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SCHWERPUNKT
Freizeitsport und Athletismus bei Frauen
Einfluss von Zyklus und Antikonzeption auf die sportliche Leistungsfähigkeit
Zunehmend gelangt der Zusammenhang zwischen weiblichem Zyklus, Hormontherapie (z. B. im Rahmen der Antikonzeption) und sportlicher Leistung in den Fokus. Fundiertes Wissen liegt bisher wenig vor. Dieser Artikel soll einen Überblick über den Einfluss endogener und exogener Hormone auf die physische Leistungsfähigkeit geben und die aktuelle Evidenz zeigen.
NATHALIE WERTH-BERGSMA, LEA SCHUMPF, ALEXANDRA KOHL SCHWARTZ
Nathalie Werth-Bergsma Lea Schumpf
«Women are not small men. Stop training like one!»
Lange basierten die Trainings- und Ernährungspläne für Frauen auf sportwissenschaftlichen Studien, welche mit Männern als Probanden durchgeführt wurden. Dabei liegt aber ein wesentlicher Unterschied bei den Geschlechtern im Körperbau vor, hinzu kommen zyklusabhängige, hormonelle Veränderungen bei der Frau. Dies bewog die US-Sportwissenschaftlerin Stacy Sims zu oben genanntem Zitat in ihrem Buch (1). Das Thema «Frau und (Profi-)Sport» fand in den letzten Jahren nicht nur in den Medien grosses Interesse (Abbildung 1), auch gewinnt es in der Sportwissenschaft zunehmend an Beachtung. Jedoch besteht weiterhin ein grosser Mangel an qualitativ hochstehenden Studien (2). Das Projekt «Frau und Spitzensport» von Swiss Olympic unterstützt seit 2019 Athletinnen bei der Optimierung ihrer Leistung wie auch ihrer Gesundheit. Im Fokus stehen spezifisch weibliche Themen, die für
Merkpunkte
n Die Theorie und persönlichen Erfahrungsberichte lassen einen Einfluss der endogenen und exogenen weiblichen Hormone auf die Leistungsfähigkeit vermuten.
n An hochqualitativen sportwissenschaftlichen Studien mit Frauen, idealerweise Athletinnen, besteht dringender Bedarf. Die aktuelle Evidenz ist ungenügend.
n Eine individuelle Beratung der Sportlerinnen ist essenziell. Dabei sollten positive Aspekte der hormonellen Schwankungen während des Zyklus, aber auch individuell unterschiedlich ausgeprägte zyklusabhängige Beschwerden einbezogen werden.
n Bei der Verschreibung von Verhütungsmitteln sollten Kontraindikationen, positive und negative Nebeneffekte der einzelnen Präparate, die individuelle Präferenz beim Verhüten sowie die zu trainierende Sportart berücksichtigt werden.
n Eine Enttabuisierung der Thematik sowie eine gute Zusammenarbeit zwischen betreuenden Gynäkologen/-innen, Trainer/-innen, Sportmediziner/-innen und ev. Ernährungsberater/-innen ist erstrebenswert.
das Training, die Ernährung und Erholung leistungsrelevant sind. Mit der Kampagne «fastHER, smartHER, strongHER» sollen die Voraussetzungen für Frauen im Spitzensport nachhaltig verbessert werden und die Thematik in der Spitzensportförderung der Schweiz etabliert werden. Ein Netzwerk von Gynäkologen/-innen mit Anlaufstellen berät Athletinnen bei individuellen sportmedizinisch-gynäkologischen Fragen.
Einfluss des Menstruationszyklus auf die körperliche Leistungsfähigkeit
Östrogen und Progesteron Nebst der reproduktiven Aufgabe haben Östrogen und Progesteron zahlreiche weitere physiologische Einflüsse auf den Körper. Durch Unterschiede der Hormonspiegel während des Menstruationszyklus kann die physische Leistungsfähigkeit der Frau beeinflusst werden. Östrogen wirkt anabol und fördert die Proteinsynthese, erhöht die Speicherung von hepatischem und muskulärem Glykogen, fördert die Fettspeicherung sowie die Retention von Flüssigkeit. Auch führt das Östrogen zu einer vermehrten Laxizität der Bänder und Sehnen, was in der Zyklusmitte bei hohem Östrogenlevel zu einer Zunahme des Verletzungsrisikos führen kann. Progesteron hingegen wirkt katabol. Der erhöhte Spiegel in der zweiten Zyklushälfte führt zu einem leichten Anstieg der Körpertemperatur. Es bewirkt eine erniedrigte Spannung der glatten Muskelfasern und hat einen leicht sedierenden Effekt.
