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BERICHT
Lupus erythematodes
Neue Daten zu etablierten Therapien
Aktuell sind die therapeutischen Optionen beim systemischen Lupus erythematodes sehr begrenzt. Zur Verfügung stehen Malariamittel, allen voran Hydroxychloroquin, Immunsuppression sowie die beiden Biologika Belimumab und Anifrolumab. Zu diesen etablierten Therapien wurden in der jüngsten Vergangenheit Studiendaten publiziert, die wichtige Informationen für die Therapiegestaltung im klinischen Alltag liefern.
Hydroxychloroquin wird seit Jahrzehnten in der Behandlung des systemischen Lupus erythematodes (SLE) empfohlen und eingesetzt. Aktuelle Daten sprächen für den hohen Stellenwert, den diese Therapie auch heute noch habe, so Prof. Dr. Antonis Fanouriakis, Universität Athen. So zeigte eine Studie auf Basis französischer Registerdaten, dass in der Lupus-Population die Einnahme von Hydroxychloroquin mit einer signifikanten und deutlichen Reduktion des kardiovaskulären und zerebrovaskulären Risikos verbunden ist (1). Diese Daten sind insofern bedeutsam, als kardiovaskuläre Risikofaktoren, insbesondere die Hypertonie, in der Lupus- Population verbreitet sind und die empfohlenen Zielwerte beispielsweise betreffend Plasmalipiden oder Blutdruck bei Weitem nicht bei allen Betroffenen erreicht werden (2). Prof. Fanouriakis unterstrich, dass man beim Umgang mit LupusPatienten das Management traditioneller Risikofaktoren wie Nikotin, Adipositas, Lipide, Blutdruck etc. nicht vergessen dürfe.
Steroidsparende Therapie mit Hydroxychloroquin Hydroxychloroquin hilft auch bei der Reduktion von Steroiden, wie eine Arbeit aus China zeigt (3). In einem Kollektiv von Patienten, die unter Hydroxychloroquin und Prednison stabil waren, verglichen die Autoren drei Strategien: Alle Medikamente absetzen, alle Medikamente weiterführen oder Prednison absetzen und Hydroxychloroquin weiterführen. Über neun Monate zeigte sich für das Absetzen von Prednison im Vergleich zum Weiterführen von Prednison und Hydroxychloroquin eine Nichtunterlegenheit. Das Absetzen beider Medikamente hingegen führte zum vermehrten Auftreten von Schüben.
Wie früh im Verlauf eines Lupus mit einer immunsupprimierenden Therapie begonnen werden soll, ist nach wie vor nicht abschliessend geklärt. Hinweise dazu lieferte eine randomisierte, kontrollierte Studie aus China, in die 130 therapienaive SLE-Patienten ohne Organbeteiligung eingeschlossen waren (4). Die Patienten wurden entweder mit einem konservativen Regime aus Hydroxychloroquin und einer moderaten Steroiddosis behandelt oder erhielten eine aggressivere Behandlung mit zusätzlich 500 mg Mycophenolat Mofetil am Tag. Nach 96 Wochen zeigte die Studie einen signifikanten Vorteil für das intensivere Regime mit einer Reduktion des
Risikos von Flares um rund 40%. Das Risiko, eine Lupusnephritis zu entwickeln, war sogar um 90% reduziert. Angesichts der relativ geringen Patientenzahl könne man diese Arbeit jedoch lediglich als «proof of concept»-Studie sehen, so der Kommentar des Experten.
Niedrige Remissionsraten unter Therapie mit Biologika Aktuelle Daten zu den beiden spezifisch für die Therapie des Lupus zugelassenen Biologika Belimumab und Anifrolumab erlauben eine bessere Einschätzung der Wirksamkeit, z.T. auch unter klinischen Alltagsbedingungen. Belimumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper gegen BLyS (soluble human B lymphocyte stimulator protein), ein für die Proliferation von B-Lymphozyten und Plasmazellen wichtiges Stimulationsprotein. Anifrolumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper gegen den Interferon-α/β-Rezeptor (IFNAR), der die Wirkung von Typ-I-Interferonen blockiert und damit in die in der Pathophysiologie des Lupus wichtige Interferon-Signalkette eingreift.
