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BERICHT
Die unterschiedlichen Formen der Dyspnoe
Wenn der Atem stockt
COPD, Asthma, Lungenfibrose, Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie, Embolie … eine Dyspnoe kann viele Ursachen haben. Voraussetzung für eine schnelle und erfolgreiche Behandlung ist daher eine gründliche Anamnese. An den Hausarzt Fortbildungstagen in Bern gab Prof. Dr. Thomas Geiser vom Inselspital Bern nicht nur einen Überblick zu einigen der wichtigsten Formen der Atemnot, sondern wies auch auf mögliche Fallstricke bei der Spirometrie hin.
«Wenn man sich bei einer Dyspnoe etwas Zeit für die Anamnese nimmt, kann man sehr viele Untersuchungen und Geld sparen», erklärte Prof. Dr. Thomas Geiser vom Inselspital Bern im Rahmen der Hausarzt Fortbildungstage des Forums für medizinische Fortbildung (FOMF), die kürzlich in Bern stattfanden. Tatsächlich sei die Dyspnoe eine subjektive Angelegenheit. «Es sind ja immer die Patienten, die uns schildern, dass sie unter Dyspnoe leiden.»
Ausführliche Anamnese als Grundvoraussetzung Um das Gefühl ihrer Atemnot zu beschreiben, nutzen die Betroffen sehr unterschiedliche Formulierungen. Da geht es um Druck, Enge, Würgereiz, schnelleres und erschwertes Atmen oder Erstickungsgefühl. Allerdings können die Ärzte durch manche dieser Schilderungen auch auf eine falsche Fährte gelockt werden, was dann beispielsweise eine eigentlich unnötige kardiovaskuläre Abklärung nach sich zieht. Wichtig seien daher immer die Fragen, in welchen Situationen die Dyspnoe auftrete, ob in letzter Zeit deutliche Veränderungen eingetreten seien und ob eine Diskrepanz zwischen der angegebenen Symptomatik und der körperlichen Leistung respektive des Alters bestehe. «Wenn ein 80-Jähriger beim Bergaufwandern ausser Atem kommt, ist das normal», so der Pneumologe. Auch die Frage nach Auslöser oder Trigger (z.B. bei Berufsasthma) ist nicht immer einfach zu beantworten, manchmal ist in diesem Zusammenhang ein Dyspnoe-Tagebuch sinnvoll. Hilfreiche Hinweise auf die Ursachen können auch aus
KURZ UND BÜNDIG
• Dyspnoe hat viele Ursachen – eine gründliche Anamnese und gezieltes Nachfragen sind zentral.
• Dyspnoe nicht als solitäres Symptom, sondern im Kontext betrachten und Einfluss auf verschiedene Lebensbereiche abklären (z.B. Leistungsfähigkeit, Schlaf): COPD Assessment Test, Asthma Control Test.
• Auskultatorisch verlängertes Exspirium und Giemen → Spirometrie.
• Thoraxröngten, EKG und Spirometrie normal: an pulmonale arterielle Hypertonie denken.
dem Beginn und der Dauer der Atemnot geschlossen werden.
Verspürt ein Patient während einer körperlichen Anstrengung Dyspnoe, kann das einerseits auf ein atemmechanisches Problem zurückzuführen sein, etwa bei einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), die nicht mehr genügend Luft durch die Bronchien lässt. Es kann sich andererseits aber auch um ein Diffusionsproblem im Rahmen einer Lungenfibrose handeln. Typisch dabei: Wenige Minuten nach Beendigung der Anstrengung normalisiert sich die Situation wieder. Bei anstrengungsinduziertem Asthma ist die Dyspnoe hingegen zeitlich ausgedehnter und kann bis zu einer Stunde lang Probleme bereiten. «Deshalb denke ich bei länger anhaltender Dyspnoe nach Anstrengung eher an etwas Asthmatisches und nicht an eine Gasaustauschstörung», sagte Prof. Geiser. Wenn Patienten nachts mit Atemnot aufwachen, kann es sich – bei sehr kurzer Dauer – um eine Schlafapnoe handeln, halten die Probleme jedoch länger an, könnte auch eine Hausstaubmilbenallergie vorliegen.
Abklärung der Dyspnoe Eine Dyspnoe wird heute nicht mehr nur als solitäres Symptom betrachtet, sondern es wird versucht, die Bedeutung dieses Symptoms im gesamten Leben der Betroffenen besser zu erfassen. So werden mit dem COPD Assessment Test (CAT) zusätzlich zu den klassischen Dyspnoe-Symptomen auch weitere Beschwerden abgefragt, wie beispielsweise Husten, Schlafprobleme oder Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Auch beim Asthma Control Test sind diverse Beschwerden und Einschränkungen sowie persönliche Einschätzungen Teil des Fragebogens. Solche zusätzlichen Informationen können bei der Festlegung der Therapie hilfreich sein, so Prof. Geiser.
Fall 1 – Idiopathische Lungenfibrose Herr K., Jahrgang 1948, leidet vor allem beim Bergaufgehen zunehmend unter Atemnot, wobei er gleichzeitig nur eine geringe Neigung zu Husten zeigt. Er war früher, trotz langjährigem Tabakkonsum, ein leidenschaftlicher Sportler und regelmässiger Langläufer. K. leidet weder unter bekannten kardialen Vorerkrankungen noch unter stärkerem Bluthochdruck. Allerdings hatte sein Vater bereits mit 55 Jahren einen Herzinfarkt erlitten. Die klinische Untersuchung bei der Haus-
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LINKTIPPS
COPD Assesment Test (CAT)
BERICHT
Asthma Control Test
Dyspnoe – wichtige Fragen
• Wann tritt Dyspnoe auf? • Trigger/Auslöser? • Kürzlich deutliche Veränderungen? • Diskrepanz Symptomatik – körperliche Leistung bzw. Alter? • Beginn, Dauer?
