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KOLUMNE
Partizipation und Mitbestimmung für PatientInnen und Versicherte: Chance oder Teufels Küche?
von Heidi Schriber, Mitglied des Redaktionsausschusses und des Redaktionellen Beirats der Zeitschrift «Managed Care»
Heidi Schriber
Die Stimme der PatientInnen sollte in einem modernen Gesundheitswesen integrierter Teil aller Planungsund Entscheidungsprozesse sein. Diese Einsicht setzt sich auch in der Schweiz immer mehr durch und weckt gleichzeitig Befürchtungen und die Vorstellung von Schreckensszenarien. Was heisst Partizipation? Wer redet dann alles mit hinein in die therapeutische Beziehung? Soll es in Zukunft etwa Berufspatienten geben? Wie verhindert man Manipulation? Woher nehmen Patientinnen und Patienten das Know-how, um überhaupt mitbestimmen zu können? Und wer definiert, was (delegierte) Mitbestimmung heisst? Trotz der allgemeinen Trends und der Forderung nach mehr Selbstverantwortung fehlt es an breit abgestützten Vorstellungen darüber, wie diese Partizipation genau funktionieren könnte und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssten. Die Schweiz, die mit der Gründung der ersten Patientenstelle 1979 eine Pionierrolle hatte bezüglich der Vertretung von Patientenrechten, ist heute bei der strukturellen Umsetzung der Partizipation und
der Wahrung von Patienteninteressen im Vergleich zu andern Ländern sehr wenig weit entwickelt. Grundsätzlich findet Partizipation auf drei Ebenen statt: ■ Auf der individuellen therapeutischen Ebene mit den direkt Betroffenen, wo es um therapeutische Entscheide, Compliance oder Behandlungsalternativen geht (MikroEbene). ■ Auf der institutionellen Ebene, zum Beispiel mit der Einrichtung von Klinikräten, Patientenbeiräten in Managed-Care-Modellen, Ombudsstellen (Meso-Ebene). ■ Auf der politisch-strategischen Ebene, wo es um die Mitwirkung in politischen Entscheidungsprozessen und die Vertretung in Arbeitsgruppen und Projekten oder Vernehmlassungsverfahren geht (MakroEbene). In verschiedenen europäischen und nordamerikanischen Ländern ist Partizipation bereits heute institutionalisiert und umgesetzt. Modelle, die für die Schweiz wegweisend sein könnten, finden wir in Holland und in neuen Entwicklungsansätzen in Deutschland. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Seit einem Jahr befasst sich eine Projektgruppe, bestehend aus Mitgliedern der FMH, des Forums Managed Care, der Nationalen Gesundheitspolitik Schweiz und der Stiftung KOSCH mit Unterstützung der Gesundheitsförderung Schweiz, mit solchen Fragen. Es wurde zusammengetragen, was es in Europa an Modellen und aktuellen Entwicklungen gibt. Es wurde darüber nachgedacht, wie Patienten- und Versichertenorganisationen gestaltet, vernetzt und unterstützt werden können und müssen, um einem Auftrag im Rahmen der delegierten Mitbestimmung gerecht wer-
den zu können. Mit Hilfe von Literaturrecherchen, Befragungen und Diskussionen wurde versucht, wenigstens innerhalb der Projektgruppe einen Konsens zu finden zu verschiedenen grundlegenden Fragen und Begriffen. Die strukturelle Implementierung der Partizipation und der Wahrung von Patienteninteressen im schweizerischen Gesundheitswesen soll ganzheitlich angegangen werden, indem einerseits die verschiedenen Ebenen der Partizipation und andererseits bestehende und neue Ansätze vernetzt werden. Professionalisierung und Standardisierung sollen beitragen zu einer wirkungsvollen und gleichberechtigten Vertretung der Interessen und Anliegen von Patientinnen und Patienten auf allen Ebenen. An einer Informationsveranstaltung im November dieses Jahres sollen die Vorarbeiten einem breiteren Publikum vorgestellt werden. Ziel ist es, einen Austausch zu ermöglichen über Vorstellungen, Befürchtungen, Erwartungen und Erfahrungen zur Mitbestimmung von Patienten und Versicherten im Gesundheitswesen. Die Initianten möchten möglichst viele Interessierte versammeln und für eine Fortsetzung des Projektes und die Verankerung der Mitbestimmung in der Schweiz gewinnen. Beteiligen Sie sich an dieser Diskussion!
Dr. Heidi Schriber,
Coaching und Unternehmensentwick-
lung, Projektleiterin «Delegierte
Mitbestimmung»;
Mitglied des Redaktionsauschusses
und des Redaktionellen Beirats
der Zeitschrift «Managed Care»
Managed Care 7 ● 2004 25