Zu Belimumab wurden gepoolte Daten aus fünf Phase-IIIStudien publiziert, die eine signifikante, aber geringe Überlegenheit im Vergleich zu Plazebo und insgesamt eine sehr niedrige Remissionsrate zeigen (5). Für Anifrolumab wurde eine gepoolte Analyse der Ergebnisse der TULIP-Studien und ihrer offenen Verlängerungsstudie veröffentlicht, die ein ähnliches Bild ergibt (6). Zu diesen Daten merkte Prof. Fanouriakis an, dass die tatsächlich erreichten Raten von Remission oder niedriger Krankheitsaktivität für beide Biologika bescheiden sind: «Diese Therapieziele können zwar erreicht werden, für die meisten Betroffenen bleiben sie allerdings ein fernes Ziel.»
Therapie mit Belimumab oder Anifrolumab reduziert Schaden Allerdings betonte Prof. Fanouriakis auch, dass diese Remissionsdaten nicht gegen den Einsatz der beiden Biologika sprächen. Denn diese dürften im längeren Verlauf günstige Effekte haben, auch wenn die gängigen Endpunkte der klinischen Studien bestenfalls knapp erreicht werden. So zeigt eine aktuelle Analyse der TULIP-Studien, dass Anifrolumab den durch den Lupus entstehenden kumulativen Schaden reduziert. Da-
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zu wurden Patienten, die in TULIP mit Anifrolumab behandelt worden waren, mittels Propensity Score Matching (Vergleiche gematchter Patientenpaare) mit einer historischen Kohorte der University of Toronto über vier Jahre verglichen. Dabei zeigte sich eine Reduktion des eingetretenen Schadens (Damage Accrual) um 60% (7). Prof. Fanouriakis wies darauf hin, dass bereits vor mehreren Jahren für Belimumab eine Schadensreduktion in vergleichbarem Ausmass gezeigt werden konnte (8). «Beide Biologika haben also einen signifikanten protektiven Effekt. Und wir wissen, wie wichtig bei Lupus kumulativer Schaden ist – letztlich auch im Hinblick auf die Mortalität.»
Die Erfahrungen mit Anifrolumab im klinischen Alltag sind noch begrenzt, mehrere Real-World-Studien sprechen jedoch für eine deutliche Beeinflussung der Krankheitsaktivität. So zeigte eine griechische Fallserie von 18 Patienten mit zum Teil mehrfach refraktärer kutaner Symptomatik eine relevante Besserung der Haut bei gleichzeitig reduziertem Steroidbedarf (9). Ein CLASI50-Ansprechen wurde bei 16 von 18 Patienten erreicht, was angesichts der bisherigen Krankheitsverläufe und Vorbehandlungen als bemerkenswert eingestuft wird.
Für Belimumab wurden auch Real-Life-Daten veröffentlicht, die eine günstige Wirkung auf die Lupusnephritis zeigen. Unter Belimumab kam es zu einer rascheren Reduktion der Proteinurie als unter Standardtherapie. Bemerkenswerterweise war das Infektionsrisiko dabei unter dem Biologikum geringer als unter Standardtherapie (10).
Konsensusempfehlungen für seltene Manifestationen des SLE Nicht zuletzt wies Prof. Fanouriakis auch auf die zahlreichen und sehr verschiedenartigen seltenen Manifestationen des SLE hin, die im klinischen Alltag das Management der Erkrankung erheblich verkomplizieren können. Diese Manifestationen seien jeweils für sich so selten, dass eine evidenzbasierte Behandlung an fehlenden Studiendaten scheitere. Eine internationale Expertengruppe präsentierte kürzlich ein Konsensusdokument mit Anleitungen für den Umgang mit 24 dieser seltenen Lupus-Manifestationen. Die Empfehlungen basieren auf einer Stratifizierung nach Schweregrad.