Ein Beispiel aus der Praxis: Die Schweizer Nationalmannschaft des Frauenfussballs passt das Training dem individuellen Zyklus der Spielerinnen an (Abbildung 1). In der ersten Östrogen-
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Verwendung mit Genehmigung mit Swiss Olympic.
dominierten Zyklushälfte wird der Fokus auf hohe Trainingsreize und Krafttraining gelegt. Periovulatorisch wird bei der Planung der Trainingseinheiten dem erhöhten Verletzungsrisiko aufgrund der vermehrten Laxizität der Bänder und Sehnen Rechnung getragen. In der zweiten, der Progesteron-dominierten Phase wird auf den Erhalt der Fähigkeiten und auf Koordination gesetzt.
Einfluss der Zyklusphasen auf die körperliche Leistungsfähigkeit Die Studien, welche bisher konkret den Einfluss der unterschiedlichen Zyklusphasen auf die Leistungsfähigkeit untersuchten, sind sehr heterogen und die Ergebnisse widersprechen sich teilweise. Kürzlich publizierte Übersichtsarbeiten haben die Ergebnisse dieser Studien zusammengefasst (3–5). Die eine Metaanalyse zeigt eine leicht reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit in der frühen Follikelphase (3). Dieser Effekt konnte in einer weiteren Metaanalyse (4), welche sich nur auf trainierte Frauen und die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max, ein direkter Messwert für die kardiorespiratorische Fitness und ein häufig verwendeter Parameter, um die Ausdauerleistungsfähigkeit zu beurteilen) konzentrierte, nicht gezeigt werden. Die Autoren der genannten Übersichtsarbeiten sind sich einig, dass viele der eingeschlossenen Studien methodische Mängel aufweisen, die Aussagen ihrer Arbeiten somit limitiert sind und dass keine Empfehlungen basierend auf der aktuellen Datenlage formuliert werden können. Ein systematischer Review konzentrierte sich spezifisch auf den Einfluss der Zyklusphasen auf das Krafttraining und schlussfolgerte, dass weibliche Hormone einen Effekt haben können (5). Ein zyklusgesteuertes Trainieren mit vermehrtem Maximalkrafttraining in der Follikelphase scheint effektiver zu sein als in den anderen Zyklusphasen. Das theoretisch anzunehmende periovulatorisch erhöhte Verletzungsrisiko aufgrund hoher Östrogenwerte bestätigte sich, so wurde beispielsweise eine erhöhte Rupturrate des vorderen Kreuzbandes kurz vor der Ovulation beobachtet (6).
Ungenügende Evidenz – wie können wir die Frauen beraten? Bei ungenügender Datenlage müssen die Frauen individuell beraten werden. Da gerade bei Spitzensportlerinnen in der Trainingsplanung viele kleine Details optimiert werden, sollte der Zyklus, ebenso wie zum Beispiel die Ernährung, als Puzzlestein dazugehören. Swiss Olympic hat dazu eine öffentlich zugängliche Infografik für Sportlerinnen rausgegeben (Abbildung 3). Athletinnen sollen dazu ermutigt werden, ihren eigenen Zyklus im Zusammenhang mit ihrer Leistung und ihren Beschwerden zu beobach-
Abbildung 1: zunehmendes Interesse der Medien am Thema «Frau und Sport» (hier: Schlagzeilen aus der NZZ, dem Blick und aus 20 Minuten).
