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JAK-Inhibitoren in der Rheumatologie
Januskinase (JAK)-Inhibitoren sind hocheffektive und einfach zu verabreichende Medikamente zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Wegen erhöhter kardiovaskulärer und thromboembolischer Risiken sowie höheren Malignominzidenzen bestehen jedoch nach wie vor Warnhinweise. Am Jahrestreffen der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR) gab Prof. Dr. med. Diego Kyburz vom Unispital Basel einen ausführlichen Überblick zur aktuellen Studienlage.
Bereits seit 2013 ist der Januskinasen(JAK)-Inhibitor Tofacitinib zur Behandlung der Rheumatoiden Arthritis (RA) in der Schweiz zugelassen, «so ganz neu ist diese Medikamentenklasse damit nicht mehr», erklärte an der SGR-Tagung in Interlaken Prof. Dr. Diego Kyburz, Basel. Trotzdem sei das Wirkprinzip im Vergleich zu allen anderen schon etwas Besonderes. Denn JAK-Inhibitoren wirken nicht wie die Biologika ausserhalb der Zelle, sondern intrazellulär.
Signalunterbrechung innerhalb der Zelle Der JAK-Signalweg spielt eine Schlüsselfunktion bei chronisch entzündlichen Erkrankungen, die durch Zytokine vorangetrieben werden. Durch das extrazelluläre Andocken eines Zytokins an seinen Rezeptor werden die entsprechenden Januskinasen und damit die folgenden Signalkaskaden aktiviert. JAK-Inhibitoren setzen sich an die ATP-Bindungsstelle dieser Rezeptoren innerhalb der Zelle. Dadurch wird das Signal, neue entzündliche Zytokine zu generieren, unterbrochen. Bis heute kennt man vier unterschiedliche Januskinasen (JAK 1, JAK 2, JAK 3 plus Tyk 2), die in unterschiedlichen Kombinationen an den Rezeptoren angelagert sind.
Höhere Ansprechraten im Vergleich zu Adalimumab «JAK-Inhibitoren sind den Biologika von ihrer Wirksamkeit nicht nur ebenbürtig, sondern teilweise sogar überlegen», erklärte Prof. Kyburz. So zeigte Baricitinib im Vergleich zu
Tabelle: Derzeit in der Schweiz zugelassene JAK-Inhibitoren*
Rheumatoide Arthritis • Tofacitinib (Xeljanz®) • Baricitinib (Olumiant®) • Upadacitinib (Rinvoq®) Psoriasisarthritis • Tofacitinib (Xeljanz®) • Upadacitinib (Rinvoq®) Ankylosierende Spondylitis • Tofacitinib (Xeljanz®) • Upadacitinib (Rinvoq®)
Colitis ulzerosa • Tofacitinib (Xeljanz®) • Upadacitinib (Rinvoq®)
Morbus Crohn • Upadacitinib (Rinvoq®)
Riesenzellarthritis • Upadacitinib (Rinvoq®)
Quelle: nach Kyburz, Stand September 2025.
Adalimumab in einer Phase-III-Studie (RA BEAM) bei RAPatienten, die resistent auf konventionelle synthetische Basismedikamente (csDMARD) reagierten, nach 12 und 52 Wochen signifikant bessere ACR20- als auch DAS28-CRPAnsprechraten (1). Ähnlich positive Ergebnisse konnten bei csDMARD-resistenten RA-Patienten mit Upadacitinib gegenüber Adalimumab beobachtet werden (SELECT Compare), berichtete der Rheumatologe (2). JAK-Inhibitoren wurden auch in anderen Indikationen zugelassen. So war Tofacitinib gegenüber dem Vergleichsmedikament Adalimumab bei Patienten mit Psoriasisarthritis zumindest ebenbürtig (3). In der Schweiz sind gegenwärtig drei JAK-Inhibitoren zugelassen, weitere befinden sich in klinischer Prüfung. Neu ist die Zulassung von Upadacitinib für die Riesenzellarthritis (Tabelle).
