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Schönh Cremet
Für viel Geld kaufen sich Frauen (und auch Männer) Pflegeprodukte für die Haut, die ein jugendliches, faltenfreies Aussehen versprechen. Mit immer neuen Wirkstoffen sagen Kosmetikhersteller der Hautalterung den Kampf an. Unklar ist bisher, welche Mittel wirklich etwas nützen.
von Sabine Schritt*
FOTO: ISTOCKPHOTO
Unsere Haut verfügt über einen ausgeklügelten Selbstschutz und kann sich ein Leben lang immer wieder erneuern. Bloss: Mit zunehmendem Alter verlangsamt sich die Zellteilung, die Oberhaut wird dünner und speichert weniger Feuchtigkeit, die Talgdrüsen produzieren weniger Fett. In der Lederhaut nimmt die Kollagenproduktion ab, die Haut wird schlaff, ist schlechter durchblutet und weniger gut mit Nährstoffen versorgt. Als wichtiger Bestandteil des Bindegewebes sorgt Hyaluron für die nötige Feuchtigkeit in der Haut. Doch mit dem Alter wird der Hyaluronsäuregehalt deutlich geringer. Falten und Runzeln bilden sich und lassen uns ziemlich alt aussehen. Wer möchte da nicht der Kosmetikwerbung glauben, die ein faltenfreies, jugendliches Ausse-
hen verspricht? Die Schweizer Bevölkerung gab 2008 484,5 Millionen Franken allein für Gesichtspflege aus.
Antifalteneffekt meist nur kurzfristig Kosmetikhersteller haben der Hautalterung längst den Kampf angesagt. Hautcremes sollen die Haut nicht nur pflegen, sondern auch dazu anregen, mehr Kollagen und mehr Hyaluronsäure zu bilden. Ziel ist es, die Nährstoffversorgung der obersten Hautschicht anzukurbeln und ihre Widerstandskraft zu stärken. Das Angebot ist verwirrend: «Nicht nur für Laien ist es schwierig, sich im Kosmetikmarkt zurechtzufinden und die Produkte zu entdecken, die tatsächlich halten, was sie versprechen», sagt Inja Bogdan Allemann, Dermatologin am
Universitätsspital Zürich. «Auch wir Dermatologen wissen mitunter nicht, welche Produkte tatsächlich den angepriesenen Effekt erfüllen.» Aussagen wie «Faltenfrei nach einer Woche», oder «In drei Wochen fünf Jahre jünger aussehen» seien aber schlicht unrealistisch. Der Antifalteneffekt sei kurzfristig und lediglich auf die erhöhte Feuchtigkeitsversorgung der Haut zurückzuführen. Kosmetikhersteller wiederum versichern, dass ihre Produkte hochwirksam sind: «Unsere Forschungslabors arbeiten intensiv daran, für unsere Produkte die wirkungsvollsten Aktivstoffe in ihrer optimalen Konzentration kosmetikgerecht miteinander zu kombinieren», sagt Carine Delorme vom Kosmetikhersteller Clarins. Auch Rahel Röllin, Sprecherin des Naturkosmetikherstellers Dr. Hausch-
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SCHÖNHEIT
heit aus dem töpfchen?
ka betont: «Es ist möglich, den Alterungsprozess mit natürlichen Inhaltsstoffen und Rezepturen deutlich zu verzögern und Fältchen zu reduzieren.»
