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ERS
Asthma
Richtig behandeln – und davor richtig diagnostizieren
Asthma bronchiale lässt sich heute bei der überwiegenden Mehrzahl der Betroffenen gut kontrollieren. Voraussetzung dafür ist jedoch eine korrekte Diagnose. Dabei spielen Biomarker eine immer grössere Rolle. Sie bestätigen nicht nur den klinischen Verdacht, sondern weisen auch den Weg zu einer optimalen Biologikatherapie. Aktuelle Daten sprechen sogar für einen krankheitsmodifizierenden Effekt einer konsequenten Behandlung.
Eine frühe und korrekte Asthmadiagnose ist selbst in industrialisierten Ländern keine Selbstverständlichkeit, wie unter anderem der «2007-2012 US National Health and Nutrition Examination Survey» zeigt, der bei 13% zufällig ausgewählter Amerikaner eine obstruktive Lungenerkrankungen fand. Mehr als 70% der Betroffenen hatten noch keine Diagnose erhalten und waren folglich unbehandelt (1). Für die kanadische UCAP(Undiagnosed COPD and Asthma Population)-Studie wurden mittels KI-generierter Telefonanrufe 1,1 Millionen Menschen nach respiratorischen Symptomen befragt. Rund 50 000 der Kontaktierten gaben an, dass jemand in der Familie unter ungeklärten respiratorischen Symptomen leide. Letztlich wurden 2857 Spirome trien durchgeführt, wobei bei 595 symptomatischen Personen Asthma- oder COPD-Diagnosen gestellt wurden. In weiterer Folge wurden die Identifizierten entweder vom Hausarzt behandelt (Standard of Care) oder an ein spezialisiertes Zentrum zur leitliniengerechten Behandlung und Schulung überwiesen. Die Behandlung im Zentrum erwies sich dabei als überlegen im Hinblick auf die jährliche Rate an Arztkontakten wegen respiratorischer Symptome, die Lebensqualität, die Symptomlast sowie die Lungenfunktion (2), erläutert Prof. Dr. Shawn Aaron von der University of Ottawa, Kanada.
Dass die Diagnose eines Asthma bronchiale auch bei entsprechendem Verdacht noch anspruchsvoll sein kann, unterstreicht Prof. Dr. Imran Satia von der McMaster University in Hamilton, Kanada. Prof. Satia rät explizit von einer Behandlung rein auf Symptombasis ab. Studiendaten zeigen nämlich, dass es neben konkordantem Asthma, bei dem eosinophile Entzündung und Symptomlast gut korrelieren, auch eine diskordante Erkrankung gibt, bei der die Symptome disproportional zur eosinophilen Entzündung ausgeprägt sind. Dies kann starke Symptomatik bei geringer Entzündung bedeuten, oder umgekehrt. Ein Fall für deutliche Symptomatik bei wenig Entzündung ist das Adipositas-assoziierte, nicht eosinophile Asthma. Ausgeprägte Inflammation bei geringer Symptomlast ist typisch für Late-Onset-Asthma und betrifft vor allem männliche Patienten. Junge Patientinnen zeigen hingegen oft starke Symptomatik bei wenig Inflammation (3). Auch die Lungenfunktion (forciertes exspira-
torisches Volumen, FEV1) und die Symptomatik korrelieren nicht (4). Eine rein auf Symptomatik gegründete Diagnostik würde also zu zahlreichen Fehldiagnosen führen, so Prof. Satia, sei aber in der klinischen Realität leider keine Seltenheit.
Über- und Unterdiagnostik von Asthma weit verbreitet Fehldiagnosen werden im klinischen Alltag häufig gestellt. Eine vor knapp zehn Jahren publizierte Arbeit reevaluierte mehr als 600 Patienten mit Asthmadiagnose nach einem komplexen Algorithmus und konnte in 203 Fällen, also bei rund einem Drittel der Patienten, Asthma ausschliessen. Eine multivariate Analyse zeigte, dass Diagnose durch einen Spezialisten, tägliche Inhalation von Asthmamedikamenten sowie Wheezing mit einer korrekten Asthmadiagnose assoziiert waren (5). Dieser Überdiagnostik steht auch Unterdiagnostik gegenüber, wobei Daten aus der populationsbasierten Copenhagen Study zeigen, dass davon nicht nur Patienten mit leichtem Asthma betroffen sind, sondern dass selbst auf GINA(Global Initiative for Asthma)-Stufe 4, also bei schwerem Asthma, rund 20% der Betroffenen keine Diagnose hatten (6).