Studienlage uneinheitlich Zu einer gewissen Ernüchterung kam es, als am amerikanischen Rheumatologenkongress im Jahr 2021 die mittlerweile gut bekannte ORAL-Surveillance-Studie präsentiert wurde (4). In der Studie wurden Patienten mit aktiver RA entweder mit Tofacitinib 5 mg, 10 mg oder mit einem TNFHemmer behandelt. Die Teilnehmer mussten 50 Jahre oder älter sein und mindestens einen kardiovaskulären Risikofaktor wie beispielsweise Nikotinkonsum (50%), arterielle Hypertonie (66%) oder Diabetes (17%) aufweisen. Tatsächlich zeigte die Auswertung, dass das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse unter dem Einfluss von Tofacitinib erhöht war. Anders ausgedrückt: Man musste 567 Patienten über ein Jahr mit dem JAK-Inhibitor behandeln, um im Vergleich zum TNF-Inhibitor ein zusätzliches kardiovaskuläres Ereignis auszulösen. Auch das Risiko für Malignome war in der Tofacitinib-Gruppe gegenüber TNF-Hemmern erhöht. Die genauere Analyse der Ergebnisse zeigte, dass das Malignomrisiko und das Risiko für Myokardinfarkt und tiefe Venenthrombosen vor allem vom Alter (> 65 Jahre) und dem Raucherstatus bestimmt wurden. So entsprach bei jüngeren Patienten (< 65 Jahre) und bei Personen, die nie geraucht hatten, das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse etwa dem der TNF-Inhibitor-Behandelten (5). In einer Analyse der «low risk»-Population (nie Raucher, Alter < 65 Jahre) zeigte sich denn auch, dass das Risiko für Malignome, Herzinfarkt und tiefe Venenthrombosen sich nicht von dem
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der TNF-Behandelten unterschied (5). «Die Risikofaktoren spielten hier eine entscheidende Rolle», so Kyburz.
Aktuelle Schweizer «JAK-pot Studie» Ganz neu ist die am EULAR in Barcelona präsentierte «JAKpot Studie» zum Krebsrisiko von mit JAK-Inhibitoren behandelten RA-Patienten. In der unter Schweizer Federführung realisierten grossen internationalen Real-World-Studie wurden die Daten von über 25'000 RA-Patienten analysiert, die entweder mit JAK-Hemmern (n = 12916) oder TNF-Inhibitoren (n = 12916) behandelt worden waren (6). Dabei kamen auf der einen Seite Tofacitinib (29%), Baricitinib (38%), Upadacitinib (26%) und Filgotinib (7%) und auf der anderen Seite Etanercept (34%), Adalimumab (35%), Golimumab (9%), Certolizumab (9%), Infliximab (5%) und «nicht weiter spezifizierte TNF-Hemmer» (8%) zum Einsatz. Dabei zeigte sich kein erhöhtes Krebsrisiko unter den JAK‑Inhibitoren, und zwar sowohl für die Gesamtpopulation als auch für Hochrisikopatienten. Auch hinsichtlich des Auftretens von grossen kardiovaskulären Ereignissen (MACE) konnten keine Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffgruppen festgestellt werden (7). Die Studie war in ähnlicher Weise wie ORAL-Surveillance konzipiert worden, behandelt wurde allerdings nicht nur mit Tofacitinib, sondern mit vier unterschiedlichen JAK-Inhibitoren. In einer sehr grossen Metaanalyse von 62 Studien (darunter ORAL Surveillance) mit 80 000 Patienten unter JAK-Inhibitoren zeigte sich hinsichtlich des Melanomrisikos wiederum ein etwas anderes Bild (8). Das Krebsrisiko war zwar im Vergleich zu den mit TNF-Inhibitoren Behandelten etwas erhöht, nicht jedoch gegenüber Plazebo. Interessanterweise war das Risiko, ein Melanom zu entwickeln, bei TNF-Inhibitor-Behandelten gegenüber Plazebo sogar vermindert.
Individualisierte Risikoabschätzung vor JAK-Inhibitoren-Einsatz Immer noch gelten die Warnhinweise für den Einsatz von JAK-Inhibitoren. Demnach sollte man vor dem Einsatz dieser Medikamente eine individualisierte Risikoabschätzung durchführen. Dabei sollten vor allem das Alter (> 65 Jahre), der Raucherstatus, kardiovaskuläre Risikofaktoren, Risiken für thromboembolische Ereignisse und Risikofaktoren für Malignome beachtet und mit dem Nutzen einer möglichen JAK-Therapie abgewogen werden (9). Zu beachten sei aber auch, dass eine Rheumatoide Arthritis per se das kardiovaskuläre Risiko deutlich erhöhe und dies mit dem kardiovaskulären Risiko einer Diabetes-mellitus-Erkrankung zu vergleichen sei, sagte Prof. Kyburz (10). Durch eine adäquate RA-Therapie mit Biologika, JAK-Inhibitoren oder sogar Methotrexat könnten solche Risiken signifikant reduziert werden (11). So sei bei einer optimalen Krankheitskontrolle das kardiovaskuläre Risiko von Rheumapatienten sogar mit dem der Normalbevölkerung vergleichbar. Auch mit GLP1-Agonisten lässt sich das kardiovaskuläre Risiko senken. In einer am diesjährigen EULAR vorgestellten Studie wurden 2449 Risiko-Patienten mit RA (> 40 Jahre) mit JAK-Inhibitoren
behandelt, die Hälfte von ihnen erhielt zusätzlich einen GLP1Agonisten (12). Nach fünf Jahren hatten 7,9% der Patienten in der Mono-JAK-Inhibitoren-Gruppe ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten (akutes Koronarsyndrom, Hirnschlag, akute periphere arterielle Thrombose, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie oder arterielle kardiovaskulären Ereignisse), aber nur 5,3% derer mit zusätzlichem GLP1-Agonisten.
