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BERICHT
Umweltfaktoren, Strahlung, Genetik
Update Lungenkrebs bei Nichtrauchern
Lungenkrebs bei Nichtrauchern rückt aufgrund seiner steigenden Inzidenz zunehmend in den Fokus der onkologischen Forschung. Während Tabakkonsum weiterhin der Hauptauslöser von Lungenkarzinomen bleibt, rücken bei Nichtrauchern Umweltfaktoren, Strahlenexposition und genetische Prädispositionen stärker in den Vordergrund. Therapeutisch profitieren diese Patienten häufig von zielgerichteten Ansätzen wie Tyrosinkinasehemmern, schreiben die Autoren eines aktuellen Reviews.
Lungenkrebs bleibt weltweit die führende krebsbedingte Todesursache, mit etwa 1,8 Millionen Todesfällen im Jahr 2022. Während Rauchen weiterhin der Hauptfaktor für Lungenkarzinome darstellt, nimmt die Zahl der Erkrankungen bei Nichtrauchern zu: Sie machen mittlerweile 15–20% aller Lungenkrebsfälle aus (Nichtraucher sind definiert als Personen, die in ihrem Leben weniger als 100 Zigaretten geraucht haben). Diese Patienten entwickeln überwiegend Adenokarzinome (60–80%) und unterscheiden sich in molekularen Charakteristika, klinischem Verlauf und Therapieansprechen von tabakassoziierten Karzinomen.
Anstieg der Inzidenz um das Doppelte Nichtraucher erkranken im Median im Alter von 67 Jahren (vs. 70 Jahren bei Rauchern), wobei Frauen, insbesondere in Asien, häufiger betroffen sind. In den USA stieg der Anteil der Nichtraucher-Lungenkrebsfälle zwischen 1990 und 2013 von 8 auf 15%. Umweltfaktoren wie Radon, Feinstaub (Partikelgrösse < 2,5µm [PM2.5]), Asbest sowie Passivrauch erhöhen das Risko; wobei Radon für bis zu 21 000 Todesfälle jährlich in den USA verantwortlich gemacht wird und PM2.5 besonders mit EGFR-mutierten Tumoren assoziiert ist. Vorherige Bestrahlungen des Thorax tragen ebenfalls zur Risikosteigerung bei, während familiäre Prädispositionen das Risiko um das 1,5-Fache erhöhen. Insbesondere EGFR-Mutationen sowie ALK-Gen-Rearrangements treten bei Tumoren von Nichtrauchern deutlich häufiger auf als bei Rauchern (43 vs. 11% für EGFR, 12 vs. 2% für ALK). Im Gegensatz dazu ist die Tumormutationslast – die Zahl somatischer Mutationen pro Tumorzelle – bei Nichtrauchern geringer. Das klinische Bild einer Lungenkrebserkrankung ist bei Nichtrauchern ähnlich wie bei Rauchern, und umfasst Husten, Dyspnoe, Schmerz oder Gewichtsverlust; etwa ein Drittel bleibt asymptomatisch, und häufig werden Tumoren zufällig im CT entdeckt. Screening-Empfehlungen variieren von Land zu Land: Während beispielsweise die USA ausschliesslich Raucher untersuchen, implementierte Taiwan 2022 ein Früherkennungsprogramm für Nichtraucher mit Risikofaktoren (2-mal/Jahr niedrigdosiertes CT-Screening); einer Studie zufolge wird damit bei 2,7% der Teilnehmer ein Lungenkrebs nachgewiesen, die überwiegende Mehrheit davon in Stadium 1.
Erfolge zielgerichteter Therapien Die Therapie bei Nichtrauchern unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom Vorgehen bei Rauchern und umfasst in der Regel – abhängig vom Stadium – die chirurgische Resektion, Strahlentherapie oder systemische Therapien. EGFRoder ALK-Veränderungen können gezielt mit Tyrosinkinasehemmern (TKI) behandelt werden: • Bei EGFR-mutiertem nicht kleinzelligem Lungenkarzinom
(NSCLC) etwa liegt das Vier-Jahres-krankheitsfreie Überleben unter Osimertinib bei 70% (vs. 29% unter Plazebo). • Bei ALK-positivem NSCLC führt Alectinib zu einem ZweiJahres-krankheitsfreien Überleben von 93,8% (vs. 63% unter Chemotherapie). • Bei ROS1-positiven Tumoren sind unter Taletrectinib Ansprechraten von bis zu 89% zu beobachten.
Hingegen zeigten Immun-Monotherapien mit PD-1/PD-L1Inhibitoren bei Nichtrauchern mit EGFR- oder ALK-Veränderungen nur geringe Wirksamkeit: Lokale Therapieoptionen wie stereotaktische Radiotherapie (SABR) werden bei Oligometastasierung empfohlen, gehen jedoch mit höherer Toxizität einher. Auch psychosoziale Aspekte sind nicht zu vernachlässigen: Die Stigmatisierung von Patienten aufgrund der angenommenen Assoziation der Erkrankung mit Rauchen kann das Wohlbefinden beeinträchtigen; frühe Interventionen, etwa durch Aufklärung, können hilfreich sein. Prognostisch schneiden Nichtraucher insgesamt besser ab, mit einem medianen Gesamtüberleben von 58,9 im Vergleich zu 34 Monaten bei Rauchern. Fortschritte der letzten zwei Jahrzehnte, insbesondere die Zulassung zielgerichteter Therapien, haben die Überlebensraten deutlich verbessert: Das Zwei-Jahres-krankheitsspezifische Überleben stieg von 26% für 2006 diagnostizierte Patienten auf 35% im Jahr 2014. Aktuell laufende Studien untersuchen den potenziellen Nutzen eines Screenings bei Nichtraucherpopulationen mit hohem Risiko sowie Programme zur möglichen Früherkennung mittels Biomarkern.
Lydia Unger-Hunt
Quelle: Murphy C et al.: Lung Cancer in Nonsmoking Individuals: A Review. JAMA 2025, doi:10.1001/jama.2025.17695.
18 onkologie 4 | 2025