Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause (SGEM)
Das Positionspapier der NAMS zur Hormonersatztherapie 2022
Hintergrund: Die North American Menopause Society (NAMS) hat 2022 ihr Positionspapier von 2017 überarbeitet. Im Folgenden werden einige wichtige Aspekte genannt und das Statement kommentiert.
Zusammenfassung n Die Hormonersatztherapie (HRT)
bleibt der Goldstandard zur Behandlung von menopausalen Hitzewallungen. n Das Brustkrebsrisiko im Zusammenhang mit einer Östrogen-Gestagen-Therapie ist gering, wobei Schätzungen auf ein seltenes Ereignis hindeuten (≤ 1 zusätzlicher Fall pro 1000 Frauen pro Jahr HRT oder 3 zusätzliche Fälle pro 1000 Frauen bei 5 Jahren Kombinationstherapie mit konjugierten equinen Östrogenen und Medroxyprogesteronacetat). (Evidenzlevel I) n Die Frauen sollten über das Brustkrebsrisiko unter Östrogen-GestagenTherapie aufgeklärt werden, wobei die Daten zu relativieren sind und das Risiko ähnlich demjenigen von modifizierbaren Risikofaktoren (wie 2 alkoholischen Drinks pro Tag, Adipositas und geringer körperlicher Aktivität) ist. (Evidenzlevel III) n Die überwiegende Zahl der Studiendaten zeigt keinen additiven Effekt des zugrunde liegenden Brustkrebsrisikos (durch die Faktoren Alter, familiäre Brustkrebsbelastung, genetisches Brustkrebsrisiko, gutartige Brusterkrankungen, persönliche Brustkrebsrisikofaktoren) und der Anwendung einer HRT auf die Brustkrebsinzidenz. (Evidenzlevel II) n Es gibt Hinweise, dass die antidepressive Wirkung von Östrogenen ähnlich stark ist wie diejenige von Antidepressiva, wenn sie depressiven Frauen in der Perimenopause mit oder ohne Hitzewallungen verabreicht werden. (Evidenzlevel II) n Eine Östrogentherapie ist unwirksam bei der Behandlung von depressiven
Störungen bei postmenopausalen Frauen. (Evidenzlevel II) n Transdermales Estradiol mit sequenziellem, mikronisiertem Progesteron kann depressiven Symptomen bei euthymischen Frauen in der Perimenopause vorbeugen. (Evidenzlevelevel II). n Östrogene können das klinische Ansprechen auf Antidepressiva bei Frauen in der Lebensmitte und bei älteren Frauen steigern. (Evidenzlevel III) n Eine HRT muss nicht routinemässig abgesetzt werden bei Frauen, die älter als 60 oder 65 Jahre sind. (Evidenzlevel III)
Bei Frauen, die mehr als 10 bis 20 Jahre nach der Menopause oder nach dem 60. Lebensjahr mit einer HRT beginnen, scheint das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstiger zu sein als bei jüngeren Frauen, da das absolute Risiko für koronare Herzerkrankung (KHK), Schlaganfall, venöse Thromboembolie (VTE) und Demenz höher ist.
Kommentar
Die NAMS-Guidelines 2022 richten die HRT-Dosis am Therapieziel aus und definieren kein Alter für die Beendigung einer HRT. Sie zeigen «neue» Vorteile einer HRT auf (z. B. für das Auge, die Haut, den Gleichgewichtssinn) und relativieren die Nachteile einer HRT stärker im Vergleich zu den Vorteilen. Sie halten fest: «Bei gesunden symptomatischen Frauen im Alter < 60 Jahre oder innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause sollten die günstigen Auswirkungen einer HRT auf KHK und die Gesamtmortalität gegen eine mögliche seltene Erhöhung des Risikos für Brustkrebs, VTE und Schlaganfall abgewogen werden.» (Evidenzlevel I)
Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin der SGEM, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert im Turnus mit Kolleg*innen kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und teilweise kontrovers diskutierten Themen.
Kommentiertes Position: The 2022 Hormone Therapy Position Statement of The North American Menopause Society Advisory Panel: The 2022 hormone therapy position statement of The North American Menopause Society. Menopause 2022 Jul 1;29(7):767-794.
Gemäss dem Positionspapier der British Menopause Society 2020 lässt sich im Hinblick auf ältere Frauen ergänzen: «Wenn eine HRT bei Frauen im Alter > 60 Jahre eingesetzt werden soll, sollte mit niedrigeren Dosen begonnen werden, vorzugsweise mit einer transdermalen Verabreichung von Estradiol. Die Cochrane-Datenanalyse und die Langzeit-Follow-up-Daten der WHI-Studie haben gezeigt, dass bei Frauen, die mehr als 10 Jahre nach der Menopause mit der HRT begonnen haben, kein Anstieg der kardiovaskulären Ereignisse, der kardiovaskulären Mortalität oder der Gesamtmortalität zu verzeichnen war» (1). n
Prof. Dr. med. Petra Stute Herausgeberin der SGEM-Newsletter Universitätsfrauenklinik, Inselspital Bern E-Mail: petra-stute@insel.ch Internet: www.meno-pause.de
Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenz: 1. Hamoda H, Panay N, Pedder H, Arya R, Savvas M.: The British Menopause Society & Women›s Health Concern 2020 recommendations on hormone replacement therapy in menopausal women. Post Reprod Health. 2020 Dec;26(4):181-209. doi: 10.1177/2053369120957514. Epub 2020 Oct 12. PMID: 33045914.
32 GYNÄKOLOGIE 5/2022