Transkript
Mit Laser Sehfehler korrigieren
Ist eine Laseroperation die beste Lösung bei Kurz- oder Weitsichtigkeit? Und macht der Eingriff die Brille überflüssig? Auf jeden Fall braucht es eine umfassende Abklärung und Beratung, bevor man sich für den Eingriff mit dem Augenlaser entscheidet.
von Annegret Czernotta*
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Adrian Keller, 28, ist seit seinem 12. Lebensjahr kurzsichtig. «In der Wildnis wäre ich ohne Sehhilfe hoffnungslos verloren», sagt er lachend. Die Brille findet er allerdings lästig: «Sie stört im Alltag und beim Sport.» Der Informatiker kann ohne Weiteres die Zeitung lesen, denn auf kurze Distanz ist er sichtig. Aber wenn ein Gegenstand mehr als einen halben Meter entfernt ist, sieht er unscharf. Und je älter er wurde, desto mehr ging ihm die Brille auf die Nerven. Vor zwei Jahren entschied er sich deshalb für einen Lasereingriff am Auge. Dabei wird die oberste Schicht der Hornhaut (Epithel) sowie ein Teil der dritten Hornhautschicht (Stroma) mittels Wärme entfernt. Bereut hat Adrian Keller den Schritt nie. Zwar suchte er in den ersten Tagen nach dem Eingriff noch die Brille auf dem Nachttisch und beim Sport versuchte er vergeblich, seine fehlende Brille zurechtzurücken. Aber schnell normalisierte sich sein Alltag wieder.
Angebote vergleichen Etwa 25 Augenzentren bieten in der Schweiz Lasereingriffe an. Rund 10 000 Augenpaare liegen jährlich unter dem Laserstrahl. Doch wie finden Laien in dem Dschungel von Angeboten das für sie passende Verfahren? «Einen objektiven Testvergleich aller Augenzentren gibt es leider nicht», sagt Christoph Kryenbühl, Augenarzt mit Praxis in ArthGoldau. Er empfiehlt daher, «sich eingehend zu informieren, beispielsweise über das Internet, und die Angebote verschiedener Zentren zu vergleichen.» Diesen Weg ging auch Adrian Keller: «Die letzten noch offenen Fragen beantwortete mein Augenarzt.» Erste Versuche, fehlsichtige Augen mittels Laser zu korrigieren, gab es in den Achtzigerjahren. Mittlerweile haben sich verschiedene Methoden etabliert. Eine der häufigsten Verfahren ist die Femto-Lasik. Dabei wird zuerst eine kleine Hornhautlamelle weggeschnitten, die so dünn ist wie ein menschliches Haar (40 bis 120 Mikro-
meter). Für die Dauer des Schnitts wird das Auge für rund 20 Sekunden angesaugt. Ein Excimer-Laser trägt danach das Zentrum der Hornhaut auf einer Fläche von rund 7 Millimeter Durchmesser ab. Excimer-Laser können so genau arbeiten, weil die Geräte Lichtenergie bündeln und einen sehr zielgerichteten Lichtstrahl erzeugen. Durch die Wärme lösen sich die Kollagenverbindungen der Hornhaut auf, die der Laser Schicht für Schicht abträgt. Ist die Hornhautlamelle noch so dick wie ein menschliches Haar, trägt der Laser die einzelnen Schichten mit einer Genauigkeit von 1 Mikrometer ab. Nachteile der Femto-Lasik: Der Druck auf das Auge kann beim Ansaugen zu hoch sein, was im Extremfall zu Verletzungen der Hornhaut führen kann. Manchmal ist das Auge nach dem Eingriff auch übermässig lichtempfindlich.
Höchste Präzision Ein neues Laserverfahren ist die sogenannte C-Ten-Technik. C-Ten steht
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AUGEN
Laserverfahren bei Fehlsichtigkeit
Lasik (Laser in situ Keratomileusis) Mit einer automatisch gesteuerten Klinge wird ein dünnes Scheibchen der Hornhaut abgeschnitten und zur Seite geklappt. Ein Excimer-Laser fräst das Innere der Hornhaut auf einer Fläche von rund 7 Millimeter Durchmesser ab. Zum Schluss wird das Hornhautscheibchen wieder zurückgelegt. Zur Behandlung von Kurzsichtigkeit bis -8 Dioptrien, Weitsichtigkeit bis +3 Dioptrien, Hornhautverkrümmungen bis +3 Dioptrien.
Femto-Lasik Der Eingriff erfolgt ohne mechanische Klinge. Um das Hornhautscheibchen abzutrennen, wird ein Femto-Sekundenlaser eingesetzt. Danach nimmt der Excimer-Laser die eigentliche Korrektur vor.
PRK (Photorefraktive Keratoektomie) Mit einem feinen Spatel oder einer Bürste wird die oberste Zellschicht der Hornhaut (Epithel) entfernt. Danach wird mit Laser die Hornhaut auf einer Fläche von rund 7 Millimeter Durchmesser abgeschliffen. Zur Behandlung von Kurzsichtigkeit bis -6 Dioptrien, Weitsichtigkeit bis +3 Dioptrien, Hornhautverkrümmungen bis +3 Dioptrien.
