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Universitätsklinikum Tübingen
Künstlicher Süssstoff beeinflusst Hungersignale im Gehirn
Sucralose, ein verbreiteter kalorienfreier Süssstoff und etwa 600-mal süsser als herkömmlicher Zucker, wird oft als Zuckerersatz in Diätprodukten eingesetzt. Eine aktuelle Studie unter der Leitung der University of Southern California mit Beteiligung des Universitätsklinikums Tübingen zeigt nun, dass Sucralose appetitanregend wirken kann – insbesondere bei Personen mit Adipositas.
Im Fokus der Untersuchung stand die neuronale Wirkung von Sucralose. 75 Teilnehmer konsumierten an drei Terminen jeweils eines von drei Getränken (Leitungswasser, Wasser gesüsst mit Sucralose oder Wasser gesüsst mit Zucker); allfällige Veränderungen im Gehirn wurden mithilfe funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRI) analysiert. Zusätzlich zu den Hirnscans und Blutproben, jeweils vor und nach der Konsumation, wurden die Teilnehmer im Anschluss gebeten, ihr Hungergefühl einzuschätzen.
Der Süssstoff steigerte die Aktivität im Hypothalamus, einer Schaltstelle für Hunger und Sättigung, sowie die Konnektivität mit dem anterioren cingulären Cortex, der mit Entscheidungsprozessen assoziiert ist. Das Hungergefühl nahm nach Sucralose zu, besonders bei adipösen Probanden (im Mittel um 17%). Auch Verbindungen zu Hirnarealen, die für Motivation und Belohnung zuständig sind, nahmen unter dem Einfluss von Sucralose zu.
Nachteilige Wirkung auf Gewicht
Die Forscher gehen davon aus, dass die kalorienfreie Süsse
im Gehirn Signale auslöst, die normalerweise mit kalori-
scher Energie verknüpft sind – doch ohne die entsprechen-
de Nährstoffzufuhr. Diese Diskrepanz könnte eine neuro-
nale Gegenregulation anstossen. Laut Prof. Dr. Stephanie
Kullmann vom Universitätsklinikum Tübingen können
künstliche Süssstoffe wie Sucralose die Appetitregulierung
im Gehirn in einem Masse beeinflussen, das sich nachteilig
auf das Gewicht auswirkt. Diese Erkenntnisse untermauern
die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO),
die bereits 2023 von der Verwendung künstlicher Süssstof-
fe zur Gewichtskontrolle abgeraten hatte.
Mü
Medienmitteilung des Universitätsklinikums Tübingen vom 12.05.2025
Zur Originalpublikation: Chakravartti SP et al.: Non-caloric sweetener effects on brain appetite regulation in individuals across varying body weights. Nat Metab. 2025;7:574–585. doi:10.1038/s42255-025-01227-8
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