrolle zu erreichen, sondern langfristig den Krankheitsverlauf zu modifizieren, gewinnt an Bedeutung. Am nächsten ist man diesem Ziel bei der Behandlung der Psoriasis.
Der Begriff «Disease Modification» ist in der Dermatologie noch nicht eindeutig definiert – und doch in aller Munde. Laut Prof. Curdin Conrad, Universitätsklinik Lausanne, steht Disease Modification einer Heilung nahe. Es geht darum, den natürlichen Krankheitsverlauf nachhaltig zu beeinflussen – mit klinischen, funktionellen und immunologischen Konsequenzen. Besonders bei Psoriasis zeichnet sich ab, dass es ein therapeutisches Fenster gibt, innerhalb dessen die Krankheitsdynamik dauerhaft verändert werden kann. «Zwischen einem und fünf Jahren passiert etwas. Eine vollständig abgeheilte Haut ist einer der wichtigsten Prädiktoren für eine Krankheitsmodifikation», erklärte Prof. Curdin.
Frühzeitige Behandlung als Schlüssel Inzwischen zeigen mehrere Studien, dass eine frühe Behandlung mit IL-17- oder IL-23-Blockern nicht nur zu voll-
KURZ UND BÜNDIG
• Eine Krankheitsmodifikation ist ein noch unscharf definiertes, aber zentrales Zukunftsziel, die einer Heilung nahekommt.
• Eine frühe, effektive (Biologika-)Therapie verbessert die Chancen auf eine langfristige Remission.
• Bei Psoriasis besteht ein «Window of Opportunity» für Krankheitsmodifikation zwischen Jahr 1 und 5.
• Hautresidente Gedächtnis-T-Zellen sind bei Psoriasis Schlüsselfaktor für Rezidive.
• IL-23 spielt eine wesentliche Rolle in der Krankheitspersistenz.
• Psoriasisarthritis kann bei früher Intervention möglicherweise verhindert werden.
• Bei AD und AA ist eine nachhaltige Modifikation bislang nicht nachweisbar.
• Das therapeutische Fenster könnte durch epigenetische Mechanismen geprägt sein.
ständiger Hautabheilung führt, sondern auch Rückfälle hinauszögern kann (1,2). Epigenetische Veränderungen können heute durch Transkriptomanalysen gut untersucht werden. Eine Substudie der 52-wöchigen, randomisierten, multizentrischen Studie STEPIn weist beispielsweise auf eine krankheitsmodifizierende Wirkung von Secukinumab hin (3). Hier führte eine Secukinumab-Behandlung von Patienten mit Plaque-Psoriasis, deren Diagnose maximal ein Jahr zurücklag, zu einer Normalisierung auf Genexpressions- und epigenetischer Ebene. Bis Woche 52 näherte sich das Transkriptom demjenigen an, dass bei nicht läsionaler Haut beobachtet wurde, allerdings nur bei den früh behandelten Patienten. Bei den lang Erkrankten blieb eine residuale entzündliche DNA-Methylierungs-Signatur. Die Autoren schliessen daraus, dass eine frühe Behandlung mit dem Biologikum die Etablierung eines Gewebegedächtnisses bei Psoriasis- Patienten verhindern könnte (3). Ähnliche Hinweise zeigen die Ergebnisse der GUIDE-Studie mit dem IL-23-Inhibitor Guselkumab (4): Bei früher Therapie erreichten 52% der Patienten eine vollständig abgeheilte Haut im Vergleich zu 39% der Patienten mit längerer Krankheitsdauer. Darüber hinaus wiesen früh, d.h. innerhalb von zwei Jahren nach Erstauftreten, behandelte Patienten eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, als «Superresponder» zu gelten, definiert als vollständige Abheilung der Läsionen an Woche 20 und Woche 28 (4). Zudem gelang es den Patienten mit kurz dauernder Psoriasis nach Absetzen der Behandlung im weiteren Studienverlauf signifikant länger, absolute PASI-Werte < 3 zu erhalten (4). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Krankheitsmechanismen bei Patienten mit einer kürzeren Erkrankungsdauer noch nicht chronifiziert und wieder umkehrbar sind, was ein starkes Argument für eine frühe effektive Therapie ist. Bei etwa 10% der Psoriasis-Patienten bleibt die Erkrankung nach Biologikagabe über zwei Jahre rezidivfrei. Ein Prädiktor hierfür ist eine kurze Erkrankungsdauer vor Therapiebeginn, diese Patienten sprechen auch besser auf die Behandlung an. Dabei scheint zwischen dem ersten und 16 dermatologie & ästhetische medizin 4 | 2025 KONGRESSBERICHT dem fünften Krankheitsjahr ein «Window of Opportunity» zu existieren, in dem eine nachhaltige Beeinflussung der Immunantwort noch möglich ist. Krankheitsgedächtnis kann dauerhafter Remission im Weg stehen Ein zentrales Hindernis für dauerhafte Remissionen sind hautresidente Gedächtnis-T-Zellen (TRM). Denn selbst klinisch «abgeheilte» Haut ist nicht immunologisch gesund: TRM-Zellen überdauern in der scheinbar gesunden Epidermis und sorgen dafür, dass Psoriasis typischerweise an denselben Stellen rezidiviert. Das inflammatorische Zytokin IL-23 spielt eine Schlüsselrolle für den Erhalt dieses «Krankheitsgedächtnisses». Ganz