Lasek (Laser Epithelial Keratomileusis) Das Epithel wird nicht entfernt, sondern nur zur Seite geschoben, dann wird die Hornhaut gelasert. Anschliessend wird die Epithelschicht zurückgeschoben und die Wunde mit einer Kontaktlinse geschützt.
Epi-Lasik Die oberste Zellschicht wird mit einer Klinge abgeschert und weggeklappt, danach die Hornhautmitte abgetragen. Die Wunde wird mit einer Kontaktlinse geschützt.
C-Ten (Customized-transepithelial-non-contact-Behandlung)
Bei dieser Methode wird die Behandlung individuell der Form der Horn-
haut und deren Oberfläche angepasst. Das Auge wird mit keinem In-
strument berührt. Der gesamte Lasereingriff dauert 20 bis 50 Sekunden.
C-Ten ist seit 2008 im Kantonsspital Luzern im Einsatz.
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Excimer-Laser
Bei der Laserbehandlung wird die Hornhaut so abgetragen, dass das einfallende Licht wieder exakt auf der Netzhaut gebündelt wird. Am häufigsten wird die Femto-Lasik eingesetzt. Der Schnitt erfolgt anstatt mit einer mechanischen Klinge (Keratom) mit dem Femto-Sekundenlaser, der einen Hornhautlappen zur Seite klappt. Die weitere Behandlung erfolgt mit dem Excimer-Laser, der die eigentliche Korrektur vornimmt.
für «Customized-transepithelial-non-contact»-Behandlung (individuell angepasste, transepitheliale, berührungsfreie Behandlung). Das Verfahren wird seit 2008 angeboten, allerdings nur im Kantonsspital Luzern. Vor dem Eingriff bestimmt ein spezielles Messgerät die optischen Fehler der Hornhaut und die Pupillengösse. Die erhobenen Daten bilden die Grundlage der Laserbehandlung. «Der C-Ten misst 39 000 verschiedene Punkte auf der Hornhaut aus und lasert dadurch extrem genau», erklärt Christoph Kryenbühl. Während des Eingriffs wird die oberste Schicht der Hornhaut innert weniger Sekunden entfernt. Damit der Patient das Auge nicht schliessen kann, setzt der Augenarzt eine Klemme ein. So wird das Auge während der ganzen Behandlung nicht berührt. Der Vorteil ist ein sehr geringes Infektionsrisiko. Ein weiteres Plus: «Es wird kein Lappen aus der Hornhaut herausgeschnitten wie bei anderen Verfahren», sagt der Augenspezialist.
1. Der Arzt schneidet die Deckschicht der Hornhaut (Epithel) kreisförmig auf. Vorher wird ein Saugring angedockt, damit die Hornhaut nicht verrutscht.
2. Präparation des Hornhautläppchens: Der Epithellappen wird zur Seite geklappt, jetzt ist die untere Hornhautschicht zugänglich.
3. Der Excimer-Laser trägt die für die Korrektur notwendige Hornhaut ab.
4. Nach der Excimer-Behandlung klappt der Arzt den Hornhautlappen wieder zurück. Dieser wächst danach wieder fest an.
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AUGEN
Lasern mit dem C-Ten
Worauf ist zu achten?
Wichtige Kriterien für die Qualität eines Augenzentrums sind gründliche Voruntersuchungen, ein ausführliches Patientengespräch und seriöse Aufklärung über die Vor- und Nachteile eines Lasereingriffs. Lassen Sie sich nicht zu einem Eingriff drängen, denn dieser erfolgt am gesunden Auge und ein gutes Operationsergebnis ist nicht garantiert! Die Laserbehandlung ist ein kosmetischer Eingriff, die Krankenkasse übernimmt deshalb keine Kosten. Sie müssen damit rechnen, dass die Laserbehandlung inklusive Vor- und Nachuntersuchungen pro Auge bei der Femto-Lasik rund 3800 Franken kostet, beim C-Ten rund 3700 Franken und bei den Verfahren Lasik, Lasek und Epi-Lasik rund 2700 Franken. Zum Vergleich: Eine Implantatmethode, bei der eine Linse ins Auge gesetzt wird, kostet 4000 bis 5000 Franken pro Auge. Dieser Eingriff lässt sich rückgängig machen. ac
Der Patient liegt unter dem Laser. Damit er das Auge während des Eingriffs nicht schliessen kann, setzt der Arzt einen Augensperrer. Der Laser berechnet anhand der zuvor erhobenen individuellen Patientendaten wie Pupillengrösse etc. die zu behandelnde Fläche der Hornhaut (rechte Grafik), die abgetragen werden muss, um das ideale Augenbild (linke Grafik) für die angestrebte Sehschärfe zu erreichen. Die Laserbehandlung dauert im Durchschnitt 30 Sekunden. Die ganze Behandlung ist berührungsfrei, das Infektionsrisiko dadurch gering.
«Das vermindert Restrisiken, die bei manuellen Eingriffen immer vorhanden sind.» Nachteile des C-Ten: Manchmal entsteht das Gefühl, als würde das gelaserte Auge «brennen» oder jucken. «Ausserdem dauert es individuell unterschiedlich lange, bis die volle Sehkraft erreicht wird», sagt Kryenbühl.