Sowohl Über- als auch Unterdiagnose sind für die Betroffenen problematisch. Bei Asthmaüberdiagnose besteht die Gefahr, dass die tatsächliche Ursache der Beschwerden übersehen wird, es zu nicht indizierter Anwendung von inhalativen Kortikosteroiden (ICS) kommt und dass nicht gerechtfertigte Behandlungskosten entstehen. Unterdiagnose kann hingegen Exazerbationen mit im schlimmsten Fall tödlichem Ausgang begünstigen. Lebensqualität und Produktivität können leiden und durch die fehlende Behandlung kann es zu einem beschleunigten Verlust von Lungenfunktion kommen.
Mehrere Leitlinien geben Empfehlungen für die korrekte Asthma-Diagnose. Die 2022 publizierten ERS(European Respiratory Society)-Guidelines sehen bei entsprechender Symptomatik eine Spirometrie vor. Zeigt sich dabei ein Verhältnis FEV1 zu FVC (forcierte Vitalkapazität) von weniger als 0,75, so soll in einem nächsten Schritt auf Reversibilität getestet werden. Ist diese gegeben (mit 12% und mindes-
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tens 200 ml) so kann ein Asthma diagnostiziert werden. Verläuft einer der beiden Tests negativ, ist eine AsthmaDiagnose noch nicht ausgeschlossen. Zeigt eine Messung des fraktionierten exhalierten Stickstoffmonoxids (FeNO) einen Wert von mehr als 50 ppb, so liegt ebenfalls Asthma vor. Eine mögliche Alternative dazu wäre die Messung der Peak-Flow-Variabilität, die allerdings einen geringen negativen Prädiktionswert hat und nur verwendet werden soll, wenn FeNO nicht verfügbar ist. Alle genannten Untersuchungen können im Bereich der Primärversorgung durchgeführt werden. Etwaige Provokationstests fallen in den sekundären Bereich (7). Die britische NICE/BTS/SIGN1-Guideline geht hingegen einen neuen Weg. Sie sieht in der Diagnostik bei Erwachsenen initial eine Messung von FeNO oder der Bluteosinophilen vor. Ergibt sich dabei ein Wert von mehr als 300 Zellen pro µl bzw. mehr als 50 ppb, kann ohne physiologische Tests bei entsprechender Symptomatik mit einer Behandlung des Asthma begonnen werden (8). Prof. Satia weist darauf hin, dass ökonomische Überlegungen zu dieser Empfehlung beigetragen haben.
Biomarker weisen den Weg zur Biologikatherapie Die Eosinophilenzahl im Blut, die mit Interleukin(IL)-5 korreliert, sowie das fraktionierte exhalierte Stickstoffmonoxid (FeNO), das in Zusammenhang mit IL-13 in den Atemwegen steht, sind auch relevante Biomarker für die Wahl der folgenden Therapie. Ist auch nur einer der beiden Marker erhöht, so liegt ein Type-2-high Asthma vor. Bei Type-2-low Asthma sind beide Marker niedrig (9). Patienten, bei denen beide Marker erhöht sind, zeigen ein besonders hohes Exazerbationsrisiko, so Prof. Dr. Guy Brusselle vom Universitätsspital Ghent, Belgien. Kann die Erkrankung mit einer inhalativen Dreifachkombination aus inhalativen Kortikosteroiden (ICS), langwirksamen Muskarinantagonisten (LAMA) und langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) nicht ausreichend kontrolliert werden, empfehlen die GINA-Guidelines zusätzlich zur inhalativen Standardtherapie ein Biologikum (GINA Stufe 5).
Aktuell sind sechs Biologika für die Therapie des schweren Asthma zugelassen. Tezepelumab ist ein Antikörper gegen das Alarmin TSLP (thymic stromal lymphopoetin), Dupilumab richtet sich gegen den IL-4-Rezeptor, Omalizumab gegen IgE. Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab sind monoklonale Antikörper gegen IL-5 oder den IL-5-Rezeptor. Das bedeutet in der Praxis oftmals eine schwierige Wahl, die anhand der Klinik, aber auch der Biomarker getroffen werden soll, so Prof. Brusselle. Sind die Eosinophilen erhöht, spricht das für einen Anti-IL-5- oder Anti-IL-5R-Antikörper. Gute Kandidaten für Dupilumab sind Patienten mit erhöhten Eosinophilen, erhöhtem FeNO und/oder Einnahme oraler Kortikosteroide. Eine bekannte allergische Sensibilisierung legt Omalizumab nahe. Tezepelumab kann generell bei Patienten mit häufigen Exazerbationen eingesetzt werden,
1 National Institute for Health and Care Excellence/British Thoracic Society/ Scottish Intercollegiate Guidelines Network
auch wenn weder die Eosinophilen noch das FeNO erhöht sind. In der Praxis sollte das gewählte Biologikum für mindestens vier Monate gegeben und erst dann die Wirksamkeit bewertet werden.