eliminieren lassen sich diese Zellen bisher nicht – doch eine frühe, konsequente Therapie könnte sie zumindest minimieren. Nur Wirbeltiere verfügen über die erworbene/adaptive Immunität, die im vergleich zur angeborenen Immunität schneller ist und eine potentere zweite Immunantwort liefert. Insofern entwickelte sich diese Immunität unter starkem evolutionärem Druck, um Individuen besser vor Infektionen zu schützen. Systemischen entzündlichen Erkrankungen liegen fehlgeleitete erhöhte entzündliche Reaktionen auf exogene oder endogene Stimuli zugrunde, die dann schädliche Effekte entfalten. Beim Krankheitsgedächtnis der Psoriasis gibt es neben dem T-Zell-Gedächtnis einen weiteren wesentlichen Faktor, das entzündliche Gedächtnis, das durch epigenetische Veränderungen zustande kommt. Epitheliale Stammzellen sind ein wesentlicher Bestandteil der Hautbarriere. Nach einem ersten akuten Entzündungsreiz bilden sich chromosomale Zugangsstellen an Stressantwortgenen – es sind also keine Zellen des adaptiven Immunsystems erforderlich. Bei einem erneuten entzündlichen Reiz werden diese Stressgene schneller transkribiert (5). Auf diese Weise kann schneller auf einen zweiten Reiz reagiert werden – was evolutionär sinnvoll war, andererseits erhöht sich dadurch vermutlich die Wahrscheinlichkeit von Autoimmunstörungen (5). Meistens entstehen psoriasisbedingte Veränderungen an der Haut vor Gelenkveränderungen. «Eine frühe effektive Behandlung der Psoriasis kann die Manifestation einer Psoriasisarthritis verhindern», erklärte Prof. Curdin. Dies wurde für Anti-IL12/23 und Anti-IL23-Blocker gezeigt (6). Dass diese Therapie nicht nur hochwirksam, sondern auch langfristig gut verträglich ist, bestätigen Sicherheitsdaten grosser Kohorten, in denen kein erhöhtes Malignomrisiko festgestellt wurde. Phase-IIb-Studien mit Amlitelimab und Rocatinlimab hielten die Therapieeffekte selbst nach Absetzen über Monate an, was auf eine mögliche Krankheitsmodifikation hindeutet. Gleiches gilt für Alopecia areata (AA): Zwar ermöglichen JAK-Inhibitoren wie Baricitinib, Ritlecitinib oder Deuruxolitinib eine deutliche Haarneubildung – selbst bei einer Alopecia totalis oder universalis, die als besonders schwer behandelbar gelten. Doch nach Absetzen von JAK-Inhibitoren kommt es in der Regel zum Rezidiv, auch wenn während der Behandlung eine nahezu vollständige Haarregeneration erreicht wird. Fazit «Disease Modification» ist kein Ziel, das bei jedem Patienten erreicht werden kann, doch bei einigen Patienten könnte dies bei frühem Eingreifen erreichbar sein», so Prof. Curdin, der dieses Ziel vor allem bei Psoriasispatienten für realisierbar hält. Susanne Kammerer Quelle: «Where are we regarding disease modification in cutaneous IMIDs», Vortrag von Curdin C in der Eröffnungssitzung «Opening: Diesase modification, genetics & targeted therapies» im Rahmen des SPIN am 2. Juli 2025 in Paris. Referenzen: 1. Lebwohl M et al.: Investigation of plaque psoriasis relapse after secukinumab withdrawal in patients from two phase III studies. Clin Exp Dermatol 2023;49:793-800. 2. Iversen L et al.: Secukinumab demonstrates superiority over narrow- band ultraviolet B phototherapy in newonset moderate to severe plaque psoriasis patients: Week 52 results from the STEPIn study. J Eur Acad Dermatol Venereol 2023;37(5):1004-16. 3. Conrad C et al.: Early intervention with secukinumab may affect the establishment of tissue memory in psoriasis: Results from a DNA methylation analysis. J Invet Dermatol 2023;143(5):S142. 4. Schäkel K et al.: GUIDE trial results after withdrawal in part 3: Longterm remission in patients with psoriasis treated with guselkumab within 15 months from onset of symptoms. Poster P3101, EADV-Kongress 2024, 25. – 28. September, Amsterdam. 5. Naik S et al.: Inflammatory memory sensitizes skin epithelial stem cells to tissue damage. Nature 2017;550:475-80. 6. Singla S et al.: Association between biological immunotherapy for psoriasis and time to incident inflammatory arthritis: a retrospective cohort study. Lancet Rheumatol 2023;5:e200-207. AD und AA: Eine Krankheitsmodifikation liegt hier noch in weiter Ferne Bei atopischer Dermatitis (AD) stellt sich die Frage, ob eine Krankheitsmodifikation überhaupt erreichbar ist. Zwar zeigen moderne Systemtherapeutika wie Upadacitinib oder Dupilumab beeindruckende Ergebnisse, doch ein echter «heilender» Effekt – im Sinne einer langanhaltenden Remission nach Therapieende – ist selten. Positiv stimmen hier jedoch neue immunologische Targets wie der OX40-Ligand. In dermatologie & ästhetische medizin 4 | 2025 17