Transkript
BERICHT
Reiseberatung
Impfprävention und Mückenschutz
Angesichts massiv steigender Fallzahlen rücken Denguefieber und andere durch Mücken übertragene Krankheiten zunehmend in den Fokus der Reiseberatung. Gleichzeitig betonte man am 26. Forum Reisen und Gesundheit in Berlin die Rolle der Reiseberatung als Chance, Lücken bei Routineimpfungen wie zum Beispiel bei Influenza oder Masern zu schliessen, zumal diese Impfungen nicht nur zu Hause, sondern gerade auch auf Reisen wichtig sind.
Massiv gestiegen sind in letzter Zeit die Fallzahlen der Arbovirosen. Darunter versteht man virale Infektionen, die von Arthropoden wie Mücken oder Zecken übertragen werden (die Vorsilbe Arbo- bezieht sich auf den Begriff «arthropode-borne»). Zu den Arboviren zählen unter anderem die Erreger von Dengue- und Chikungunyafieber, FSME, Gelbfieber, Japanischer Enzephalitis, West-Nil-Fieber, Rift-Valley-Fieber und Zika.
Ein wichtiger Grund für die steigenden Fallzahlen sei die zunehmende Verbreitung bestimmter Mücken und Zecken infolge von Klimawandel und Globalisierung, sagte Prof. Dr. Tomas Jelinek, Wissenschaftlicher Leiter des CRM Centrum für Reise- und Tropenmedizin in Düsseldorf und Präsident der Deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin. So haben sich Tigermücken der Gattung Aedes, die unter anderem Dengueund Chikungunyafieber übertragen, in den letzten Jahrzehnten extrem ausgebreitet. Aus Indien ist die Malaria übertragende Mücke Anopheles stephensi nach Afrika eingewandert. Sie ist im Gegensatz zu den üblichen afrikanischen Malariamücken an städtische Lebensbedingungen angepasst. Infolge der Ausbreitung dieser Mücke seien zum Beispiel die Malariazahlen in Äthiopien im letzten Jahr rasant auf über 10 Millionen gestiegen, sagte Prof. Jelinek.
Gegen einige Arbovirosen kann man sich mit Impfungen schützen. In der Schweiz verfügbar sind Impfungen gegen Denguefieber (Qdenga®), FSME (Encepur®, FSME-Immun®), Gelbfieber (Stamaril®) und Japanische Enzephalitis (Ixiaro®).
KURZ UND BÜNDIG
• Weltweit werden stark steigende Fallzahlen von Denguefieber gemeldet, vor allem in Lateinamerika.
• Ein wirksamer Schutz vor Mückenstichen und Zeckenbissen ist immer wichtig.
• Schwangere sollten auf Tropenreisen verzichten. • Die reisemedizinische Beratung sollte man auch zum
Schliessen von Impflücken nutzen.
Das Wichtigste zur Prävention zahlreicher Krankheiten ist jedoch nach wie vor ein wirksamer Schutz vor Mückenstichen und Zeckenbissen. Am besten funktioniere eine Kombination aus dem Imprägnieren der Kleidung mit Permethrin und einem Hautschutz mit DEET oder Icaridin, sagte Dr. Markus Frühwein, Praxis für Allgemein-, Tropen- und Reisemedizin in München und Vizepräsident der Deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin. Pflanzliche Mückenschutzpräparate, beispielsweise mit Zitrone oder Eukalyptus, seien insbesondere gegen Malariamücken nicht so gut wirksam und würden mitunter zu Hautirritationen führen.
In der Schweiz ist Nobite® Textile (2% Permethrin) ein gängiges Produkt zum Imprägnieren von Kleidung. Für eine Reihe von Produkten zum Mückenschutz der Haut hat das Schweizerische Tropeninstitut ein Gütesiegel erteilt. Dazu gehören Anti Brumm® Classic/Forte/Kids/Naturel/Night, Nobite® Extreme, KIK Activ und Sensolar.
