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BERICHT
Therapie je nach Phänotyp
Schlafassoziierte Atmungsstörungen
Viele Patienten mit Adipositas leiden an schlafassoziierten Atmungsstörungen. Diese sind mit einer hohen Morbidität und im Fall eines adipositasbedingten chronischen hyperkapnischen Atemversagens auch mit einer erhöhten Mortalität verbunden. Prof. Dr. Esther Irene Schwarz, Pneumologische Klinik, Universitätsspital Zürich, zeigte auf, welche Abklärungen im pneumologischen Schlafzentrum erfolgen und welchen Stellenwert die verschiedenen Überdrucktherapien und die Reduktion der Risikofaktoren haben.
Eine neue Definition der klinischen Adipositas berücksichtigt nicht mehr nur den Body-Mass-Index (BMI), sondern definiert Adipositas als chronische, systemische Erkrankung durch Veränderungen von Geweben und Organen durch zu viel Fettansammlung. Dabei werden auch pulmonale Manifestationen aufgelistet, wie die obstruktive Schlafapnoe (OSA), die schlafbezogenen Atmungsstörungen und die pulmonale Hypertonie (1).
Verschiedene Phänotypen Es gibt verschiedene Formen der schlafassoziierten Atmungsstörungen. Bei Adipositas sind insbesondere die OSA und die schlafassoziierte Hypoventilation als Vorstufe des AdipositasHypoventilations-Syndroms (OHS) häufig (2). Zahlen aus dem Universitätsspital Zürich haben die Häufigkeit der verschiedenen Formen bei etwas über tausend Patienten mit Adipositas erfasst, die im Schlaflabor abgeklärt wurden. Diese wiesen unterschiedliche Grade von Adipositas auf (die Hälfte WHO 1, je ein Viertel WHO 2 und 3). Es fanden sich (1): • bei 77% eine OSA mit einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI)
von ≥ 5/Stunde; dieser Index besagt, wie viele vollständige Atemaussetzer und Hypopnoe-Episoden während einer Stunde Schlaf auftreten, • bei 29% eine schwere OSA mit einem AHI von ≥ 30/Stunde, • bei 21% eine schlafassoziierte Hypoventilation, • bei 8% das Vollbild eines OHS mit längeren und anhaltenden Hypoventilationsepisoden auch im Wachzustand.
Obstruktive Atemstörung Bei der OSA kommt es während des Schlafs zum Kollaps der oberen Atemwege und damit zu einem Stopp des Atemstroms, verbunden mit einer intermittierenden Hypoxämie und Hyperkapnie. Es folgt ein Arousal («Weckreaktion») und die Atmung setzt wieder ein. Dies führt zu einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems, verbunden mit einem Anstieg des Blutdrucks und einer endothelialen Dysfunktion. Die OSA kann das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöhen.
Adipositas-Hypoventilations-Syndrom Einige Patienten haben zusätzlich zur OSA längere nächtliche Phasen mit Hypoventilation. Wenn nachts das Kohlendioxid
(CO2) immer wieder ansteigt, gewöhnt sich das Atemzentrum an ein hohes CO2. Dies kann den Atemantrieb auch im Wachzustand reduzieren, und so kann sich das Vollbild des Adipositas-Hypoventilations-Syndrom entwickeln. Davon betroffene Patienten haben stärkere Symptome als Patienten mit OSA und auch eine höhere Morbidität und Mortalität. Es besteht das Risiko eines Cor pulmonale und einer Rechtsherzinsuffizienz (3). Bei einer chronischen Hyperkapnie müssen andere Ursachen, wie eine schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden.
Tatsächlich haben 10–20% der adipösen Patienten mit einer OSA auch ein OHS. Bei Patienten mit einem OHS weisen 90% eine OSA auf (4–6).
Um diese ungünstige Entwicklung zu verhindern, sollte bei adipösen Patienten immer an eine schlafassoziierte Atmungsstörung gedacht und aktiv danach gesucht werden. Besteht ein Verdacht, ist eine umfassende Abklärung im Schlaflabor angezeigt, um den Phänotyp der Störung festzustellen, damit die richtige Therapie gewählt werden kann (7).
Bei einer schweren OSA und einem Kohlendioxidpartialdruck (paCO2) im Wachzustand von < 7 kPa kommt in der Regel eine nächtliche CPAP(continuous positive airway pressure)-Therapie zum Einsatz. Dies hilft, dass die oberen Atemwege offenbleiben und der Atemstrom nicht unterbrochen wird. Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) sinkt. Die Symptome und auch der Outcome lassen sich stark verbessern (8). Eine nicht invasive Beatmung (NIV) ist effizienter bei einer Hypoventilation ohne schwere OSA oder bei ausgeprägter Hyperkapnie. Es konnte gezeigt werden, dass diese Behandlungen die Symptome reduzieren, die Lebensqualität verbessern sowie Hospitalisierungen und Mortalität reduzieren (9,10).
Adipositas als wichtigster Risikofaktor Adipositas ist oft einer der wichtigsten kausalen Faktoren für die Entwicklung einer OSA, wenn auch nicht der einzige. Eine Gewichtsreduktion ist eine effiziente Massnahme, doch ist es oft schwierig, das Ziel allein mit Lifestyle-Interventionen zu erreichen. Deshalb kommen häufig die bariatrische Chirurgie oder eine medikamentöse Therapie zum Einsatz.