© Swiss Olympic
Abbildung 2: Kampagne von Swiss Olympic zum Thema Frau und Spitzensport https://www.swissolympic.ch/athleten-trainer/frau-spitzensport/fokusthemen?tabId=38877d0d-c2cc-484e-8bb3-5b0b5ab04b12
ten. Gerade Sportlerinnen haben in der Regel ein sehr gutes Körpergefühl. Wird ein Trainingstagebuch geführt, kann der Zykluskalender integriert werden. Medienberichten zufolge gibt es zunehmend Sportlerinnen, welche die hormonellen Schwankungen als etwas Positives zu werten gelernt haben und ihr Training auf den Zyklus abstimmen. Dagegen steht bei anderen Frauen, die an einer ausgeprägten Dysmenorrhö, an Stimmungsschwankungen im Rahmen eines prämenstruellen Syndroms (PMS) oder an einer anämisierenden Hypermenorrhö leiden, die zyklusabhängige Beeinträchtigung der körperlichen Leitungsfähigkeit im Vordergrund. Diese Beschwerden sollten in der Trainingsplanung berücksichtigt werden und nach Möglichkeit therapeutisch optimiert werden. In einer Studie von 2018 gaben 77% der Athletinnen negative zyklusabhängige Symptome an, welche potenziell ihre Leistungsfähigkeit beeinflussen (7). Nur wenige suchten diesbezüglich medizinische Beratung auf oder sprachen mit ihrem/ihrer Trainer/-in
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Verwendung mit Genehmigung mit Swiss Olympic.
Abbildung 3: Infografik von Swiss Olympic zu den verschiedenen Zyklusphasen https://www.swissolympic.ch/dam/jcr:9082c632-0d4f-427b-86ef-0fa8d2c8b04f/SwissOlympic-FS_SS+F_Mens-de_A4q.pdf
darüber. Es ist zu hoffen, dass sich dies aufgrund der aktuellen Diskussion in den Medien verbessert und die Hemmschwelle – auch mit männlichen Trainern – über «Frauen-Probleme» zu sprechen, kleiner wird. Neben einer individuellen Beratung der Sportlerin ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen/-innen, Trainer/-innen, Sportmediziner/-innen und Ernährungsberater/-innen, wie dies nun von Swiss Olympic gefördert wird, erstrebenswert.
Einfluss von exogen zugeführten Hormonen auf die körperliche Leistungsfähigkeit
Einfluss der Verhütungsmittel Bei der Anwendung einer kombinierten hormonalen Kontrazeption (CHC) wird die Produktion des körpereigenen Östrogens reduziert. Dies bewirkt aber keinen echten Mangel (bezüglich des Knochenstoffwechsels beispielsweise), da dieses durch das zugeführte synthetische Ethinylestradiol (EE) ersetzt wird. Durch den Anstieg des Sexualhormon-bindenden-Globulins (SHBG) werden zudem die freien männlichen Hormone erniedrigt. Bei der Anwendung einer CHC mit dem natürlichen Östrogen (Estradiol (E2), z. B. Qlaira®) wird im Gegensatz zu einer CHC mit EE die Leber weniger stimuliert und dementsprechend weniger SHBG produziert. Dies führt dazu, dass weniger männliche Hormone an das SHGB gebunden werden und somit mehr in
freier Form verfügbar sind, was potenziell interessant ist im Sport. Bei der alleinig gestagenhaltigen Antikonzeption werden die Ovarien wenig unterdrückt (Ausmass je nach Präparat); die endogene Hormonproduktion wird somit weniger beeinflusst als bei den kombinierten Präparaten. Zudem kommt es (wie auch bei den CHC) zu einer Endometriumatrophisierung, was in der Regel zu einer Abnahme bzw. zu einem Sistieren der Menstruationsblutung führt. Somit kann eine Hypermenorrhö mit konsekutivem Eisenmangel verhindert werden, was sich positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirken kann.
