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STUDIE REFERIERT
Stabile koronare Herzkrankheit: Blutdruckschwankungen sind riskant
Eine hohe Blutdruckvariabilität ist bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit ein bedeutsamer Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse. In einer Datenauswertung zeigte sich dies sowohl im Zusammenhang mit dem systolischen als auch mit dem diastolischen Blutdruck – unabhängig von den Durchschnittswerten.
European Heart Journal
Blutdruckschwankungen werden meist vor allem als Hindernis bei der exakten Erfassung des durchschnittlichen Blutdruckwerts betrachtet. Aus neueren Studien geht jedoch hervor, dass von Arztbesuch zu Arztbesuch stark schwankende Blutdruckwerte, unabhängig von der Höhe des Durchschnittswertes, einen eigenständigen Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse darstellen. Dies wurde erstmals im Jahr 2010 bei Patienten mit vorübergehender ischämischer Attacke beobachtet und zeigte sich auch in einer anderen Studie, die sich mit der Behandlung von Bluthochdruck befasste. Emmanuelle Vidal-Petiot vom Bichat Hospital in Paris (Frankreich) und ihre Arbeitsgruppe untersuchten jetzt kürzlich anhand von Daten der randomisierten, kontrollierten Studie STABILITY (Darapladip [nicht im AK der Schweiz] vs. Plazebo) die Verbindung zwischen der Blutdruckvariabilität und dem kardiovaskulären Risiko bei Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung (KHK).
MERKSÄTZE
O Bei Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung sind starke Blutdruckschwankungen eng mit einem erhöhten Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse verbunden.
O Dies gilt für den diastolischen und den systolischen Blutdruck.
O Die Spitzen- und Minimalwerte des diastolischen/systolischen Blutdrucks sind ebenfalls unabhängig mit dem Risiko für unerwünschte Ereignisse assoziiert.
Ergebnisse
Im Rahmen ihrer Untersuchung evaluierten die Autoren bei 13 794 von 15 828 STABILITY-Teilnehmern die Blutdruckvariabilität anhand der Standardabweichungen (standard deviation, SD) des systolischen und des diastolischen Blutdrucks. Ergänzend ermittelten die Forscher die höchsten und die niedrigsten diastolischen/systolischen Blutdruckwerte aus fünf Messungen, die zu Studienbeginn sowie in den Monaten 1, 3, 6 und 12 innerhalb des ersten Jahres nach der Randomisierung durchgeführt wurden. Als primären Endpunkt definierten die Forscher schwere kardiovaskuläre Ereignisse (Kombination aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Herzinfarkt oder nicht tödlichem Schlaganfall), die nach den ersten 12 Monaten Studiendauer eintraten. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer lag bei 65 Jahren, und 81,6 Prozent von ihnen waren Männer. Die mittleren Blutdruckwerte lagen im Verlauf des ersten Jahres bei 131,0 (± 13,7) mmHg zu 78,3 (± 8,3) mmHg. Die durchschnittliche SD betrug beim systolischen Blutdruck 9,8 (± 4,8) mmHg und beim diastolischen Blutdruck 6,3 (± 3,0) mmHg. Die mittleren Blutdruckwerte und die SD der durchschnittlichen Blutdruckwerte waren unter Darapladip und Plazebo vergleichbar. Während der anschliessenden Beobachtungszeit von durchschnittlich 2,6 Jahren traten bei 1010 Patienten Ereignisse des primären kombinierten Endpunkts ein. Die kumulierte Inzidenz schwerer kardiovaskulärer Ereignisse nahm mit der Variabilität des diastolischen und des systolischen Blutdrucks zu. Auch in Cox-Regressionsmodellen – adjustiert nach dem durchschnittlichen Blutdruck innerhalb des ersten Jahres, der Behandlungszuordnung, vaskulären Erkran-
kungen zu Baseline, der Nierenfunktion und kardiovaskulären Risikofaktoren – war der primäre Endpunkt mit der SD des systolischen Blutdrucks (Hazard Ratio [HR], höchstes Terzil vs. niedrigstes Terzil: 1,30; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,10– 1,53; p = 0,007) und mit der SD des diastolischen Blutdrucks (HR, höchstes Terzil vs. niedrigstes Terzil: 1,38; 95%-KI: 1,18– 1,62; p < 0,001) assoziiert. Die diastolischen/systolischen Spitzen- und Minimalwerte waren ebenfalls unabhängig mit unerwünschten Ereignissen verbunden. Diskussion In der Datenauswertung der STABILITY- Studie zeigte sich bei Patienten mit stabiler KHK nicht nur eine Verbindung zwischen dem systolischen Blutdruck und dem kar- diovaskulären Ergebnis, sondern auch zwi- schen dem diastolischen Blutdruck und dem kardiovaskulären Ergebnis. Diese Be- obachtung beruht auf der Schlüsselrolle des diastolischen Blutdrucks bei der Durchblu- tung des Herzens. Da das Herz während der Diastole durchblutet wird, könnte eine Kombination aus beeinträchtigter Autore- gulierung und Koronarstenose bei Patien- ten mit stabiler KHK die ungünstige kar- diovaskuläre Prognose bei sehr niedrigen diastolischen Minimalwerten erklären. Die komplexen Mechanismen, die starken Blutdruckschwankungen zugrunde liegen, wurden bis anhin nur ansatzweise geklärt. Die Blutdruckvariabilität gilt als Marker der Arterienversteifung. Auch in der Daten- auswertung der STABILITY-Studie waren starke Blutdruckschwankungen mit Fakto- ren verbunden, die mit einer arteriellen Ver- steifung korrelieren. Dazu gehören Alter, Diabetes und polyvaskuläre Erkrankun- gen. Zu den weiteren pathophysiologi- schen Erklärungen einer erhöhten Blut- druckvariabilität gehören eine veränderte Baroreflexsensitivität und die autonome Dysfunktion. Verschiedene Klassen der Antihypertensiva oder unregelmässige Medikamenteneinnahmen beeinflussen die Blutdruckvariabilität ebenfalls in unter- schiedlichem Ausmass. O Petra Stölting Quelle: Vidal-Petiot E et al.: Visit-to-visit variability of blood pressure and cardiovascular outcomes in patients with stable coronary heart disease. Insights from the STABILITY trial. Eur Heart J 2017; DOI:10.1093/ eurheartj/ehx250. Interessenlage: Alle 13 Autoren der referierten Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. 648 ARS MEDICI 14+15 I 2017