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Kleinkinder
Tabletgebrauch vor dem Einschlafen weniger problematisch als befürchtet
Immer wieder wird davor gewarnt, Kleinkinder abends vor Tablets oder Smartphones sitzen zu lassen. Das blaue Licht der Geräte soll die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin hemmen und so das Einschlafen erschweren. Ein Team vom Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie der Ruhr-Universität Bochum hat diesen Zusammenhang nun genauer angesehen und kommt zu überraschenden Ergebnissen.
(Foto: BartBotje/wikimedia commons)
Während der Einfluss digitaler Medien auf den Schlaf von
Kleinkindern bislang vor allem durch korrelative Studien
beschrieben wurde, wollten Prof. Dr. Sabine Seehagen, Neele
Hermesch und Dr. Carolin Konrad klären, ob Tablets tatsäch-
lich ursächlich zu Schlafproblemen beitragen. Um besser
zu verstehen, welche Bedeutung Tablets in diesem Zusam-
menhang haben, führten sie anstelle der bei Erwachsenen
üblichen Laborexperimente eine aufwendig konzipierte ex-
perimentelle Untersuchung im häuslichen Umfeld durch.
An dieser nahmen 32 Familien mit Kindern im Alter von 15
bis 24 Monaten teil. Jedes Kind wurde zweimal besucht
und erhielt eine Schlafuhr am Fussgelenk, um nächtliche
Bewegungen und damit Schlafparameter wie Dauer, Qualität
und Einschlafzeit zu erfassen. Zusätzlich wurden an jedem
Abend drei Speichelproben zur Bestimmung der Melato-
ninausschüttung genommen. An einem Abend wurde eine
Geschichte auf dem Tablet angeschaut, am anderen ein Bil-
derbuch betrachtet. Die Hypothese der Forscherinnen lautete,
dass das vom Tablet abgegebene Blaulicht den Anstieg des
Melatoninspiegels abflacht. Dieser Effekt wurde in früheren
Studien bei Erwachsenen beschrieben. Doch die Daten be-
stätigten diese Annahme nicht: Der Verlauf der Melatonin-
ausschüttung unterschied sich nicht signifikant, und auch
die Schlafparameter zeigten keine Verschlechterung durch
den Tabletgebrauch.
Die Autorinnen betonen, dass diese Befunde nicht als Frei-
pass für unbegrenzte Mediennutzung zu verstehen seien.
Vielmehr zeigten sie, dass der direkte Einfluss des Blaulichts
bei Kleinkindern im Alltag geringer ausfallen kann als ange-
nommen. Weitere Faktoren wie Tagesrhythmus, familiäre
Routinen oder Aufregung durch die Inhalte könnten eine
grössere Rolle spielen.
Mü
Medienmitteilung der Ruhr-Universität Bochum vom 20.11.2025
Zur Originalpublikation: Römer R: Tablet vor dem Einschlafen ist gar nicht so schädlich wie gedacht. Rubin. 2025;2:22-25.
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