Mehr Fälle von Denguefieber Ein besonders hoher Anstieg der Fallzahlen war 2024 bei Denguefieber zu verzeichnen. So hatte sich die Anzahl importierter Denguefieberfälle in Deutschland mit 1838 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt und damit die Malaria (932 importierte Fälle) vom Platz 1 verdrängt, berichtete Dr. Sabine Jordan, Infektiologie und Tropenmedizin am Universitätsklinikum Hamburg. Weltweit wurden mehr als 14 Millionen Dengueinfektionen und mehr als 10 000 dadurch bedingte Todesfälle gemeldet. Das sind die höchsten Fallzahlen, die jemals erfasst wurden, und zurzeit sieht es nach weiteren Steigerungen aus. Besonders stark betroffen ist Lateinamerika. Seit dem Jahreswechsel wurden aus 48 Ländern bislang rund 650 000 neue Fälle gemeldet, 75% davon aus Brasilien. Denguefieber kommt aber auch in vielen anderen Regionen der Welt vor.
Ein Impfstoff gegen Denguefieber ist seit einigen Jahren auf dem Markt (Qdenga®, in der Schweiz zugelassen seit 29. Juli 2024). Die Empfehlungen der deutschen Impfkommission STIKO wie auch diejenigen des Schweizerischen Expertenkomitees für Reisemedizin (EKRM) beschränken diese Impfung auf Personen, die bereits einmal eine erste Dengueinfek-
306 ars medici 9 | 2025
LINKTIPPS
Empfehlungen des Schweizerischen Expertenkomitees für Reisemedizin (EKRM) www.healthytravel.ch
Reisemedizinische Zentren, Fachärzte für Tropen- und Reisemedizin (FMH) und Ärzte mit reisemedizinischer Beratung und Zulassung zur Gelbfieberimpfung in der Schweiz
Länderliste der WHO mit Angaben zu Einreisebedingungen bezüglich Impfungen
tion hatten. Zweitinfektionen mit einem anderen Dengueserotyp als bei der Erstinfektion haben häufiger einen schweren Verlauf. Der erste auf den Markt gekommene und mittlerweile nicht mehr verwendete Impfstoff gegen Denguefieber konnte in diesem Sinn wie eine Erstinfektion wirken.
Dies treffe aber nicht auf Qdenga® zu, sagte Prof. Jelinek. In über sieben Jahren der Anwendungsbeobachtung habe sich kein Alarmsignal für diesen Impfstoff gezeigt. Die Sorge, dass diese Erstimpfung bei einer nachfolgenden Dengue-WildtypInfektion schwere Verläufe bewirken könne, sei kein Thema. Bedenken müsse man aber, dass es sich um einen Lebendimpfstoff mit entsprechend zu erwartenden Nebenwirkungen und Kontraindikationen handele. Am CRM impft man einmal vor der Reise und dann nach einem Jahr erneut. Ziel ist eine Verlängerung der Schutzwirkung: «Die zweite Impfung macht den Schutz nicht besser, aber allenfalls länger anhaltend», so Prof. Jelinek.
Im Rahmen des Denguefiebermonitorings in Lateinamerika zeigte sich, dass die Häufigkeit des ebenfalls durch Tigermücken übertragenen Chikungunyafiebers bis jetzt offenbar unterschätzt wurde. Man habe erkannt, dass viele akute Syndrome mit Fieber und Gelenkschmerzen vom Chikungunya- und nicht vom Denguevirus verursacht wurden, berichtete Prof. Jelinek. Zwei Impfstoffe gegen Chikungunya wurden kürzlich in der EU zugelassen, ein Lebendimpfstoff, (Ixchiq®) und ein Totimpfstoff (Vimkunya®).
Keine Tropenreisen für Schwangere? «Zika und Schwangerschaft muss weiterhin ein Thema in der reisemedizinischen Beratung sein», sagte Dr. Jordan. Auch wenn Zika aus den Schlagzeilen verschwunden sei, gebe es immer wieder Fälle, wie zum Beispiel den einer dänischen Touristin, die in ihrer frühen Schwangerschaft nach Thailand reiste. Die Reise sei konventionell touristisch und «nichts Wildes» gewesen, sagte Dr. Jordan, aber die Schwangere infizierte sich mit Zika und verlor ihr Kind.
