Transkript
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Akute Herzinsuffizienz
Früh und pragmatisch behandeln
Je einfacher ein Behandlungsschema, desto grösser ist die Chance, dass es fehlerfrei angewendet wird. Mit diesem Vorsatz hat Dr. Tobias Höfflinghaus, Leiter Kardiologie, Stadtspital Zürich Waid, Leiter Herzinsuffizienzprogramm Stadtspital Zürich, einen Leitfaden zur Behandlung der akuten Herzinsuffizienz entwickelt und dabei auch Bewährtes hinterfragt.
Die Herzinsuffizienz ist grundsätzlich eine maligne Erkrankung, sie hat hinsichtlich der Mortalität die gleiche Prognose wie Darm- oder Blasenkrebs (1). US-amerikanischen Daten zufolge ist die Lebenserwartung im Vergleich zu Herzgesunden ab einem Alter von 65 Jahren etwa 5-mal kürzer, bei ≥ 80-Jährigen etwa 2 Jahre vs. 9 Jahre ohne Herzinsuffizienz (2). Jede spitalpflichtige Dekompensation verlängert die Hospitalisationsdauer und erhöht das Mortalitätsrisiko (3). In den ersten 30 Tagen nach Hospitalisierung ist die Mortalitätsrate am höchsten. In dieser vulnerablen Phase lässt sich die Krankheit aber auch am besten beeinflussen, wie Dr. Höfflinghaus am Frühjahrskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) in Basel erklärte. Nach der ersten Stabilisierung sei es das Ziel, die Erkrankung möglichst auf diesem erreichten Niveau zu halten. Das erfordere eine genau abgestimmte und optimal ausdosierte medikamentöse Therapie auch über den Spitalaufenthalt hinaus sowie die Behandlung bestehender Komorbiditäten.
Das Wichtigste bei einer möglichst guten Behandlung der Herzinsuffizienz ist die Optimierung des Behandlungspfads mit Koordination aller involvierten Disziplinen. Der Referent hat dazu mit den beteiligten Kliniken einen klinischen Leitfaden verfasst (siehe QR-Link). Dies absichtlich auf dem Niveau, «dass ein Anfängerassistenzarzt der Inneren Medizin die Massnahmen durchführen kann», so seine Beschreibung. Der Leitfaden ist in vier verschiedene Kapitel aufgeteilt: Eintritt, Abteilung, Austritt, Ambulant.
Früh und konsequent entwässern Ist eine Herzinsuffizienz dekompensiert mit Stauung, ist dies dem Referenten zufolge ein systemisches Problem. Denn
KURZ UND BÜNDIG
• Herzinsuffizienzpatienten haben ein hohes Mortalitätsund Rehospitalisationsrisiko.
• Aktives Diuretikamanagement und schneller Therapieauf- und -ausbau sind wichtig.
• Liberale Trinkmenge erlauben. • Intravenöse Eisensubstitution in ausgewählten Fällen.
zu den klassischen Symptomen der Herzinsuffizienz können noch andere Symptome wie Inappetenz, Nausea, Aszites, intestinales Ödem, mentale Auffälligkeiten und Verwirrung hinzukommen. Die klassische Behandlungsstrategie zur Therapie der Hypervolämie besteht aus der Gabe von Diuretika, einer Trinkmengenrestriktion und eventuell einer Pleuraergusspunktion. Bei der Diuretikaverabreichung ist die Dosierung wichtig, sie richtet sich danach, ob der Patient bereits Diuretika nimmt oder bislang noch keine erhalten hat. Die pragmatische Herangehensweise im Stadtspital Triemli sieht Furosemid 40 mg i.v. für alle Torasemid-naiven (od. < 40 mg/Tag) Patienten vor und 80 mg Furosemid i.v. für alle anderen, wie Dr. Höfflinghaus ausführte. Bei schwerer Niereninsuffizienz oder vorbestehend hohen oralen Diuretikadosen (Torasemid > 50 mg) sei jedoch eine höhere Schleifendiuretikadosis nötig.
Das Ansprechen auf die Diuretikagabe bzw. die darauffolgende Urinausscheidung sollte nach zwei Stunden kontrolliert werden, ebenso wie die klinische Verbesserung der Symptome. Bei ungenügendem Ansprechen muss eskaliert werden. Die frühe und konsequente Dekongestion führe zu einer rascheren Symptomfreiheit und verkürze die Spitalaufenthaltsdauer in der Regel um einen Tag, fasste der Kardiologe zusammen.
Trinkrestriktion ja oder nein? Ob eine Trinkmengenrestriktion wirklich sinnvoll ist, untersuchte die kürzlich publizierte FRESH-UP-Studie mit 504 ambulanten Patienten mit unter optimaler medikamentöser Therapie (OMT) chronisch kompensierter Herzinsuffizienz (NYHA II–III). Dabei durfte die eine Gruppe während drei Monaten maximal nur 1500 ml/Tag trinken, die andere Gruppe ad libitum. Es zeigte sich, dass die freie Gruppe zwar signifikant mehr getrunken hat, doch war die Menge mit durchschnittlich 1,8 (max. 2,1) Litern nicht exorbitant höher. Allerdings war die Lebensqualität mit freier Trinkmenge besser als jene in der Restriktionsgruppe, bei der das Durstgefühl grösser war. Komplikationen traten mit der freien Trinkmenge nicht häufiger auf als unter der Trinkeinschränkung. Ebenso zeigten sich keine Unterschiede in Hinsicht auf Mortalitäts- und Hospitalisationsrate, Nierenversagen, Dosiserhöhungen von Diuretika oder OMT, NT-proBNP-Werte und Gewicht (4). Eine liberale Trinkstrategie im ambulanten
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Setting könne damit zugunsten der Lebensqualität durchaus verfolgt werden, so Dr. Höfflinghaus. Untersuchungen im Spitalsetting kamen gemäss dem Referenten zu ähnlichen Ergebnissen.