Einfluss der Zyklusphasen auf die körperliche Leistungsfähigkeit Die Autoren der bereits vorgängig zitierten Meta-Analysen haben auch den Einfluss der CHC auf die körperliche Leistungsfähigkeit untersucht. Während sich im Hinblick auf die VO2max bei sportlichen Frauen keinen Unterschied gezeigt hat (4), fand sich in der Metaanalyse, welche die Frauen unabhängig von ihrem Trainingslevel einschloss, eine mögliche, wenn auch geringe negative Beeinflussung der Pille auf die körperliche Leistungsfähigkeit (8). Den möglichen Einfluss einer exogenen Hormongabe auf das Krafttraining bzw. den Muskelaufbau wurde wiederum separat untersucht (5). Während zwei Studien einen positiven Einfluss der CHC fan-
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Tabelle:
Vor- und Nachteile verschiedener Kontrazeptiva (modifiziert nach [10])
Kontrazeption (Sport-)Vorteile (Sport-)Nachteile
Kombinierte orale Kontrazeption (COC) – Vorhersehbarkeit der Blutung
– Risiko Thromboembolie (zusätzlich
E2/Gestagen
– Zyklusverschiebung/Langzyklus möglich erhöht bei Dehydratation)*
EE/Gestagen – Zyklusabhängige Beschwerden
– Unterdrückung körpereigener Hormone*
(PMS, Dysmenorrhö, Hypermenorrhö) – Einnahme täglich
– E2/Gestagen gegenüber
– Zeitfenster bei Zeitverschiebung
EE/Gestagen: Anstieg SHBG
– Appetit*
freie männliche Hormone
– Effekt zyklusbasiertes Training*
– Wirkung bei Diarrhö/Erbrechen
Vaginalring
– Wie COC
– Wie COC (* markierte)
– Keine tägliche Einnahme
– Einfacher bei Zeitverschiebung
Pflaster
– Wie COC
– Wie COC (* markierte)
– Keine tägliche Einnahme
– Ungeeignet bei häufigem
– Einfacher bei Zeitverschiebung
Schwitzen/Schwimmen
Gestagen-Pille
– Möglich bei erhöhtem
– Zwischenblutungen möglich**
Thromboembolie-Risiko
– Einnahme täglich
– Dysmenorrhö
– Zeitfenster bei Reisen
– Blutungsstärke bis Amenorrhö
– Wirkung bei Diarrhö/Erbrechen
– Appetit**
– Effekt/erschwerte Durchführbarkeit
zyklusbasiertes Training (Zyklusphase bei
fehlender Blutung unklar)**
Verhütungsstäbchen
– Wie Gestagen-Pille
– Wie Gestagen-Pille (** markierte)
– Keine tägliche Einnahme
– Längerfristige Kontrazeption
Hormonspirale
– Wie Gestagen-Pille
– Wie Gestagen-Pille (** markierte)
– Keine tägliche Einnahme
– Längerfristige Kontrazeption
Kupferspirale
– Kein Einfluss auf Hormone
– Blutungsstärke, Dysmenorrhö
– Längerfristige Kontrazeption
Kondom
– Schutz vor Geschlechtskrankheiten
– Pearl-Index
– Kein Einfluss auf Hormone
den, zeigten vier bei den CHC-Anwenderinnen eine verzögerte Erholung und/oder ein erhöhtes Level von laborchemischen Parametern, welche auf einen Muskelschaden hinweisen. Aufgrund methodischer Mängel ist auch hier das Evidenzlevel tief. Bei der Forschung, welche die CHC betreffen, muss bemängelt werden, dass die Studien oft älter sind und somit Pillen verwendet wurden, welche eine höhere EE-Dosis enthalten als die heutzutage üblichen 20 bis 30 mcg. Auch wurden teils Frauen miteinander verglichen, die verschiedene CHC-Präparate einnahmen, womit die unterschiedlichen pharmakokinetischen Eigenschaften der verschiedenen Gestagene nicht beachtet werden konnten.
Ungenügende Evidenz – wie können wir die Frauen beraten? Basierend auf der aktuellen Datenlage können keine allgemeingültigen Empfehlungen gegeben werden. Immer wieder hört man, dass wegen eines möglichen negativen Einflusses auf die Leistungsfähigkeit den
Sportlerinnen von hormonellen Verhütungsmitteln abgeraten wird. Hierzu fehlt die wissenschaftliche Grundlage. Mögliche Kontraindikationen und die Verträglichkeit der hormonellen Verhütung wie auch die Symptome im Menstruationszyklus sind von Frau zu Frau unterschiedlich. Diese sollten vor der Verschreibung genau eruiert werden. Bei starken menstruationsabhängigen Beschwerden wie Dysmenorrhö oder Hypermenorrhö macht eine vorgängige Diagnostik und falls nötig ursachenspezifische oder ergänzende Therapie Sinn (z. B. bei Endometriose, Polyp, Myom). Gerade Frauen mit zyklusbedingtem Leidensdruck können von einer hormonellen Antikonzeption profitieren. In einer Umfrage von 2018 wurden von Athletinnen insgesamt häufiger positive als negative Effekte der Pille angegeben. Geschätzt wird insbesondere auch die Möglichkeit, die Menstruation zu verschieben (7). Alternativ oder ergänzend sollten auch nichthormonelle Behandlungsmöglichkeiten zyklusabhängiger Beschwerden besprochen werden. Beim PMS kann ein pflanzliches Produkt wie Mönchspfeffer helfen.
