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JOURNAL CLUB
Prävention in der Geburtshilfe
Schwangerschaftskomplikationen erhöhen das Risiko für frühen Schlaganfall
Hypertensive Komplikationen in der Schwangerschaft, Gestationsdiabetes, Small-for-Gestational-Age (SGA) und Frühgeburtlichkeit sind nicht nur geburtsmedizinische Risiken. Neuere Studien weisen einen Zusammenhang mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko im späteren Leben hin. Jetzt zeigte eine niederländische Studie, dass schon betroffene Frauen vor dem 50. Lebensjahr gefährdet sind.
Schwangerschaft gilt als kardiovaskulärer Stresstest und ist insbesondere bei vorbestehenden Risiken wie Bluthochdruck, Diabetes oder höheres mütterliches Alter gehäuft mit Komplikationen wie Präeklampsie, Gestationsdiabetes, SGA (small for gestational age) respektive Frühgeburtlichkeit verbunden. Neueren Erkenntnissen zufolge liegt vielfach eine endotheliale Dysfunktion oder eine Mikroangiopathie zugrunde, welche für die Entwicklung atherosklerotischer Erkrankungen bzw. Schlaganfälle im weiteren Leben der Mutter mitverantwortlich sind.
In den letzten Jahren wurde erkannt, dass ein ischämischer Schlaganfall im Lebensalter unter 50 Jahren häufiger bei Frauen als bei Männern dieses Alters auftritt. Geschlechtsspezifische Risikofaktoren, darunter die genannten Schwangerschaftskomplikationen in der Anamnese, könnten assoziiert sein, so die Hypothese.
Bei den 358 Frauen mit ischämischem Apoplex im jungen Lebensalter (mit 736 Schwangerschaften) und den 714 Frauen ohne diesen (mit 1431 Schwangerschaften) in der Studie zeigte sich, dass • über die Hälfte (50,8%) mit ischämischem Schlaganfall
im jungen Lebensalter mindestens eine Schwangerschaftskomplikation hatte (vs. 30,7%) und • ein ischämischer Apoplex aufgrund einer grossen Arterienkrankheit häufiger mit HDP, SGA und Frühgeburtlichkeit verbunden war als ein kryptogener Schlaganfall (d.h. unbekannter Ursache).
Frauen mit einem ischämischen Hirninfarkt im frühen Lebensalter hatten in Mehrlingsschwangerschaften häufiger unter den Schwangerschaftskomplikationen gelitten als nicht betroffene Mütter.
Beobachtungsstudie mit über 1000 Frauen Die niederländischen Wissenschaftler wollten mittels FallKontrollstudie herausfinden, in welchem Ausmass Frauen, die während ihrer Schwangerschaft(en) mit bestimmten der genannten Komplikationen zu kämpfen hatten, ein erhöhtes Schlaganfallrisiko schon im Alter unter 50 Jahren haben. Untersucht wurde auch, ob ein spezifischer Apoplex-Subtyp bei betroffenen Frauen auftritt.
Die Studie schloss 358 Frauen im Alter von 18 bis 49 Jahren mit einem bildgebend bestätigten ischämischen Schlaganfall (aus der multizentrischen «Observational Dutch Young Symptomatic StrokE study») ein sowie als Kontrollgruppe 714 gleichaltrige Frauen (aus der «Pregnancy and Infant Development PRIDE Study»), welche die Gesundheit von Mutter und Kind während und nach der Schwangerschaft untersucht.
Zu den erhobenen Komplikationen gehörten hypertensive Störungen (HDP), Präeklampsie, SGA, Frühgeburtlichkeit, Gestationsdiabetes, Fehl- und Todgeburten.
Die Ermittlung der Assoziationen zwischen Schwangerschaftskomplikationen und ischämischem Schlaganfall wurde mittels logistischer Regressionsanalyse ermittelt, adjustiert für das mütterliche Alter bei der ersten Schwangerschaft.
Kardiovaskuläre Prävention angezeigt Die Studienleiter vermuten, dass das Auftreten von Schwangerschaftskomplikationen eine erste Manifestation einer kardiovaskulären Erkrankung bei Frauen ist. Ausserdem würden die Komplikationen in der Schwangerschaft die Entwicklung einer Atherosklerose auch fördern (und z.B. das frühe Schlaganfallrisiko).
Die Ergebnisse dieser Studie habe wichtige Folgerungen für die ärztliche Praxis, so die Autoren: Dabei geht es einerseits um die Wahrnehmung der Schwangerschaftskomplikationen als wichtige kardiovaskuläre Risikofaktoren und andererseits um die Optimierung des medizinischen Managements einschliesslich der Entwicklung von Präventionsstrategien.
Bärbel Hirrle
Referenz: 1. Verburgt E, et al.:(2025): History of Pregnancy Complications and the
Risk of Ischemic Stroke in Young Women. Neurology. 2025;105(5). doi:10.1212/WNL.0000000000214009
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