Als Konsequenz hat Dr. Jordan einen drastischen Rat für alle Schwangeren: «Wenn man schwanger ist, sollte man nicht in die Tropen reisen! Das ist meine klare Empfehlung, nicht nur wegen Zika.» Bei Kinderwunsch sollte man nach einer Tropen-
BERICHT
reise zirka drei Monate warten, bis man schwanger wird, fügte sie hinzu.
Impflücken schliessen Die Reiseberatung bietet eine gute zusätzliche Chance zur Prävention: «Wir können dabei Impflücken schliessen», betonte Prof. Jelinek. So werde die Influenzaimpfung grundsätzlich allen Reisenden empfohlen. Er bevorzuge Influenzavakzinen aus Zellkulturen, weil diese im Vergleich mit Vakzinen aus der klassischen Virenkultur in Hühnereiern etwas vorteilhafter seien. Im CRM erhalten chronisch Kranke ab 50 Jahren entweder einen adjuvantierten (Fluad®, in der Schweiz nicht verfügbar) oder hoch dosierten Impfstoff (Efluelda®), Kinder bis zum 6. Lebensjahr ein Nasenspray (Fluenz Tetra®, in der Schweiz nicht verfügbar).
In der Schweiz stehen für die Saison 2024/2025 Vakzinen aus Virenkultur in Hühnereiern (Fluarix Tetra®, Influvac Tetra®) oder aus Zellkulturen (Vaxigrip Tetra®, Flucelvax Tetra®) sowie der hoch dosierte Impfstoff (Efluelda®) zur Verfügung.
Die Pneumokokkenimpfung mit einem 20-valenten Impfstoff (Prevenar 20®) wird grundsätzlich allen Personen empfohlen, die unter die Indikation fallen (chronisch Kranke und alle Personen ab 60 [Deutschland] bzw. ab 65 Jahre [Schweiz]). Ein neuer, 21-valenter Impfstoff wurde kürzlich in der EU zugelassen (Capvaxive®).
Masern und Polio nicht vergessen Masernausbrüche in fast allen Regionen der Welt und schätzungsweise 135 000 damit verbundene Todesfälle pro Jahr beweisen, dass diese Krankheit noch lange nicht besiegt ist. Es ist deshalb wichtig, Impflücken zu schliessen, nicht nur, aber insbesondere auch bei Reisenden: «Alle Reisenden sollten eine Grundimpfung und Auffrischungen gemäss dem Schweizer Impfplan haben», so die Schweizer Experten auf der Plattform www.healthytravel.ch.
Fast vergessen schien Polio, zumal die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erhebliche Fortschritte in Richtung Ausrottung des Poliovirus gemacht hatte. Nun sehe man aber wieder eine Verbreitung von Polioviren, auch in Ländern, die lange nichts damit zu tun hatten, sagte Prof. Jelinek. So wurden 2024 im Abwasser einiger deutscher Städte Polioviren nachgewiesen, was in der Schweiz zur Formulierung von Empfehlungen für den Fall des Auftretens von Poliomyelitis führte. Für Reisende relevant: In einigen Ländern wird bei der Einreise aus Polioregionen ein Impfnachweis verlangt (s. Linktipps).
Renate Bonifer
Quelle: CRM Zentrum für Reisemedizin: «26. Forum Reisen und Gesundheit 2025» am 7. und 8. März 2025 in Berlin. Pressekonferenz und Vorträge zu den Themen «Aktuelle Weltseuchenlage» von Dr. med. Sabine Jordan, «Aktueller Überblick zu Reiseimpfungen» von Prof. Dr. med. Tomas Jelinek und «Reiseapotheke» von Dr. med. Markus Frühwein.
Alle Angaben zu Daten aus der Schweiz sowie zu Schweizerischen Zulassungen und Empfehlungen wurden von der Autorin des Berichts anhand der Angaben im Schweizerischen Impfplan, der Empfehlungen des Swiss Expert Committee for Travel Medicine (www.healthytravel.ch), des Portals Infovac (www.infovac.ch) und der Angaben im Schweizerischen Arzneimittelkompendium (www.compendium.ch) ergänzt.
ars medici 9 | 2025 307