Multimorbidität ist die Regel Mit dem Lebensalter steigt auch die Anzahl Krankheiten. Multimorbidität ist bei Herzinsuffizienz die Regel und tritt häufig in Clustern auf, beispielsweise zusammen mit Hypertonie, koronarer Herzkrankheit, Depression, Diabetes (5), aber auch mit Niereninsuffizienz, wie der Experte ergänzte. Die daraus resultierende Polypharmazie kann dabei mit Stürzen, Delir, kognitiver Verschlechterung oder Interaktionen als Folge zum Problem werden. Eine ausgebaute Herzinsuffizienztherapie umfasst allein schon 4–5 Medikamente (ACE-Hemmer/ARNI/ARB, Betablocker, SGLT2-Hemmer, Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten plus Diuretikum). Als Vorsichtsmassnahme sollten die «sick day rules» befolgt werden, wonach bei akuter, nicht kardialer Erkrankung wie z.B. Diarrhö, Erbrechen oder Fieber Diuretika, SGLT2-Hemmer sowie ACE-Hemmer/ARNI/ARB temporär reduziert oder pausiert werden sollen, um nicht zu viel Flüssigkeit zu verlieren.
Es lohnt sich, die Herzinsuffizienztherapie nach Dekompensation früh, d.h. noch im Spital, zu starten, auf 50% der Zieldosis zu titrieren und die Dosis innert zwei Wochen nach Austritt auf 100% zu steigern, wie die STRONG-HF-Studie (6) zeigte. Im Vergleich zur Standard-Care-Gruppe führte die OMT-intensivierte Gruppe mit wöchentlichen Kontrollen in den ersten sechs Wochen zu einer deutlich geringeren Mortalitäts- und Hospitalisationsrate mit einer absoluten Risikoreduktion von 8,1%. Die Häufigkeit von Nebenwirkungen war in der intensivierten Gruppe jedoch höher (41 vs. 29%), am häufigsten aufgrund von Hypotonie. Die Rate schwerer Nebenwirkungen war jedoch in beiden Gruppen gleich (6).
Weil die ersten 30 Tage nach Hospitalisation das höchste Risiko für Rehospitalisation und Mortalität bergen, ist eine intensive Nachbetreuung wichtig.
LINKTIPP
Klinischer Leitfaden zur Behandlung der akuten Herzinsuffizienz
Valérie Herzog
Quelle: «Herzinsuffizienz: Was ist neu? Was bleibt?». Frühjahrskongress des Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM). 21.–23. Mai 2025, Basel
Referenzen: 1. Mamas MA et al.: Do patients have worse outcomes in heart failure than
in cancer? A primary care-based cohort study with 10-year follow-up in Scotland. Eur J Heart Fail. 2017;19(9):1095-1104. doi:10.1002/ejhf.822 2. Shah KS et al.: Heart Failure With Preserved, Borderline, and Reduced Ejection Fraction: 5-Year Outcomes. J Am Coll Cardiol. 2017;70(20):2476-2486. doi:10.1016/j.jacc.2017.08.074 3. Solomon SD et al.: Influence of nonfatal hospitalization for heart failure on subsequent mortality in patients with chronic heart failure. Circulation. 2007;116(13):1482-1487. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.107.696906 4. Herrmann JJ et al.: Liberal fluid intake versus fluid restriction in chronic heart failure: a randomized clinical trial. Nat Med. 2025;31(6):2062-2068. doi:10.1038/s41591-025-03628-4 5. Guthrie B et al.: Adapting clinical guidelines to take account of multimorbidity. BMJ. 2012;345:e6341. doi:10.1136/bmj.e6341 6. Mebazaa A et al.: Safety, tolerability and efficacy of up-titration of guideline-directed medical therapies for acute heart failure (STRONG-HF): a multinational, open-label, randomised, trial. Lancet. 2022;400(10367):1938-1952. doi:10.1016/S0140-6736(22)02076-1 7. Kosiborod MN et al.: Semaglutide versus placebo in patients with heart failure and mildly reduced or preserved ejection fraction: a pooled analysis of the SELECT, FLOW, STEP-HFpEF, and STEP-HFpEF DM randomised trials. Lancet. 2024;404(10456):949-961. doi:10.1016/S0140-6736(24)01643-X 8. Packer M et al.: Tirzepatide for Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity. N Engl J Med. 2025;392(5):427-437. doi:10.1056/NEJMoa2410027 9. Neves JS et al.: Should the SELECT Trial Make Us Comfortable Using GLP-1 Receptor Agonists in HFrEF?. J Am Coll Cardiol. 2024;84(12):1119-1122. doi:10.1016/j.jacc.2024.06.026
Was ist noch zu beachten? Auch GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) führen bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) zu einer Senkung der Hospitalisationsrate (7,8), bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) ist das aber nicht der Fall (9).
Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Eisenmangel ist die Mortalitätsrate höher. Eine Eisengabe erscheint daher sinnvoll. Bislang waren die Studienergebnisse um den Nutzen einer solchen intravenöse Gabe kontrovers. Auch die neueste Publikation der FAIR-HF2-Studie brachte keinen statistisch signifikanten Vorteil einer intravenösen Eisengabe hinsichtlich Mortalität und Hospitalisierung (10). «Falls ein Patient unter optimierter Therapie und nachgewiesenem Eisenmangel weiterhin symptomatisch (Müdigkeit, Dyspnoe) ist oder wiederholt hospitalisiert werden muss, kann eine Eisensubstitution erwogen werden», so das Fazit von Dr. Höfflinghaus.
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