Transkript
MEDIEN | MODERNUB| MRIEKDKIOZPINF
Rosenbergstrasse
Zum ESC und «Made in Switzerland». Nein, wir sind zwar nicht Papst, aber wir können ESC. Oder wie Hazel Brugger in typisch schweizerisch «bescheidener» Selbstironie anmerkte: «We have no emotions, we have money.»
Der Realismus des Bauern: Liebe vergeht, Hektar besteht.
Eigentlich begann alles mit «Dallas» und «Denver Clan». Wir fanden die Serien auch deshalb so unterhaltend, weil die üblichen Klischees durcheinander gerieten. Nicht zufällig, so will uns mehr als 40 Jahre danach scheinen. Unsere Sympathie, zumindest unser Interesse galt zuallererst «J.R.» (Ewing). Er, der älteste Sohn von Miss Ellie und Patron Jock von der Southfork Ranch, verheiratet mit der alkoholabhängigen Sue Ellen, der er natürlich nicht treu ist, ist der Miesling par excellence. Als Leiter von Ewing Oil wendet er zur Durchsetzung seiner Ziele, seien sie privat oder geschäftlich, jeden dreckigen Trick an. Anstand und Empathie sind ihm fremd. Einen hohen ideellen Wert hat allenfalls noch der Familienzusammenhalt, aber auch nur, solange er ihm nützlich ist. Wir Zuschauer ergötzten uns an J.R.s schnoddriger, zynischer und rücksichtsloser Art und bewunderten ihn heimlich für seine Erfolge. Eigennutz, Geld und Macht gingen allem vor. J.R. zeigte, dass und wie das geht. Und heute? Haben wir J.R. real. «T.D.» (The Donald) hat J.R.s Skrupellosigkeit perfektioniert – ohne den Versuch, das zu vertuschen. T.D. geht völlig transparent damit um: Wo es im eigenen Interesse nötig ist, sind Korruption, Missachtung von Benimmregeln, Lügen, Verrat, Kooperation mit Verbrechern völlig selbstverständlich. America und money, money, money first. Und wie bei J.R. schaut ihm die Hälfte der Amerikaner dabei zu – und bewundert ihn. Die Seifenoper «Dallas» heisst heute «White House». Alles demokratisch legitimiert, ungestört, akzeptiert. Man ist fasziniert, erschreckt auch, aber bestens unterhalten. So ist die Welt – täglich eine neue Folge US-Politik: die Fusion von Seifenoper und Reality-TV.
Gelesen und für bedenkenswert befunden: Nicht alles, was gut ist, wird besser, wenn es mehr wird.
Onkel Hugo hat so seine Eigenheiten, Sie kennen ihn ja. Er ist kein Rechter, aber auch kein Linker, höchstens beides zusammen beziehungsweise unter Linken der Rechte und unter Rechten der Linke. Kurz, er eckt überall an, ist jedoch
andererseits bei allen, vor allem den Falschen, beliebt. Alle, die ihn als ihresgleichen ansehen, verstehen ihn, wenn er etwas sagt, das ihnen eigentlich nicht passen sollte, einfach mutwillig falsch. Genau wie umgekehrt jene, die ihn grundsätzlich nicht mögen, absichtlich alles, was er sagt, missverstehen und ihm zum Vorwurf machen. Hugo ist ein Antisemit, Hugo ist islamophob, Hugo entschuldigt die Gewalt gegen die Palästinenser, Hugo hat Verständnis für die Hamas. Nichts stimmt, alles stimmt. Hugos Geheimnis, das für ihn keines ist, für die andern aber schon: Er sieht die Welt nüchtern. So wie sie ist. Und so, wie die Welt ist, ist halt auch Hugo. Alles und nichts von dem, was man ihm vorwirft oder wofür man ihn lobt.
Schon frustrierend, wenn man mal «jemand» war – Bundesrat, Regierungsrat, amerikanischer Präsident, Spitaldirektor, Kantonsrat, Schulleiter, Direktor – und auf einmal nicht mehr gefragt ist, nicht mehr gehört und beachtet wird. Da müssen die alten Kämpen, meist alte weisse Männer (und wenige Frauen), sich ansehen, was die Jüngeren (ihre Nachfolger und Nachfolgerinnen) alles falsch machen (meist die gleichen Fehler, die sie selber mal gemacht haben), aber kein Schwein interessiert sich für ihre Meinung. Nur wenige haben dann die Chuzpe (plus Geld und Macht, Dreistigkeit und Grössenwahn) wie Donald Trump und kandidieren einfach nochmals fürs selbe Amt. Den meisten ist das nicht vergönnt oder sie sind zu alt oder zu müde. Und wenn sie doch Stellung nehmen zu aktuellen Themen, wie hin und wieder einige Alt-Bundes- oder -Regierungsräte, gibt man ihnen ziemlich deutlich zu verstehen, sie sollten besser schweigen: «Was will er (oder sie) denn noch? Die Verhältnisse sind heute doch ganz anders.» Tja, so ist das Leben der Ex-en. Aller Ex-en. Sie sollten vielleicht eine neue Partei gründen. Die «VA», die Partei der «Verschmähten Alten», oder schlicht «E». Zielgruppe: Alle jene, auf die niemand (mehr) hört. Die Zielgruppe ist riesig, denn letztlich gehören fast alle Ü 50 dazu, auch und insbesondere alle Eltern. (Obschon denen das irgendwie wenig auszumachen scheint. Stattdessen wurden sie umkonditioniert. Sie bedauern nicht, dass niemand mehr auf sie hört, sondern freuen sich darüber, auf andere hören zu dürfen. Vor allem auf ihre Kinder.)
Ein weiser Spruch: Reise vor dem Sterben – sonst reisen deine Erben.
Und das meint Walti: Ich bin ganz alte Schule: Man isst den Fisch nicht mit Stäbchen. Der Fisch ist das Stäbchen.
Richard Altorfer
ars medici 89 | 20245 305