Unabhängige Studien
fehlen Die Hersteller stossen an ihre Grenzen, denn: «Kosmetikartikel dürfen keine medizinisch relevanten Auswirkungen in der Haut haben, das heisst, die Struktur und Funktion der Haut nicht verändern», erklärt Joachim Gross vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic. Die Wirkstoffkonzentration in Kosmetika ist deshalb entsprechend gering. Umfassende, unabhängige Studien, ob die Inhaltsstoffe tatsächlich etwas nützen und die mit dem fertigen Produkt am Menschen getestet werden, sind eine Ausnahme. Der Grossteil der Studien werde von den Herstellern veranlasst, sagt Bogdan Allemann und fügt hinzu, dass die Wirkung der kosmetischen Inhaltsstoffe zumeist im Labor in Zellkulturen geprüft und belegt wird: «Leider beweist dies nicht auch den Effekt des Wirkstoffs in seiner finalen Formulierung in der Haut. An Menschen durchgeführte klinische Studien, bei dem nicht nur der aktive Wirkstoff, sondern das ganze Produkt geprüft werden, sind die einzige Möglichkeit, den tatsächlichen Effekt nachzuweisen.» So könne ein Wirkstoff im Labor fantastische Resultate zeigen. Im fertigen Produkt in der Kombination mit Konservierungsstoffen, Emulgatoren und so weiter aber könnten viele Faktoren den Wirkstoff beeinflussen, unter Umständen sogar verändern. Clarins testet die Verträglichkeit seiner Produkte an pflanzlichen Eiweissmembranen. «Die Reaktionen dieser Membra-
nen entsprechen genau denen der menschlichen Haut und Hornhaut», so Delorme. Unter Aufsicht von Dermatologen werden an freiwilligen Personen Langzeit-Wirksamkeitstests durchgeführt. Insgesamt durchläuft jedes Clarinsprodukt durchschnittlich 80 Tests und Kontrollen. Auch die Entwicklung der Dr.-Hauschka-Kosmetik wird durch Anwendungstests an Freiwilligen begleitet. Zusätzlich werden Tests zur Messung der Hautfeuchtigkeit und anderer Hautfunktionen durchgeführt.
Schutz vor U-VA- und UV-B-Strahlen ist wichtig Die ernüchternde wie einfache Wahrheit ist: Keine Creme kann Falten verschwinden lassen. Die deutsche Konsumentenzeitschrift «Öko-Test» testete 23 Tagescremes, die mit «Anti-Aging» oder «Anti-Falten» deklariert waren. Aufgrund ihrer Ergebnisse empfiehlt «ÖkoTest»: Mehrausgaben für eine AntiAging- oder Anti-Falten-Creme lohnen sich nicht. Eine gute Pflegecreme erfüllt denselben Zweck. Damit wir nicht zu schnell zu alt aussehen, braucht unsere Haut laut Dermatologin Bogdan Allemann vor allem einen täglichen Schutz vor UV-A- und UV-B-Strahlen: «Die Wirkung von Sonnenschutzmitteln ist in vielen Studien bewiesen.» Eine Feuchtigkeitscreme schützt die Haut vor dem Austrocknen. Weiter könne die Haut mit Produkten, die Antioxidanzien enthalten, vor freien Radikalen geschützt werden. «Hier sind wir aber wieder bei den Kosmetika, deren Effekt meist nicht oder nur bedingt im Labor bewiesen ist.»
*Sabine Schritt arbeitet als freie Journalistin und lebt in Pfaffhausen (ZH).
Wirkstoffe in Hautcremes
Die Grundlage jeder Creme sind Wasser und
Fett. Hinzu kommen besonders feuchtigkeits-
spendende Stoffe wie Urea, Glycerin, Aloe
Vera. Um der Hautalterung ein Schnippchen
zu schlagen, werden spezielle Wirkstoffe bei-
gefügt.
Retinol, ein Vitamin-A-Derivat, soll die Erneue-
rung der Zellen fördern und das Hautbild ver-
bessern. Alpha-Hydroxysäuren (AHA) sind
Fruchtsäuren. Sie lösen abgestorbene Hautzel-
len und werden eingesetzt, um lichtbedingter
Hautalterung vorzubeugen. Vitamin C und E
sind enthalten, um aggressive Sauerstoffmole-
küle (freie Radikale) abzufangen und Cera-
mide, um den Hautschutzfilm zu regenerieren.
Coenzym Q10 ist ebenfalls ein Antioxidans,
wie Vitamin C und E. Vitamin B3 (Niacinamid)
wird zur Stabilisierung der natürlichen Haut-
barriere eingesetzt. Polyphenole aus Pflanzen-
extrakten sollen ebenfalls vor freien Radikalen
schützen. Künstlich hergestellte Hyaluron-
säure kann sehr viel Wasser binden und sorgt
deshalb – alledings nur vorübergehend – für
ein strafferes Hautbild.
ss
INFO
Universitätsspital Zürich, Dermatologische Klinik Sprechstunde für kosmetische Dermatologie, Terminvereinbarung: Tel. 044-255 31 55 E-Mail: kosmetiksprechstunde.der@usz.ch
Schweizerischer Kosmetik- und Waschmittelverband SKW Die Broschüre «Kosmetika, Inhaltsstoffe und Funktionen» kann unter www.skwcds.ch/Öffentlichkeit/Konsum-Infos/Kosmetika ausgedruckt werden.
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