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BERICHT
Prolongierte Symptome nach Infekten
Infekt abgeheilt, Müdigkeit bleibt
Müdigkeit nach viralen Infekten ist ein häufiges Problem. Gemäss einer Untersuchung in britischen Hausarztpraxen leidet zirka ein Drittel der infektgenesenen Patienten noch nach sechs Monaten an übermässiger Müdigkeit.
Hinter einer prolongierten Müdigkeit können beispielsweise Viruserkrankungen wie das Pfeiffersche Drüsenfieber stecken. Etwa die Hälfte der Patienten ist nach 2–6 Wochen wieder symptomfrei, allerdings zeigt etwa ein Viertel noch nach sechs Monaten eine anhaltende Müdigkeit/ Abgeschlagenheit. Prolongierte Symptome wie Müdigkeit können aber auch nach anderen Infekten auftreten wie z.B. Pneumonie, Influenza, COVID-19, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), wie Prof. Dr. Philip Tarr, Kantonsspital Baselland, erklärte. Bei Letzterer können zusätzlich neurokognitive Probleme, Kopfschmerzen, emotionale Instabilität, selten auch Lähmungen und Ataxie ein Problem sein. Herpes Zoster kann ebenfalls zu postinfektiösen Symptomen führen: Bei Schmerzen, die > 30 Tage andauern, ist eine postherpetische Neuralgie aktiv, die oft mehr als ein Jahr anhalten kann. Zu langfristigen «Schäden» von Infekten gehört auch die Zunahme der funktionellen Einschränkungen bei älteren Menschen. Je schwächer diese vor dem Infekt sind, und je mehr Infekte sie in einem kurzen Zeitraum erleiden, desto schneller ist der funktionelle Abfall.
Risikofaktoren für eine prolongierte Müdigkeit nach Infekten sind weibli-
ches Geschlecht, zunehmendes Alter, mangelhafte körperliche Fitness
und der Symptomschweregrad der akuten Infektion. Wie lässt sich der
Heilungsprozess nach postviraler Müdigkeit unterstützen? Prof. Tarr sieht
einen grossen Einfluss des ärztlichen Verhaltens auf die Symptomdauer.
Auf Arbeitsunfähigkeitszeugnisse über lange Zeiträume sollte nach seiner
Empfehlung verzichtet werden, ebenso auf unklare oder verunsichernde
Diagnosen (z.B. «chronischer Pfeiffer»). Des Weiteren soll Bettruhe ver-
mieden werden, sie kann den Krankheitsverlauf verlängern. Ein leichtes
aerobes Trainingsprogramm, am besten im Rahmen einer Physiotherapie,
kann die Abwärtsspirale brechen, die zu noch mehr Müdigkeit und Fit-
nessverlust führt. Der Patient soll ermutigt werden, schrittweise zu seinen
Alltagsaktivitäten zurückzukehren, dazu soll aber genügend Zeit für die
Rekonvaleszenz einplant werden. Eventuell ist auch eine psychosomati-
sche Unterstützung hilfreich. Bei Patienten, die dafür empfänglich sind,
kann Komplementärmedizin die Selbstheilungskräfte unterstützen und
zur schnelleren Genesung beitragen.
vh
Quelle: «Prolongierte Symptome nach Infekten». FOMF-WebUp Experten-Forum «Update Infektiologie», 11. März 2025
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