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BERICHT
Atopische Dermatitis
Was tun in Schwangerschaft und Stillzeit?
Patientinnen mit schwerer atopischer Dermatitis (AD) benötigen auch in der Schwangerschaft eine Therapie. Ein Positionspapier gibt Dermatologen eine Richtlinie für die Therapieauswahl, die jedoch immer individuell zugeschnitten sein muss.
Ungefähr die Hälfte aller AD-Patienten sind weiblich, viele von ihnen im gebärfähigen Alter. Die AD ist die häufigste Hauterkrankung während der Schwangerschaft (1). Zu einer Verschlechterung des Hautbildes kommt es meistens im zweiten und dritten Trimester – die Ursache ist nur unzureichend geklärt. Einerseits könnte die Tatsache, dass in der Schwangerschaft eine Th2-betonte Immunantwort vorliegt, dafür verantwortlich sein. Diese reduziert eine Immunantwort gegen den Fetus, welcher sich bezüglich der Antigene von seiner Mutter unterscheidet (2). Andererseits kann der körperliche und psychische Stress während der Schwangerschaft eine bestehende AD verschlimmern (3).
Die Behandlung in der Schwangerschaft und Stillzeit wird häufig vergessen oder sogar vermieden, dabei gilt, dass die Schwangerschaft keine Kontraindikation für eine Behandlung per se darstellt, sondern vielmehr einen Zustand, der besondere Sorgfalt bei der Therapieauswahl und Überwachung erfordert. «Es gibt keine Standardlösung («one size fits all») für alle Patientinnen», betonte Prof. Christian Vestergaard, Aarhus Universitätsklinik (Dänemark). Besonders bei Frauen mit Kinderwunsch sowie während der Schwangerschaft oder Stillzeit, gestaltet sich die Behandlung oft
KURZ UND BÜNDIG
• Bei schwangeren oder stillenden Frauen ist eine Untertherapie verbreitet.
• In Schwangerschaft und Stillzeit gibt es keine Standardlösung für alle Patientinnen: Entscheidend ist eine individuelle Therapie.
• Das ETFAD-Positionspapier bietet fundierte Empfehlungen für alle Phasen rund um die Schwangerschaft.
• Die topische Therapie mit Kortikosteroiden und Tacrolismus gilt als sicher in Schwangerschaft und Stillzeit.
• Ciclosporin A ist Systemtherapie der ersten Wahl bei schwerer AD.
• Dupilumab ist vermutlich sicher, aber die Datenlage ist dünn.
• Methotrexat, Mycophenolatmofetil, und sämtliche JAKInhibitoren sind kontraindiziert.
schwierig. Aus der Literatur ist bekannt, dass ungefähr ein Sechstel der AD-Patientinnen angibt, aufgrund ihrer Erkrankungen weniger Kinder bekommen zu haben. Dies verdeutlicht nach Ansicht von Prof. Vestergaard wie wichtig es ist, Frauen mit schwerer AD, die schwanger werden möchten, gezielt zu beraten und zu behandeln.
Der Dermatologe ist hier ein wesentlicher Ansprechpartner. Die meisten Frauen mit AD und einem Kinderwunsch suchen das Gespräch und fragen ihn um Rat. «Um den Kollegen hier eine Richtschnur an die Hand zu geben, entschlossen wir uns, ein Positionspapier über AD in Schwangerschaft und Stillzeit zu schreiben», erklärte Prof. Vestergaard (4). Um ausreichend Daten für die Empfehlungen zu erhalten, wurden Erkenntnisse von anderen vulnerablen Gruppen wie Organtransplantatempfängerinnen und Patientinnen mit Lupus erythematodes extrapoliert.
Topische Kortikosteroide sicher in allen Phasen der Schwangerschaft Frauen mit schwerer AD und Kinderwunsch sollten frühzeitig, das heisst vor der Konzeption, dermatologisch beraten werden. Topische Kortikosteroide (TCS) können vor der Konzeption ohne Einschränkung eingesetzt werden. Die Datenlage zu TCS in der Schwangerschaft ist gut: Es gibt eine Cochrane-Übersichtsarbeit von 14 Studien. Hier zeigte sich keine Assoziation mit vorzeitiger Geburt, Geburtsdefekten, niedrigem Geburtsgewicht oder niedrigen APGARWerten bei Säuglingen (5). TCS der Klasse 1 wie z.B. Hydrocortisonacetat sind meist nicht ausreichend stark wirksam. Doch mittelstark wirksame TCS (entsprechend Klasse II, z.B. Clobetasonbutyrat oder Triamcinolonacetonid) und stark wirksame TCS (entsprechend Klasse III, z.B. Mometasonfuroat) können also auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Falls der Gebrauch die Menge von 200g Creme pro Monat überschreitet, sollte eine zusätzliche UV-Behandlung erwogen werden. Hochpotente Wirkstoffe sind allenfalls als «Rescue-Therapie» über kurze Zeiträume empfehlenswert, der Einsatz von Fluticason sollte gänzlich unterbleiben. Bei stillenden Frauen sollte darauf geachtet werden, dass die Präparate sofort nach dem Stillen aufgetragen werden und die Brustwarzen gereinigt werden, ehe die Säuglinge angelegt werden. Tacrolimus als Creme gilt auch als sicher, da es
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Quelle: adaptiert nach Ch. Vestergaard
auch bei Transplantatempfängern eingesetzt werden kann. Zu topischen Antiseptika und Antibiotika gibt es nur sehr wenige Daten, sie gelten aber ebenfalls als sicher. Lediglich Triclosan wird nicht empfohlen, da es beim Versuchstier den Östrogenhaushalt beeinflusst. Zudem gelten Aminoglykoside als möglicherweise oto- und nephrotoxisch für den Fetus. Die UV-Therapie gilt dagegen als sicher.
