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Künstliche Tränen für trockene Augen
Manche Augen reagieren nach längerem Lesen oder Arbeiten am Bildschirm regelmässig gerötet und gereizt. Der Grund können trockene Augen sein, verursacht durch Tränenmangel. Weitere Hinweise sind das Gefühl, einen Fremdkörper im Auge zu haben, oder tränende Augen bei windigem Wetter.
von Andrea Wülker*
Der Tränenfilm benetzt unsere Augenoberfläche, schützt sie vor Umwelteinflüssen und versorgt die Hornhaut. Zur Austrocknung der Augen kommt es, wenn nicht mehr ausreichend Tränenflüssigkeit gebildet wird oder wenn sich die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit ändert: Mangelt es an Lipiden (Fetten), reisst der Tränenfilm zu schnell auf, sodass die Tränenflüssigkeit rasch verdunstet. Dann besteht die Gefahr, dass die Augenoberfläche nicht mehr richtig geschützt ist und die Hornhaut Schaden nimmt.
Vielfältige Ursachen Trockene Augen – Ärzte sprechen auch vom Sicca-Syndrom oder vom Dry Eye Syndrome – gehören zu den häufigsten Augenproblemen überhaupt. Frauen
sind viel öfter (in ca. 86% der Fälle) betroffen als Männer. Dies hängt damit zusammen, dass die Tränenproduktion teilweise über männliche Geschlechtshormone gesteuert wird, die bei Frauen nur in geringer Konzentration vorliegen. Während der und nach den Wechseljahren berichten Frauen besonders häufig über trockene Augen. Auch eine Funktionsstörung der sogenannten Meibom-Drüsen kann zu trockenen Augen beitragen. Diese kleinen Talgdrüsen befinden sich am Lidrand und produzieren ein öliges Sekret, das sich mit jedem Lidschlag auf dem Tränenfilm verteilt und diesen stabilisiert, sodass die Tränenflüssigkeit nicht zu schnell verdunstet. Kommt es zu einer starken Verhornung der Drüsenausführungsgänge oder ist das Sekret der Mei-
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AUGEN
Der Tränenfilm Tränenflüssigkeit ist nicht in erster Linie zum Weinen da, sondern um das Auge vor äusseren Einflüssen zu schützen. Der gesunde, gut funktionierende Tränenfilm besteht aus drei Schichten: • Die äussere fetthaltige Schicht wird von Drüsen produziert und stabilisiert den Tränenfilm. Sie ist dafür zu-
ständig, dass die Tränenflüssigkeit nicht zu schnell verdunstet. • Die mittlere wässrige Schicht wird direkt von den Tränendrüsen gebildet. Sie reinigt und schützt die Horn-
haut und sorgt dafür, dass das Augenlid leicht über die Hornhaut gleitet. • Die unmittelbar auf der Hornhaut liegende, schleimhaltige Schicht schützt diese vor kleinen Verletzungen.
aw
bom-Drüsen nicht mehr optimal zusammengesetzt, kann der Tränenfilm seine Aufgabe nicht mehr richtig erfüllen, und das Auge trocknet aus. Darüber hinaus sind Patienten mit verschiedenen Grunderkrankungen vermehrt anfällig für das Sicca-Syndrom, beispielsweise Patienten mit bestimmten Haut- und rheumatischen Erkrankungen, Diabetes, Krankheiten des Immunsystems oder Krebs. Dies kann mit der Grunderkrankung selbst zusammenhängen oder mit den Medikamenten, die aufgrund der chronischen Erkrankung eingenommen werden müssen. Auch das Tragen von Kontaktlinsen kann zu Augentrockenheit führen, wie Dietmar Thumm, niedergelassener Augenarzt aus Luzern, sagt.