Zukunft für Januskinase-Inhibitoren Wie sieht nun die Zukunft der JAK-Inhibitoren aus? «Ich glaube nicht, dass man die Januskinasen trotz der Daten über ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko in Zukunft abschreiben wird», so Prof. Kyburz. «Wir werden neue JAK- Inhibitoren sehen, zusätzlich zu den bereits zugelassenen. Wir werden auch neue Indikationen für diese Wirkstoffgruppe bekommen, beispielsweise für Lupus erythematodes, Lupusnephritis oder das Sjögren-Syndrom. Auch Kombinationen mit anderen Medikamenten sind möglich. Es wird in Zukunft noch vieles hinzukommen, um die Therapien mit den JAK-Inhibitoren weiter zu optimieren.»
Klaus Duffner
Quelle: JAK-Inhibitoren: Revisited», Vortrag von Prof. Dr. Diego Kyburz, Basel, Session «Therapeutische Herausforderungen» im Rahmen der SGR-Tagung 4.09.2025 in Interlaken
Referenzen: 1. Taylor PC et al.: Baricitinib versus Placebo or Adalimumab in Rheumatoid
Arthritis. N Engl J Med. 2017;376(7):652-662. doi:10.1056/NEJMoa1608345 2. Fleischmann R et al.: Upadacitinib Versus Placebo or Adalimumab in
Patients With Rheumatoid Arthritis and an Inadequate Response to Methotrexate: Results of a Phase III, Double-Blind, Randomized Controlled Trial. Arthritis Rheumatol. 2019;71(11):1788-1800. doi:10.1002/art.41032 3. Mease P et al.: Tofacitinib or Adalimumab versus Placebo for Psoriatic Arthritis. N Engl J Med. 2017;377(16):1537-1550. doi:10.1056/NEJMoa1615975 4. Charles-Schoeman C et al.: Risk of major adverse cardiovascular events with tofacitinib versus tumour necrosis factor inhibitors in patients with rheumatoid arthritis with or without a history of atherosclerotic cardiovascular disease: a post hoc analysis from ORAL Surveillance. Ann Rheum Dis. 2023;82(1):119-129. doi:10.1136/ard-2022-222259 5. Kristensen LE et al.: Identification of two tofacitinib subpopulations with different relative risk versus TNF inhibitors: an analysis of the open label, randomised controlled study ORAL Surveillance. Ann Rheum Dis. 2023;82(7):901-910. doi:10.1136/ard-2022-223715 6. Lauper K et al.: Cancer incidence among rheumatoid arthritis patients treated with JAK-inhibitors compared to bDMARDs: data from an international collaboration of registers (the «JAK-POT» study). OP0232, EULAR 2025 7. Aymon R et al.: Incidence of Major Adverse Cardiovascular Events in Patients With Rheumatoid Arthritis Treated With JAK Inhibitors Compared With Biologic Disease-Modifying Antirheumatic Drugs: Data From an International Collaboration of Registries. Arthritis Rheumatol. 2025;77(9):1194-1204. doi:10.1002/art.43188 8. Russell MD et al.: JAK inhibitors and the risk of malignancy: a meta-analysis across disease indications. Ann Rheum Dis. 2023;82(8):1059-1067. doi:10.1136/ard-2023-224049 9. Smolen JS et al.: EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2022 update. Ann Rheum Dis. 2023;82(1):3-18. doi:10.1136/ard-2022-223356 10. Lindhardsen J et al.: The risk of myocardial infarction in rheumatoid arthritis and diabetes mellitus: a Danish nationwide cohort study. Ann Rheum Dis. 2011;70(6):929-934. doi:10.1136/ard.2010.143396 11. Roubille C et al.: The effects of tumour necrosis factor inhibitors, methotrexate, non-steroidal anti-inflammatory drugs and corticosteroids on cardiovascular events in rheumatoid arthritis, psoriasis and psoriatic arthritis: a systematic review and meta-analysis. Ann Rheum Dis. 2015;74(3):480-489. doi:10.1136/annrheumdis-2014-206624 12. Beltagy A et al.: GLP1 agonists mitigate the risk of cardiovascular events in rheumatoid arthritis patients treated with JAK inhibitors. OP0069, EULAR 2025.
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