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Leidet die Athletin an Wassereinlagerungen, können Kompressionssocken und ein gut sitzender Sport-BH empfohlen werden. In der Tabelle sind die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verhütungsmittel im Hinblick auf die körperliche Leistungsfähigkeit zusammengefasst. Ergänzend sei erwähnt, dass CHC auch im Langzyklus (off-label) eingenommen werden können, um eine weitere Reduktion zyklusabhängiger Beschwerden zu erreichen. Wie in der Tabelle aufgeführt, können Gestagene zu eine Appetitzunahme führen, was besprochen und antizipiert werden soll. Gerade bei Sportarten mit Gewichtslimiten (Unteridealgewicht) kann eine befürchtete Gewichtszunahme zu einer Ablehnung einer hormonellen Antikonzeption führen. Gemäss S3-Richtlinien gab es unter einer hormonellen Kontrazeption nach Einschluss von 49 klinischen Studien jedoch keine signifikante Gewichtszunahme (9).
Weitere Aspekte zu Hormonen und Sport
Amenorrhö Bei Amenorrhö im Rahmen eines RED-S (= Relatives Energiedefizit-Syndrom), sollte primär das Grundproblem angegangen werden. Die alleinige Gabe einer Pille zum Wiedererreichen von Blutungen löst das Problem nicht. Bezüglich Knochengesundheit ist eine transdermale Gabe von Östrogen (mindestens 50 ug, besser 75 ug) zusammen mit einer Gestagen-Anwendung (je nach Verhütungswunsch z. B. in Form einer Mirena®-Spirale) ideal.
Gemäss Swissdoping verbotene Substanzen Solange man sich an die vorliegenden Zulassungen für die Anwendung der hormonellen Kontrazeptiva hält (Dosierung, Verabreichungsweg), besteht kein Konflikt mit Antidopingregeln. Bei anderen oft durch Gynäkologen/-innen verschriebenen Medikamenten ist Vorsicht geboten. Nicht erlaubte Substanzen sind: Aromatasehemmer, Selektive Estrogenrezeptormodulatoren (SERM), Testosteron und andere Substanzen mit ähnlicher chemischer Struktur oder biologischer Wirkung – auch nicht zur Substitution eines Mangels (11).
Natürlich hohe Testosteronwerte, Transfrauen Top-Athletinnen weisen häufiger natürlich hohe Testosteronwerte auf, was ein Vorteil im Hinblick auf die körperliche Leistungsfähigkeit sein kann. Zugrunde liegt meist ein polyzystisches Ovarsyndrom. Selten können auch Varianten der Geschlechtsentwicklung
mit männlichem Chromosomensatz ursächlich sein. Als Beispiel kann Caster Semenya genannt werden, eine erfolgreiche Mittelstreckenläuferin mit XY-Chromosomen und einem 5a-Reduktase-2-Mangel. Eine Festlegung eines Grenzwertes für Testosteron, um faire Wettkampfbedingungen zu schaffen, wird aktuell kontrovers diskutiert. Auch den Umgang mit Transfrauen stellt Sportorganisationen vor Herausforderungen. Das internationale olympische Komitee hat eine Stellungnahme (12), jedoch ohne konkrete Lösungsstrategie, verfasst. Demnach soll einerseits eine Diskriminierung oder der kategorische Ausschluss von Transgender-Athleten vermieden werden, andererseits sollen unfaire Vorteile gegenüber Mitathleten verhindert werden. Diese Erklärung soll internationalen Sportorganisationen als Richtlinie für den Aufbau eigener Regelwerke dienen.
Erwartungen an die zukünftige
Forschung
In der Erforschung des Einflusses von weiblichen
Hormonen auf die körperliche Leistungsfähigkeit be-
darf es unbedingt eines einheitlichen methodischen
Vorgehens (13). Einen Vorschlag, wie z. B. die Zyklus-
phasen korrekt und einheitlich definiert und anhand
von Laborwerten korrekt objektiviert werden können,
geben Janse de Jonge und Kollegen in ihrem Artikel
(14).
