Transkript
STUDIE
MIRAGE-Studie
Mirtazapin bei chronischer Insomnie
Mirtazapin wirkt durch die Hemmung serotonerger und histaminerger Rezeptoren auch schlaffördernd. Wegen dieser Eigenschaft wird es daher off-label auch zur Behandlung von chronischer Insomnie eingesetzt. Eine doppelblind randomisierte Studie liefert nun die fehlende Evidenz für diese Praxis nach.
Age Ageing
Bei älteren Menschen verursacht die chronische Insomnie beträchtliche Schlafstörungen, kombiniert mit Tagesmüdigkeit und Aufmerksamkeitsverminderung. Depressive Symptome und eine reduzierte Lebensqualität gehen oft mit der chronischen Insomnie einher und führen häufig zu einer Verordnung von Hypnotika. Verhaltenstherapie ist bei chronischer Insomnie zwar die empfohlene Therapie erster Wahl – diese wirkt längerfristig auch gut –, doch erfordert diese Massnahme viele Sitzungen und ein hohes Engagement des Patienten.
Benzodiazepine und Z-Substanzen sind für die Langzeittherapie ungeeignet. Grund dafür sind die daraus entstehende Substanzabhängigkeit sowie die erhöhte Sturzgefahr infolge Gleichgewichtsproblemen. Dennoch sind sie die am häufigsten verordneten Schlafmittel. Antidepressiva wie Trazodon und Mirtazapin werden auch häufig zu diesem Zweck verschrieben. Bei Patienten mit Depression erwies sich Mirtazapin als schlaffördernd und steigerte die Schlafzeit und die Schlafqualität. Das dürfte dazu beigetragen haben, dass Mirtazapin auch bei chronischer Insomnie eingesetzt wird. Qualitativ hohe Evidenz für diese Indikation fehlte aber bis anhin gänzlich. Weil Mirtazapin schlaffördernd wirkt und ein besseres Nebenwirkungsprofil besitzt als Hypnotika, wurde die doppelblind randomisierte MIRAGEStudie bei älteren Personen durchgeführt, um diese Evidenzlücke zu füllen.
Besser als Plazebo An der Studie nahmen ≥ 65-jährige, selbständig lebende Patienten (n = 60) mit chronischer Insomnie teil. Diese erhielten während eines Monats entweder Mirtazapin 7,5 mg pro Tag oder Plazebo. Dabei war als primärer Wirksamkeitsendpunkt die Veränderung im Insomnia Severity Index (ISI), einem Fragebogen zur Einschätzung der Insomnieschwere, nach 28 Tagen definiert. Als primärer Sicherheitsendpunkt
galten generell alle Nebenwirkungen und im Speziellen die Nebenwirkungen, die zum Studienabbruch führten.
Das Ergebnis zeigte eine Überlegenheit über Plazebo hinsichtlich des subjektiv erlebten Wachliegens nach dem Einschlafen, der totalen Schlafzeit und der Schlafeffizienz. Nach 28 Tagen war die Veränderung im ISI-Score in der Mirtazapin-Gruppe seit Studienbeginn deutlich grösser als in der Plazebogruppe (–6,5 [95%-Konfidenzintervall (KI): –8,3 bis –4,8] bzw. –2,9 [95%-KI: –4,4 bis –1,4]) mit einer statistischen Signifikanz von p = 0,003. Die Veränderung im ISI-Score von –6,5 entspricht in etwa jener Grössenordnung, die unter einer Therapie mit Orexin-Rezeptorantagonisten beobachtet wurde.
Schwere Nebenwirkungen wurden nicht berichtet. Sechs Patienten aus der Mirtazapin-Gruppe stoppten die Therapie allerdings aufgrund von milden Nebenwirkungen wie Tagesmüdigkeit, Verwirrtheit, Hot Flushes, verschwommener Sicht. Aus der Plazebogruppe stoppte ein Patient die Studie wegen respiratorischer Symptome. Nach Ausstieg aus der Studie traten keine Entzugssymptome auf.
Diese Ergebnisse belegen, dass Mirtazapin die chronische Insomnie bei älteren Menschen signifikant verringert, aber auch klinisch relevante Nebenwirkungen verursachen kann. Die hohe Nebenwirkungsrate könnte mit den in diesem Alter vorliegenden Komorbiditäten und der damit einhergehenden Polypharmazie zusammenhängen, mutmassen die Autoren. vh
Quelle: Nguyen PV et al.: Mirtazapine for chronic insomnia in older adults: a randomised double-blind placebo-controlled trial-the MIRAGE study. Age Ageing. 2025 Mar 3;54(3):afaf050. doi:10.1093/ageing/afaf050
Interessenlage: 2 von 9 Autoren haben Beratungshonorare von pharmazeutischen Firmen erhalten.
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