Konkret empfiehlt die Expertengruppe für SLE-Enteritis und -Pankreatitis Hydroxychloroquin, Glukokortikoide und Cyclophosphamid oder Mycophenolat Mofetil. Seltene pulmonale Manifestationen wie eine Pneumonitis sollen in schweren Fällen mit Cyclophosphamid, in leichteren Fällen mit Mycophenolat Mofetil behandelt werden. Für eine SLE-Myokarditis werden in Abhängigkeit vom Schweregrad Hydroxychloroquin, Glukokortikoide und Cyclophosphamid oder Mycophenolat
Mofetil empfohlen. Auch für Manifestationen des Zentralnervensystems sind Hydroxychloroquin, Glukokortikoide und Cyclophosphamid oder Mycophenolat Mofetil die Therapien der Wahl. Bei seltenen Hautmanifestationen sollen Hydroxychloroquin und Glukokortikoide in Kombination mit Anifrolumab oder Mycophenolat Mofetil zum Einsatz kommen (11). Prof. Fanouriakis: «Ich empfehle allen, die Lupus-Patienten behandeln, dieses Paper zu lesen. Denn im klinischen Alltag begegnen wir diesen M anifestationen immer wieder und wissen dann zumeist nicht, was wir machen sollen. Jetzt haben wir Empfehlungen, die zwar nicht auf Studiendaten, aber wenigstens auf einem soliden Expertenkonsensus beruhen.»
Reno Barth
Quelle: «What is New (WIN): Systemic Lupus Erythematosus». EULAR 2025, 13. Juni 2025, Barcelona
Referenzen: 1. Grimaldi L et al.: Hydroxychloroquine and Cardiovascular Events in
Patients With Systemic Lupus Erythematosus. JAMA Netw Open. 2024 Aug 1;7(8):e2432190. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.32190 2. Bolla E et al.: Prevalence and target attainment of traditional cardiovascular risk factors in patients with systemic lupus erythematosus: a cross-sectional study including 3401 individuals from 24 countries. Lancet Rheumatol. 2024 Jul;6(7):e447-e459. doi: 10.1016/S2665-9913(24)00090-0 3. Fei Y et al.: Evaluation and prediction of relapse risk in stable systemic lupus erythematosus patients after glucocorticoid withdrawal (PRESS): an open-label, multicentre, non-inferiority, randomised controlled study in China. Ann Rheum Dis. 2025;84(2):274-283. doi: 10.1136/ard-2024-225826 4. You Y et al.: Mycophenolate Mofetil and New-Onset Systemic Lupus Erythematosus: A Randomized Clinical Trial.: JAMA Netw Open. 2024;7(9):e2432131. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.32131 5. Parodis I et al.: Attainment of remission and low disease activity after treatment with belimumab in patients with systemic lupus erythematosus: a post-hoc analysis of pooled data from five randomised clinical trials. Lancet Rheumatol. 2024;6(11):e751-e761. doi: 10.1016/S2665-9913(24)00162-0 6. Morand EF et al.: LLDAS and remission attainment with anifrolumab treatment in patients with systemic lupus erythematosus: results from the TULIP and long-term extension randomised controlled trials. Ann Rheum Dis. 2025;84(5):777-788. doi: 10.1016/j.ard.2025.01.016 7. Touma Z et al.: Reduced organ damage accumulation in adult patients with SLE on anifrolumab plus standard of care compared to real-world external controls. Ann Rheum Dis. 2025;84(5):767-776. doi: 10.1016/j.ard.2025.01.025 8. Urowitz MB et al.: Comparative analysis of long-term organ damage in patients with systemic lupus erythematosus using belimumab versus standard therapy: a post hoc longitudinal study. Lupus Sci Med. 2020;7(1):e000412. doi: 10.1136/lupus-2020-000412 9. Flouda S et al.: Anifrolumab for systemic lupus erythematosus with multi-refractory skin disease: A case series of 18 patients. Lupus. 2024;33(11):1248-1253. doi: 10.1177/09612033241273023 10. Sakai H et al.: Efficacy, safety and optimal intervention of belimumab for proliferative lupus nephritis patients in real-world settings: LOOPS registry. Rheumatology (Oxford). 2025;64(4):1930-1939. doi: 10.1093/rheumatology/keae495 11. Arnaud L et al.: ERN ReCONNET-SLICC-SLEuro expert consensus on the therapeutic management of rare systemic lupus erythematosus manifestations. Lancet Rheumatol. 2025;7(7):e505-e518. doi: 10.1016/S2665-9913(25)00063-3
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