Es steht einiges auf dem Spiel Auch Mario Camenzind, 34, liess sich beide Augen mit dem C-Ten lasern. Er konnte sich nie damit anfreunden, eine Brille zu tragen. «Deshalb entschied ich
mich, als die Kurzsichtigkeit stärker wurde, für den Lasereingriff.» Als er wenige Tage danach auf einem gelaserten Auge verschwommen sah, wurde ihm angst und bange. Er vereinbarte sofort einen Termin bei seinem Arzt. Dieser konnte ihn beruhigen: Die Heilung verlief normal; das Auge reagierte auf den Lasereingriff mit verstärkter Trockenheit, weshalb er es mit Befeuchtungstropfen versorgen sollte. Doch wurde Mario Camenzind erstmals bewusst was auf dem Spiel steht. Der Laser arbeitet am gesunden Auge und wenn etwas schiefgeht, ist eine Erblindung möglich!
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Christoph Kryenbühl plädiert deshalb dafür, sich eingehend mit dem Eingriff auseinanderzusetzen und auf genaue Untersuchungen zu beharren. Dazu gehört die Überprüfung der Sehschärfe mit und ohne Brille sowie Messungen der Hornhautoberfläche und -dicke, der Pupillengrösse bei Helligkeit und im Dämmerlicht wie auch Messungen des Augeninnendrucks und des Augapfels. Zeigen die Untersuchungen beispielsweise, dass die Hornhaut zu dünn ist oder ungleichmässig dick, ist kein Eingriff möglich. Denn es fehlt dem Laser das «Material», um arbeiten zu können. Gegen einen Eingriff sprechen ausserdem sehr trockene Augen oder eine Netzhautablösung. Zudem sollte der Sehfehler seit zwei Jahren stabil sein. Deshalb liegt das Alter für diese Eingriffe zwischen 20 und 55 Jahren. Wer mit chemischen Substanzen arbeitet oder mit Staub zu tun hat, wie Landwirte, soll nach dem Eingriff mindestens 14 Tage bis zum Arbeitsbeginn warten. Ansonsten ist das Infektionsrisiko stark erhöht.
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In Ruhe überdenken Neben den Untersuchungen möchte Christoph Kryenbühl im persönlichen Gespräch auch falsche Vorstellungen aus dem Weg räumen. «Viele Patienten glauben, dass wir durch den Laser eine Fehlsichtigkeit heilen können oder dass sie nie wieder eine Brille brauchen.» Das stimmt aber nicht. Manche Patienten benötigen auch weiterhin eine Brille und gegen Alterssichtigkeit kann der Laser derzeit noch nichts ausrichten. Wer Bedenken hat, den endgültigen Schritt mit Laser vorzunehmen oder eine Fehlsichtigkeit mit mehr als -10 Dioptrien aufweist, kann vielleicht Linsenimplantate in Betracht ziehen. «Der Eingriff ist um einiges teurer, aber rückgängig zu machen», so Kryenbühl. Mario Camenzind und Adrian Keller sind beide mit dem Sehresultat nach der Laserbehandlung zufrieden. Entscheidend zum Erfolg beigetragen hat allerdings der Faktor Zeit: Man sollte den
Arten der Fehlsichtigkeit
Kurzsichtigkeit (Myopie) Undeutliches Bild auf der Netzhaut für die Ferne, deutliches Bild für die Nähe. Korrekturmöglichkeit: Brille, Laser und/oder Kontaktlinse; ab Werten von -10 Dioptrien*: Linsenimplantat.
Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) Wölbungsfehler der Hornhaut. Durch die unterschiedlichen Krümmungskurven der Hornhaut werden Objekte auf der Hornhaut unscharf und verzerrt abgebildet. Korrekturmöglichkeit: Brille, Laser und/oder Kontaktlinse.
Weitsichtigkeit (Hyperopie) In die Nähe wie auch in die Ferne wird undeutlich gesehen. Je näher der Gegenstand am Auge, desto unschärfer wird dieser. Ursache für diese Fehlsichtigkeit ist meistens ein zu kurzes (hyperopes) Auge. Korrekturmöglichkeit: Brille, Laser und/oder Kontaktlinse, Linsenimplantat.
Alterssichtigkeit (Presbyopie) Durch den natürlichen Alterungsprozess verliert die Augenlinse ihre Elastizität, dadurch entsteht ein undeutliches Bild für die Nähe. Korrekturmöglichkeit: Brille und/oder Kontaktlinse. ac
*Dioptrie ist eine Kennzahl für die Fehlsichtigkeit des Auges. Minuswerte entsprechen der Kurzsichtigkeit, Pluswerte der Weitsichtigkeit. Je höher die Dioptrienzahl, desto stärker die Fehlsichtigkeit.
Eingriff in Ruhe überdenken und sich eingehend informieren. Denn schliesslich ist es ein endgültiger Schritt.
*Annegret Czernotta ist freischaffende Journalistin. Sie lebt in Brüttisellen (ZH).
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