Stärkere Beschwerden
im Sommer Menschen mit trockenen Augen klagen schon bei geringen Reizen wie verminderter Luftfeuchtigkeit, hellem Sonnenlicht oder Wind über brennende, gerötete Augen und Sandkorngefühl. Gerade in der warmen Jahreszeit gibt es einige Faktoren, welche die Symptome verschlimmern können. Bekannt als Auslöser ist das Ozon, das alle unsere Schleimhäute angreifen kann. «An Tagen mit hohen Ozonwerten klagen viele Menschen über brennende Augen», hat Dietmar Thumm beobachtet. Patienten, bei denen die Menge an Tränenflüssigkeit ohnehin knapp ist, können auch vermehrt allergische Symptome entwickeln, insbesondere bei Gräserallergie. Bei hohen Temperaturen verdunstet zudem die Tränenflüssigkeit schneller. Deshalb ist es für Menschen mit Neigung zu trockenen Augen angenehm, sich im Sommer in Gebieten mit relativ hoher Luftfeuchtigkeit aufzuhalten, beispiels-
weise an der Nord- und Ostsee oder in den Tropen. Generell sind die Beschwerden bei trockenen Augen im Sommer und Winter stärker ausgeprägt als im Frühling oder Herbst. Im Winter spielen die trockene Heizungsluft in den Räumen und eine kalte, trockene Bise draussen eine bedeutende Rolle.
Behandlungsmöglichkeiten Zunächst wird der Arzt untersuchen, ob es einen bestimmten Auslöser für die Beschwerden gibt. Möglicherweise ist die Augentrockenheit durch ein Medikament bedingt, das der Patient einnimmt, oder durch eine Grunderkrankung, die behandelt werden kann. Die Therapie des trockenen Auges richtet sich danach, wie stark die Beschwerden sind. Zur Basisbehandlung gehören Tropfen oder Gels zur Befeuchtung des Auges. Diese «künstlichen Tränen», die mehrmals täglich in die Augen geträufelt werden, sind in unterschiedlicher Konsistenz erhältlich. Je ausgeprägter die Be-
schwerden, umso dickflüssiger sollte das Produkt sein. Häufig verordnet der Augenarzt auch spezielle Massnahmen zur Lidrandhygiene, wie beispielsweise Reinigungslösungen für die Lidränder oder Augenkompressen. Bei Bedarf setzt der Arzt auch entzündungshemmende Augentropfen ein. Omega-3-Fettsäuren können in Kapselform verordnet werden. Sie verbessern die Qualität des Tränenfilms und helfen, wenn eine übermässige Verdunstung der Tränenflüssigkeit vorliegt. In besonders schweren Fällen kommen weitere Massnahmen hinzu. Beispielsweise kann der Arzt spezielle Medikamente verordnen, welche die Produktion der Tränendrüse anregen. Eine weitere Behandlungsmethode besteht darin, die Tränenpünktchen der Augen zeitweise mit kleinen Silikonstöpseln zu verschliessen, um die wenigen Tränen, die noch gebildet werden, aufzustauen.
*Dr. med. Andrea Wülker ist Medizinjournalistin und lebt in Offenburg (D).
Trockenen Augen vorbeugen
Hier einige Tipps für alle, die zu trockenen Augen neigen: • Trinken Sie genug, gerade im Sommer. • Tragen Sie eine Sonnenbrille, die ausrei-
chend gross ist und eventuell zusätzlich einen Seitenschutz bietet. • Halten Sie sich bei sommerlicher Hitze und hohen Ozonwerten nicht zu lange im Freien auf. • Vermeiden Sie Zugluft. Klimaanlagen und Autogebläse können die Beschwerden bei trockenen Augen verschlimmern. • Verwenden Sie vorsorglich Augentropfen, die den Tränenfilm stabilisieren.
• Auch nach dem Baden im Schwimmbad
oder im See sind solche Augentropfen
wohltuend.
• Achten Sie auf eine Ernährung, die reich
an Omega-3-Fettsäuren ist (enthalten
z.B. in Lachs, Sardellen, Hering, Man-
deln, Leinsamen und Rapsöl). Omega-3-
Fettsäuren können auch in Form von
Kapseln eingenommen werden.
• Falls Sie es nicht schon längst getan
haben: Geben Sie das Rauchen auf, denn
Zigarettenrauch reizt empfindliche Au-
gen nur noch mehr.
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