Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie, Kontrazeption und Menopause (SGEM)
Gestagene zum Endometriumschutz bei kombinierter Hormontherapie in den Wechseljahren
Hintergrund: Wenn Frauen in den Wechseljahren eine Hormonersatztherapie (HRT) mit Östrogenen erhalten, dann ist bei vorhandenem Uterus die Gabe eines Gestagens für mindestens 12 Tage pro Monat zum Schutz des Endometriums erforderlich. Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit war es, die endometriale Schutzfunktion von verschiedenen Gestagenen in der kombinierten HRT zu untersuchen.
Zusammenfassung
In das systematische Review wurden nur randomisiert kontrollierte Studien (n = 84) mit vor allem postmenopausalen Frauen eingeschlossen, die den Einfluss verschiedener Kombinationen von Östrogenen mit diversen Gestagenen (NETA, DNG, DYD, MP, DRSP, LNG, CPA, MPA, CMA, Medrogeston, NOMAC, TMG, GSD, DSG, NGM, DRSP) histologisch überprüften. Es zeigte sich, dass 1. die meisten Studien mit NETA (n =
29) durchgeführt wurden, gefolgt von MPA (n = 28), MP (n = 11), DYD (n = 10) und LNG (n = 9), 2. die meisten Gestagene nur als orale Formulierungen verfügbar waren, 3. die am häufigsten untersuchten Gestagene sowohl in kontinuierlichen als auch in sequenziell kombinierten HRTSchemata untersucht wurden, 4. die FDA-Kriterien für die endometriale Sicherheit nur für einige Gestagene erfüllt wurden, und 5. die meisten Studien einen endometrialen Schutz für die untersuchte Gestagendosis und den untersuchten Zeitraum aufwiesen. 6. Die Qualität der Studien variierte jedoch, was bei der Wahl einer kombinierten HRT berücksichtigt werden sollte, insbesondere wenn eine Off-Label-Anwendung gewählt wird. Für das bioidentische MP (mikronisierte Progesteron) und seinen Stereoisomer DYD lässt sich festhalten: n Abhängig von der Östrogendosis bei kontinuierlich kombinierter HRT hat sich orales MP in einer Dosierung von 50–200 mg/Tag bis zu 1 Jahr als schützend für das Endometrium erwiesen. n Abhängig von der Östrogendosis bei sequenziell kombinierter HRT hat sich orales MP in einer Dosierung von 100–400 mg/Tag bis zu 3 Jahre als
schützend für das Endometrium erwiesen. n Vaginales MP in einer Dosierung von 45 mg/Tag hat sich als nicht schützend für das Endometrium erwiesen, wenn es in einer sequenziell kombinierten HRT angewendet wird. n Es liegen keine ausreichenden Daten vor, um die Verwendung von intramuskulärem oder transdermalem MP zum Schutz des Endometriums bei kombinierter HRT zu unterstützen. n Abhängig von der Östrogendosis bei kontinuierlich kombinierter HRT hat sich orales DYD in einer Dosierung von 2,5–20 mg/Tag bis zu 1 Jahr als schützend für das Endometrium erwiesen. n In Abhängigkeit von der Östrogendosis bei sequenziell kombinierter HRT hat sich orales DYD in einer Dosierung von 2,5–20 mg/Tag bis zu 2 Jahre als schützend für das Endometrium erwiesen.
Kommentar
Da von Seiten der Behörden (z. B. FDA, EMA) für kombinierte HRT-Präparate nur ein histologischer Sicherheitsnachweis von 1 Jahr gefordert wird, überrascht es nicht, dass die eingeschlossenen Studien nicht, wie wir es uns wünschen würden, einen Beobachtungszeitraum von über 5 Jahren haben. Die Beurteilung der Endometriumsicherheit verschiedener Gestagene in der S3-Leitlinie «Endometriumkarzinom» (2022) (1) beruht also mehrheitlich auf Beobachtungsstudien. Dies ist insbesondere bei den Gestagenen MP und DYD hervorzuheben, da die S3-Leitlinie überhaupt nicht auf die Tatsache eingeht, dass es zu MP 11 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) und zu DYD 10 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit histologischer Endo-
Prof. Dr. med. Petra Stute Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsfrauenklinik Bern
Kommentierte Studie: Stute P et al.: Progestogens for endometrial protection in combined menopausal hormone therapy: A systematic review. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2023 Aug 22:101815. doi: 10.1016/j. beem.2023.101815.
metriumbeurteilung gibt. Stattdessen
wird auf schlechtem Evidenzlevel (LoE
4), basierend auf 2 nicht randomisierten
Kohortenstudien vor der > 5-jährigen
kombinierten Therapie mit MP und DYD
gewarnt. Von einer S3-Leitlinie wäre zu
erwarten, dass nur RCT für die Beurtei-
lung herangezogen werden.
n
Prof. Dr. med. Petra Stute E-Mail: petra-stute@insel.ch Internet: www.meno-pause.ch Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenz: Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Endometriumkarzinom, Kurzversion 2.0, 2022, AWMFRegisternummer: 032/034OL https://www.leitlinienprogrammonkologie.de/leitlinien/endometriumkarzinom/; Zugriff am 12.11.2023
Abkürzungen_ NETA = Norethisteronacetat, DNG = Dienogest, DYD = Dydrogesteron, MP = mikronisiertes Progesteron, DRSP = Drospirenon, LNG = Levonorgestrel, CPA = Cyproteronacetat, MPA = Medroxyprogesteronacetat, CMA = Chlormadinonacetat, NOMAC = Nomegestrolacetat, TMG = Trimegston, GSD = Gestoden, DSG = Desogestrel, NGM = Norgestimat, DRSP = Drospirenon.
GYNÄKOLOGIE 1/2024
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