ärztin zeigt keine Anzeichen für eine Herzinsuffizienz. In der Lungenauskultation hört man ein beidseitiges, feines Knisterrasseln. Auf dem Röntgenbild fallen retikulonoduläre Transparenzminderungen auf, anstelle des normalerweise dunklen Hintergrunds im Lungenbereich sind dort Aufhellungen zu beobachten. Dies weist auf eine fibrotische Veränderung des Lungenparenchyms und damit auf die Ursache der Dyspnoe hin. Nachdem zusätzlich ein Computertomogramm angefertigt wurde, konnte die Diagnose einer idiopathischen Lungenfibrose gestellt werden. Der Patient erhält eine antifibrotische Therapie (Nintedanib, Pirfenidon), durch die zwar die Fibrose nicht geheilt, jedoch das weitere Voranschreiten abgebremst und eine gewisse Stabilisierung erreicht werden kann.
Spirometrie korrekt durchführen Hätte die Hausärztin bei der Auskultation des Patienten kein Rasseln, sondern ein verlängertes Exspirium und ein Giemen gehört, wäre eine Spirometrie angezeigt gewesen, erklärte Prof. Geiser. Solche Spirometrien bergen jedoch gewisse Fallstricke. Es brauche immer die Mitarbeit der Patienten, weshalb eine gute Schulung des ärztlichen Personals notwendig sei. Wenn nämlich auf der Exhalationskurve deutlich wird, dass gehustet, nicht forciert geatmet, nur unvollständig inspiriert oder zu früh abgebrochen wurde, sollte das nicht akzeptiert und der Vorgang wiederholt werden. Wenn die Spirometrie ausgeführt und voll ein- und ausgeatmet wurde, sollte ein forciertes exspiratorisches Volumen in 1 Sekunde (FEV1) von mindestens 70% vorliegen. Bei einem kleineren Wert liegt eine Obstruktion vor. Über einen Bronchodilatationstest kann dann der Schweregrad der Obstruktion ermittelt werden. Liegt das FEV1 über 70%, die forcierte Vitalkapazität jedoch unter 80%, könnte eine Restriktion, d.h. ein zu geringes Lungenvolumen vorliegen. In diesem Fall sollte der Patient an den Pneumologen überwiesen werden.
Wann liegt eine COPD vor? Für die Diagnose einer COPD werden die Klinik, die spirometrisch bestätigte Obstruktion und die Bestätigung einer Exposition (z.B. Rauchen oder Staubexposition) benötigt. Prinzipiell gilt bei COPD: Je mehr Exazerbationen stattgefunden haben, desto schlechter die Prognose. «Das heisst, wir müssen alles tun, um diese Exazerbationen zu vermeiden.» Für die initiale medikamentöse Therapie nach GOLD 2025 werden, je nach Anzahl der Exazerbationen respektive der Schwere der COPD, ein oder zwei Bronchodilatatoren und gegebenenfalls Kortikosteroide eingesetzt (1). Das Wichtigste sei jedoch der Rauchstopp. Man werde
durch diese Massnahmen zwar nicht mehr auf die FEV1-Normalwerte kommen, aber immerhin könne man vermeiden, dass die Lungenfunktion weiter abnimmt, so der Experte.
Und was spricht für ein Asthma bronchiale? Bei Asthma hingegen ist die eingeschränkte Lungenfunktion reversibel. Zu beachten sei, dass ein Asthma auch dann vorliegen kann, wenn die spirometrischen Ergebnisse keine Auffälligkeiten zeigen. «Wenn Sie Ihren Patienten in einer guten Phase messen, kann die Lungenfunktion normal sein. Und trotzdem ist für das Asthma für die Dyspnoe verantwortlich.» Neben Anamnese, Spirometrie und Bronchodilatationstest stehen für die Abklärung eines Asthmas noch Zusatzmessungen wie ein Bronchoprovokationstest, diverse Allergietests, die Bestimmung des Stickstoffmonoxids (NO) in der Ausatemluft oder eine Eosinophilie-Bestimmung zur Verfügung.
Fall 2 – Pulmonale Hypertonie Eine 66-jährige Patientin leidet schon seit Jahren unter einer schleichend zunehmenden Belastungsdyspnoe. Ausser einer leichten Ermüdbarkeit hat Frau K. keine weiteren Beschwerden, auch keinen Husten oder Allergien. Sie hat nie geraucht und auch die weitere klinische Abklärung zeigt keine Auffälligkeiten. Sowohl das radiologische Thoraxbild als auch das EKG und die Spirometrie sind normal. Gerade wenn diese Trias – also Thoraxröntgen, EKG und Spirometrie – keinen Hinweis auf die Ursachen der Dyspnoe geben, sollte an eine pulmonale Hypertonie gedacht werden, erklärte Prof. Geiser. Daher wird als nächster Schritt eine Echokardiografie empfohlen. Häufig haben entsprechende Patienten jedoch eine jahrelange Odyssee hinter sich, bis ein solcher Schritt erfolgt. Erst nach der kardiologischen Untersuchung stand für Frau K. die Diagnose fest: eine pulmonale Hypertonie.
Klaus Duffner
Quelle: «Dyspnoe aus pneumologischer Sicht in der Praxis – wie weiter?». Hausarzt Fortbildungstage Bern, Forum für medizinische Fortbildung (FOMF), 13.–14. März 2025, online
Referenz: 1. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD): Global Strategy
for the Diagnosis, Management, and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease (2025 Report). https://goldcopd.org/wp-content/ uploads/2024/11/GOLD-2025-Report-v1.0-15Nov2024_WMV.pdf
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