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Veränderungen der OSA nach bariatrischer Chirurgie im Zeitverlauf Eine Studie hat untersucht, wie sich die OSA nach einer bariatrischen Chirurgie verändert hat. Zu Beginn der Studie hatten 92% der Patienten eine schwere OSA, ein Jahr später nur noch ein Drittel, zwei Jahre postoperativ stieg der Prozentsatz jedoch wieder an. Möglicherweise konnte der Gewichtsverlust nicht gehalten werden (11).
Eine Metaanalyse konnte zeigen, dass der Schweregrad der OSA sich umso stärker besserte (gemessen an der Reduktion des AHI), je grösser die Reduktion des BMI war. Dabei waren Studien mit bariatrischer Chirurgie und medikamentöser Behandlung eingeschlossen. Allerdings nahm der Effekt bei einer BMI-Reduktion von über 20% nicht mehr so stark zu. Das weist auch darauf hin, dass zwar die Adipositas die Hauptursache ist, aber weitere Faktoren, wie beispielsweise bestimmte anatomische Charakteristika von Kiefer und oberen Luftwegen, auch eine Rolle spielen können (12).
GLP-1 und OSA Zwei neue doppelblinde, randomisierte und kontrollierte Phase-III-Studien untersuchten die Wirkung von Tirzepatid bei Adipositas und mittelschwerer bis schwerer OSA. Der mittlere AHI betrug 50/Stunde, der BMI 39 kg/m2. Die Teilnehmer der ersten Studie hatten vorher keine CPAP-Therapie, die Teilnehmer der zweiten Studie hingegen schon. In beiden Studien erhielt je die Hälfte der Teilnehmer Tirzepatid oder Plazebo während eines Jahres (13).
In beiden Tirzepatid-Gruppen konnte eine Reduktion des Gewichts um 16–17% erreicht werden, und der AHI sank im Vergleich zu Plazebo wesentlich, um 48% in Studie 1 und um 56% in Studie 2. Auch der systolische Blutdruck und das hochsensitive C-reaktive Protein (hsCRP) waren in den behandelten Gruppen tiefer.
Barbara Elke
Quelle: Zürcher Adipositas-Symposium 13.3.2025: Schlaf-assoziierte Atmungsstörung bei Adipositas – aktuelle Therapieansätze. Prof. Esther Irene Schwarz, Stv. Klinikdirektorin, Klinik für Pneumologie, Leitung Zentrum für Schlafmedizin und Beatmung, Universitätsspital Zürich
Referenzen: 1. Rubino F et al.: Definition and diagnostic criteria of clinical obesity
[published correction appears in Lancet Diabetes Endocrinol. 2025 Mar;13(3):e6. doi:10.1016/S2213-8587(25)00006-3.]. Lancet Diabetes Endocrinol. 2025;13(3):221-262. doi:10.1016/S2213-8587(24)00316-4 2. The AASM International Classification of Sleep Disorders – Third Edition, Text Revision (ICSD-3-TR), American Academy of Sleep Medicine, 2014. https://aasm.org/clinical-resources/internationalclassification-sleep-disorders 3. Mollet M et al.: Obesity and lung volumes, sleep disordered-breathing and respiratory failure – a cross-sectional observational study. Eur Respir J. 2024;64(suppl 68):PA877. doi:10.1183/13993003 congress-2024.PA877 4. Mokhlesi B et al.: Obesity hypoventilation syndrome: prevalence and predictors in patients with obstructive sleep apnea. Sleep Breath. 2007;11(2):117-124. doi:10.1007/s11325-006-0092-8 5. Balachandran JS et al.: Obesity Hypoventilation Syndrome Epidemiology and Diagnosis. Sleep Med Clin. 2014;9(3):341-347. doi:10.1016/j. jsmc.2014.05.007 6. Macavei VM et al.: Diagnostic predictors of obesity-hypoventilation syndrome in patients suspected of having sleep disordered breathing. J Clin Sleep Med. 2013;9(9):879-884. doi:10.5664/jcsm.2986 7. Mokhlesi B et al.: Evaluation and Management of Obesity Hypoventilation Syndrome. An Official American Thoracic Society Clinical Practice Guideline. Am J Respir Crit Care Med. 2019 Aug 1;200(3):e6-e24. 8. Afshar M et al.: The Role of Positive Airway Pressure Therapy in Adults with Obesity Hypoventilation Syndrome. A Systematic Review and Meta-Analysis. Ann Am Thorac Soc. 2020 Mar;17(3):344-360. doi:10.1513/AnnalsATS.201907-528OC 9. Crummy F et al.: Obesity and the lung: 2. Obesity and sleep-disordered breathing. Thorax. 2008;63(8):738-746. doi:10.1136/thx.2007.086843 10. Borel JC et al.: Long-term adherence with non-invasive ventilation improves prognosis in obese COPD patients. Respirology. 2014;19(6):857-865. doi:10.1111/resp.12327 11. Messineo L et al.: Obstructive sleep apnea and obesity: A review of epidemiology, pathophysiology and the effect of weight-loss treatments. Sleep Med Rev. 2024;78:101996. doi:10.1016/j.smrv.2024.101996 12. Malhotra A et al.: Weight reduction and the impact on apnea-hypopnea index: A systematic meta-analysis. Sleep Med. 2024;121:26-31. doi:10.1016/j.sleep.2024.06.014 13. Malhotra A at al.: Tirzepatide for the Treatment of Obstructive Sleep Apnea and Obesity. N Engl J Med. 2024 Oct 3;391(13):1193-1205. doi:10.1056/NEJMoa2404881. Epub 2024 Jun 21. Erratum in: N Engl J Med. 2024 Oct 17;391(15):1464. doi: 10.1056/NEJMx240005
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