Behandlung von Schwangeren mit AD
• Methrotrexat • Mycophenolatmofetil • (JAk-Inhibitoren – keine Daten) • Pimecrolimus
Systemtherapien: Absolute Kontraindikation für Methotrexat und MMF Methotrexat ist in der Schwangerschaft kontraindiziert und sollte bei Frauen mit Kinderwunsch bereits sechs Monate vor der Konzeption abgesetzt werden, bei Männern drei Monate vor der erwünschten Konzeption. Bei Mycophenolat Mofetil (MMF) genügt bei Männern und Frauen ein Abstand von drei Monaten zur erwünschten Konzeption. Auch in Schwangerschaft und Stillzeit besteht für diese Substanzen eine absolute Kontraindikation. Azathioprin kann als Option für die Systemtherapie in Betracht gezogen werden, bei Schwangeren jedoch nur, wenn keine anderen Optionen vorliegen. Ausserdem sollte die Therapie nicht in der Schwangerschaft initiiert werden. Frauen, die Azathioprin einnehmen, können stillen, allerdings sollte die Milch verworfen werden, die innerhalb von 4 h nach der Einnahme produziert wird.
Ciclosporin A wird bei strenger Indikationsstellung und engmaschiger Kontrolle als systemische Therapie der ersten Wahl empfohlen, wenn eine längerfristige Krankheitskon trolle erforderlich ist. Auch in der Stillzeit kann es eingesetzt werden. Systemische Kortikosteroide können vor der Konzeption bei akuten Exazerbationen zum Einsatz kommen oder auch zur Überbrückung der Zeit, bis die Wirksamkeit von Systemtherapien oder biologischen Therapien einsetzt – stets in der niedrigsten noch effektiven Dosis.
Auch in der Schwangerschaft sind systemische Kortikosteroide bei schweren Schüben eine Option. Sie können für zwei bis drei Wochen eingesetzt werden, die Dosierung sollte möglichst niedrig sein und 0,5 mg/kg/Tag nicht überschreiten. Prednisolon wird als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Auch bei stillenden Frauen sind orale Kortikosteroide als Rescue-Medikation möglich.
Schlechte Datenlage für moderne Medikamente Für Dupilumab liegen noch keine ausreichenden Sicherheitsdaten vor, weshalb es nicht ausdrücklich empfohlen wird. In einzelnen Fällen, bei besonders schwerer Erkrankung und nach Aufklärung, kann es nach aktueller Expertenmeinung jedoch erwogen werden. Immerhin ist eine Metaanalyse publiziert, in die 115 Frauen mit einer mittleren Expositionszeit gegenüber Dupilumab von 27,52 Wochen eingeschlossen wurden (6). In dieser Gruppe gab es keine spontanen Aborte, fetalen Missbildungen oder Fehlgeburten. «Daher ist Dupilumab wahrscheinlich sicher. Sie können es einsetzen, müssen es aber mit der Patientin diskutieren», erklärte Prof. Vestergaard. JAK-Inhibitoren wie Upadacitinib oder Abrocitinib sind aufgrund der fehlenden Datenlage kontraindiziert.
• Azathioprin • (Dupilumab)
• Cyclosporin • Kortikosteroide (systemisch und topisch) • Tacrolimus • Feuchtigkeitscremes
Auch in der Stillzeit wird Dupilumab nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung empfohlen; JAK-Inhibitoren bleiben kontraindiziert.
Zahlreiche Schwangerschaften ereignen sich ungeplant. Das Wichtigste ist, dass AD-Patientinnen gut informiert sind: Im Fall einer Behandlung mit MMF, MTX oder JAK-Inhibitoren sollten Frauen unbedingt eine effektive Kontrazeption vornehmen. Tritt eine Schwangerschaft ungeplant ein, müssen diese Medikamente sofort gestoppt und topische Behandlungen intensiviert werden. Zudem sollten die Betroffenen an einen Gynäkologen oder ein teratologisches Informationszentrum überwiesen werden.
Susanne Kammerer
Quelle: «AD: Disease management of women in childbearing age», Vortrag von Ch. Veestergard am 3. Juli 2025 im Rahmen des SPIN in Paris.
Referenzen: 1. Koutroulis I et al.: Atopic dermatitis in pregnancy: current status and
challenges. Obstet Gynecol Surv. 2011;66:654–63. 2. Wilder RL: Hormones, pregnancy, and autoimmune diseases. Ann N Y
Acad Sci. 1998;840: 45–50. 3. Pavlis J et al.: Management of itch in atopic dermatitis. Am J Clin
Dermatol 2018; 19(3):319–322. 4. Vestergaard C et al.: European task force on atopic dermatitis position
paper: treatment of parental atopic dermatitis during preconception, pregnancy and lactation period. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2019;33(9):1644–1659. 5. Chi CC et al.: Safety of topical corticosteroids in pregnancy. Cochrane Database Syst Rev. 2015;10:CD008239. 6. Sánchez-Garcia V et al.: Safety of dupilumab therapy for atopic dermatitis during pregnany: a systematic reveiw and metaanalysis. Acta Derm Venereol 2025:105:adv41307.
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