Mögliche Krankheitsmodifizierung? Wie wichtig eine frühe Erkennung und konsequente Behandlung von Asthma sind, legen die Ergebnisse der Studie MESILICO (Efficacy of Mepolizumab in patients with latEonset Severe eosInophiLic asthma and fIxed obstruCtiOn) nahe. Im Rahmen dieser in Griechenland durchgeführten Multizenterstudie wurden Patienten mit schwerem eosinophilen Asthma, spätem Krankheitsbeginn und obstruktiver Symptomatik mit Mepolizumab behandelt. Bei 41 Patienten wurden wiederholte Bronchoskopien durchgeführt. Die publizierte Auswertung ergab nicht nur klinische Verbesserungen, sondern in der Bronchoskopiesubstudie nach zwölf Monaten auch Hinweise auf einen krankheitsmodifizierenden Effekt der Biologikatherapie (10). Im Rahmen des ERSKongresses 2025 wurde als Late Breaking Abstract nun das Follow-up dieser Patienten über drei Jahre berichtet. Neben anhaltender klinischer Besserung wurden auch zunehmend Anzeichen einer Krankheitsmodifikation beobachtet. So zeigte die Histologie signifikante und anhaltende Reduktionen der Dicke der Basalmembran sowie der Schichtdicke der glatten Atemwegsmuskulatur, eine Abnahme von Epithelschäden sowie eine Reduktion der Eosinophilenzahl im Gewebe. Auch die Histoscores von Muc-5 und E-Cadherin waren weiter zurückgegangen. All dies spricht nach Ansicht der Autoren für eine verbesserte Integrität des Epithels sowie eine Abnahme des Remodelings (11).
Reno Barth
Quelle: «Biologics in airway diseases: bridging immunology and clinical breakthroughs» am 29. September sowie «Year in Review: Clinical», «Real-world challenges in asthma: beyond pharmacotherapy» und Posterpräsentation am 30. September im Rahmen des ERS-Kongresses 2025 in Amsterdam.
Referenzen: 1. Martinez CH et al.: Undiagnosed Obstructive Lung Disease in the United
States. Associated Factors and Long-term Mortality. Ann Am Thorac Soc. 2015 Dec;12(12):1788-1795. 2. Aaron SD et al.: Early Diagnosis and Treatment of COPD and Asthma - A Randomized, Controlled Trial. N Engl J Med. 2024 Jun 13;390(22):2061-2073. 3. Haldar P et al.: Cluster analysis and clinical asthma phenotypes. Am J Respir Crit Care Med. 2008 Aug 1;178(3):218-224. 4. Teeter JG, Bleecker ER: Relationship between airway obstruction and respiratory symptoms in adult asthmatics. Chest. 1998 Feb;113(2):272-277. 5. Aaron SD et al.: Reevaluation of Diagnosis in Adults With Physician- Diagnosed Asthma. JAMA. 2017 Jan 17;317(3):269-279. 6. Nolte H et al.: Unawareness and undertreatment of asthma and allergic rhinitis in a general population. Respir Med. 2006 Feb;100(2):354-362. 7. Louis R et al.: European Respiratory Society guidelines for the diagnosis of asthma in adults. Eur Respir J. 2022 Sep 7;60(3):2101585. 8. Fowler SJ et al.: Asthma: diagnosis, monitoring, and chronic asthma management: summary of guidance from BTS/NICE/SIGN. BMJ. 2025 Jul 21:390:r1162. 9. Brusselle GG, Koppelman GH: Biologic Therapies for Severe Asthma. N Engl J Med. 2022 Jan 13;386(2):157-171. 10. Domvri K et al.: Effect of mepolizumab in airway remodeling in patients with late-onset severe asthma with an eosinophilic phenotype. J Allergy Clin Immunol. 2025 Feb;155(2):425-435. 11. Domvri K et al.: Late Breaking Abstract - Long-term effect of Mepolizumab on airway remodeling in patients with late-onset severe eosinophilic asthma with obstructive pattern: a 3 Year Follow-Up of the MESILICO study. ERS 2025, POSTER ID 4251.
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