Mehr Studien an Athletinnen mit konstantem Trai-
ningslevel wären wünschenswert. Damit würden die
Resultate der Leistungstests weniger durch kurzfris-
tige Trainingseffekte beeinflusst und könnten zu aus-
sagekräftigeren Resultate führen.
Bei der Erforschung des Einflusses der hormonellen
Verhütungsmittel braucht es Studien zu Präparaten,
welche aktuell verschrieben werden. Zudem wären
Studien, welche den Einfluss der verschiedenen Ges-
tagene – speziell denen mit androgener versus anti-
androgener Partialwirkung – sehr interessant und
wichtig für die Beratung der Frauen.
n
Dr. med. Nathalie Werth-Bergsma Dr. med. Lea Schumpf
PD Dr. med. Alexandra Kohl Schwartz (Korrespondenzadresse) E-Mail: alexandra.kohlschwartz@luks.ch Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16
Interessenkonflikte: keine
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Quellen: 1. Sims T.: «ROAR»: How to match your food and fitness to your female physiology for optimum performance, great health and a strong, lean body for life. 2016. Verlag Rodale. ISBN-10: 1623366860. 2. Costello JT, Bieuzen F, et al.: Where are all the female participants in sports and exercise medicine research? Eur J Sport Sci. 2014;14(8):847-851. doi: 10.1080/17461391.2014.911354. Epub 2014 Apr 25. PMID: 24766579. 3. McNulty KL, Elliott-Sale K, et al.: The effects of menstrual cycle phase on exercise performance in eumenorrheic women: a systematic review and meta-analysis. Sports Med 2020;50:1813-1827. doi: 10.1007/s40279-020-01319-3. 4. Schumpf LF and Braun C, et al.: The influence of the menstrual cycle and hormonal contraceptives on cardiorespiratory fitness in physically active women: a systematic review and meta-analysis. Heliyon 2023. doi: 10.1016/j.heliyon.2023.e17049 5. Thompson B, Almarjawi A, et al.: The effect of the menstrual cycle and oral contraceptives on acute responses and chronic adaptations to resistance training: a systematic review of the literature. Sports Med 2020;50:171-185. 6. Alentorn-Geli E, Myer GD, et al.: Prevention of non-contact anterior cruciate ligament injuries in soccer players. Part 1: Mechanisms of injury and underlying risk factors. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2009 Jul;17(7):705-729. doi: 10.1007/s00167-009-0813-1. Epub 2009 May 19. PMID: 19452139. 7. Martin D, Sale C, et al.: Period prevalence and perceived side effects of hormonal contraceptive use and the menstrual cycle in elite athletes. Int J Sports Physiol Perform. 2018;13(7): 926-932. doi: 10.1123/ijspp.2017-0330. 8. Elliott-Sale KJ, McNulty KL, et al.: The effects of oral contraceptives on exercise performance in women: a systematic review and meta-analysis. Sports Med 2020;50:1785-1812. doi: 10.1007/s40279-020-01317-5. 9. DGGG/OEGGG/SGGG, S3-Leitlinie Hormonelle Empfängnisverhütung, Version 4.2, 01.08.2019, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-015 10. Matter S, Neuenschwanger M.: Zyklus und Leistungssport. Sems-Journal, 2020. doi: 10.34045 11. Swiss sport integrity, Dopingliste 2023. https://sportintegrity.ch/sites/default/ files/dopingliste_2023_de.pdf 12. IOC Framework on fariness, inclusion and non-disrimination on the basis of gender identity and sex variations. 2021 13. Elliott-Sale KJ, Minahan CL, et al.: Methodological considerations for studies in sport and exercise science with women as participants: A working guide for standards of practice for research on women. Sports Medizine (2021) 51:843-861. https:// doi.org/10.1007/s40279-021-01435-8 14. Janse de Jonge X, Thompson B, et al.: Methodological recommendations for menstrual cycle research in sports and exercise. Med Sci Sports Exerc 2019;51:2610.2617. doi: 10.1249/mss.0000000000002073.
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