Transkript
KONGRESSBERICHT
GLP-1-Rezeptoragonisten bei Psoriasis
Mortalität und Herz-Kreislauf-Risiken sinken
Übergewichtige Patienten mit Psoriais, die mit GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1RA) behandelt werden, haben ein deutlich verringertes Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Ereignisse im Vergleich zu anderen Therapieoptionen bei Diabetes oder Adipositas. Zudem verringern die Wirkstoffe signifikant Alkoholund Substanzmissbrauch. Das belegt eine Studie, die jetzt auf dem EADV-Kongress vorgestellt wurde.
Längst ist bekannt: Psoriasis ist viel mehr als nur eine Hautkrankheit. Mit der chronisch-entzündlichen Systemerkrankung, die 2–3% der Weltbevölkerung betrifft, sind Depressionen, Angststörungen sowie Alkohol- und Substanzmissbrauch assoziiert. Vor allem aber haben Betroffene ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei ihnen findet sich überdurchschnittlich häufig ein metabolisches Syndrom mit Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes und vor allem Übergewicht.
GLP-1RA senken Gewicht und Entzündung Da liegt es nahe auch bei dieser Klientel Glucagon-like Peptid1-Rezeptoragonisten (GLP-1RA) einzusetzen. Denn GLP1RA senken bekanntlich den Blutzuckerspiegel und fördern die Gewichtsabnahme. Sie haben als «Abnehmspritze» breite Anwendung erfahren. Im Zuge dieser Entwicklung konnte auch belegt werden, dass sich die Behandlung mit GLP-1RA positiv auf die Lipidwerte und die Psyche auswirkt. Mittlerweile gibt es auch Langzeitdaten. Aus diesen Analysen geht hervor, dass die generelle Mortalität sinkt, vor allem die Rate an Schlaganfällen und Herzinfarkten geht zurück. Kurz: GLP-1RA wirken gewichts- und blutzuckersenkend, zeigen aber auch antiinflammatorische und neuroprotektive Effekte und senken die Rate an kardiovaskulären Ereignissen wie Schlaganfall und Herzinfarkt.
Die Ergebnisse waren eindrücklich: • Sterblichkeit: Unter GLP-1RA sank das Risiko zu verster-
ben um 78%. • Kardiovaskuläre Ereignisse: Das Risiko für Herzinfarkte
oder Schlaganfälle verringerte sich um 44%. • Psychiatrische Begleiterkrankungen: Alkoholmissbrauch
nahm um 65% ab, Substanzmissbrauch reduzierte sich fast um die Hälfte.
Die beobachteten Vorteile waren konsistent über verschiedene Subgruppen hinweg und bestätigten sich in allen Sensitivitätsanalysen. Sicherheitsdaten entsprachen bekannten Profilen aus anderen Patientenkollektiven; weder Hypoglykämien noch gastrointestinale Nebenwirkungen traten vermehrt auf.
GLP-1RA beeinflussen Belohnungsverhalten Die positiven Auswirkungen auf die deutlichen Rückgänge bei Alkohol- und Substanzmissbrauch erklärte Prof. Dr. Ralf Ludwig von der Universität Lübeck so: Die Aktivierung von GLP-1-Rezeptoren hemmt möglicherweise entzündungsfördernde Mediatoren, die bei Psoriasis erhöht sind. Zudem sind GLP-1-Rezeptoren im zentralen Nervensystem lokalisiert, vor allem in Hirnregionen, die Stimmung und Belohnungsverhalten steuern.
Psoriasis-Patienten mit Diabetes oder Übergewicht Ob sich GLP-1RA tatsächlich positiv auch auf die Gesamtmortalität bei Psoriasis auswirken, hat eine internationale Forschergruppe unter Federführung der Universität Lübeck untersucht: Ihre Studie, die als bislang grösste ihrer Art gilt, basiert auf Daten von über 110 Millionen Patienten aus den USA. Für die Auswertung wurden mehr als 6000 Erwachsene mit Psoriasis und gleichzeitiger Diabetes- oder Adipositasdiagnose herangezogen. Davon erhielten 3048 Personen über mindestens 24 Monate kontinuierlich eine GLP-1RATherapie (z. B. Semaglutid oder Liraglutid), während 3048 Kontrollpatienten alternative Antidiabetika oder Anti-Adipositas-Medikamente einnahmen. Mithilfe eines Propensity-Score-Matchings wurden Gruppen hinsichtlich Alter, Geschlecht und Begleiterkrankungen abgeglichen, um Verzerrungen auszuschliessen.
Paradigmenwechsel in der Psoriasisbehandlung? Prof. Ludwig, der die Studie auf dem diesjährigen Kongress der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie in Paris vorstellte, betonte, dass Psoriasis-Therapien bislang vor allem auf Hautsymptome fokussierten. Die neuen Erkenntnisse verdeutlichen jedoch die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes. GLP-1RA könnten helfen, nicht nur die metabolische Situation, sondern auch kardiovaskuläre und psychiatrische Langzeitrisiken zu verbessern – ein möglicher Paradigmenwechsel in der Versorgung von Menschen mit Psoriasis.
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Olbrich H et al.: «GLP-1RA and reduced mortality, cardiovascular and psychiatric risks in psoriasis: a large-scale cohort study.» Presented at the EADV Congress 2025.
22 dermatologie & ästhetische medizin 4 | 2025