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BERICHT
European Society of Cardiology
Highlights vom europäischen Kardiologenkongress
Am diesjährigen Kongress der European Society of Cardiology (ESC) in Madrid wurden unter anderem Studien mit Herzglykosiden, Betablockern, Lipid- und neuen Blutdrucksenkern vorgestellt. Darüber hinaus gab es Guideline-Updates, z.B. zur Dyslipidämie, sowie einen Konsensus zur regelmässigen Impfung gegen Infekte wie etwa Influenza oder Pneumokokken.
Digitoxin verbessert Herzinsuffizienz Bis jetzt gibt es zum Einsatz von Herzglykosiden lediglich Evidenz zu Digoxin. Dies allerdings aus einer einzigen randomisierten Studie, der DIG-Studie aus 1997 (1), die im primären Endpunkt Mortalität jedoch neutral ausfiel. Hospitalisierungen aufgrund einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz – ein vordefinierter sekundärer Endpunkt – wurden durch Digoxin aber reduziert. Der grösste Nutzen zeigte sich bei Patienten mit ausgeprägten Herzinsuffizienzsymptomen und stark reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF). Die nun am ESC-Kongress präsentierte DIGIT-HF-Studie wurde mit Digitoxin konzipiert, das auch bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen stabile Blutkonzentrationen erreicht. In die Studie wurden 1212 durchschnittlich 66-jährige Patienten mit Herzinsuffizienz und ausgeprägter Symptomlast eingeschlossen: NYHAKlasse II und LVEF < 30% und NYHA-Klasse III–IV und LVEF ≤ 40%. Die Patienten erhielten randomisiert entweder Digitoxin 0,07 mg/Tag oder Plazebo zusätzlich zur Standardtherapie. Der primäre Endpunkt war als Kombination aus Gesamtmortalität und herzinsuffizienzbedingter Hospitalisierung definiert.
Nach median 36 Monaten war der primäre Endpunkt in der Digitoxin-Gruppe bei 39,5% der Teilnehmer eingetreten, in der Plazebogruppe bei 44,1%, was einer Risikoreduktion von 18% entspricht (Hazard Ratio [HR]: 0,82; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,69–0,98; p = 0,03).
Insgesamt verstarben 27,2% der Patienten in der Digitoxin- und 29,5% in der Plazebogruppe (HR: 0,86; 95%-KI: 0,69–1,07). Eine herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung trat unter Digitoxin bei 28,1% der Patienten ein, in der Plazebogruppe bei 30,4% (HR: 0,85; 95%-KI: 0,69–1,05). Das Resultat schien über alle Subgruppen konsistent, wobei Patienten mit einer Herzfrequenz ≥ 75 bpm oder einem systolischen Blutdruck ≤ 120 mmHg besonders zu profitieren schienen. Schwere Nebenwirkungen traten in der DigitoxinGruppe häufiger auf als unter Plazebo (4,7 vs. 2,8%), insbesondere in Form von kardialen Störungen (3,4 vs. 1,8%).
Die Studie zeigt, dass bei gut eingestellten HFrEF-Patienten eine zusätzliche Therapie mit Digitoxin zu einer signifi-
kanten Reduktion der Gesamtmortalität und von herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen führen kann. Dies insbesondere bei Patienten mit Vorhofflimmern, höherer Herzfrequenz, tieferem Blutdruck und eingeschränkter Nierenfunktion, so die Schlussfolgerung der Autoren. Diskutantin Prof. Dr. Theresa McDonagh, Verfasserin der ESC-Guidelines zur Herzinsuffizienztherapie, attestierte diesen Studienresultaten denn auch ein «Game Changer»-Potenzial. vh
Quelle: «Hotline 1». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenz: 1. Digitalis Investigation Group. The effect of digoxin on mortality and
morbidity in patients with heart failure. N Engl J Med. 1997;336:525-533. doi:10.1056/NEJM199702203360801
Betablocker bei allen Postinfarktpatienten? Betablocker gehören bei Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (LVEF) < 40% nach akutem Myokardinfarkt zur etablierten Therapie. Welchen Nutzen sie jedoch bei einer LVEF ≥ 40% bringen, war bislang unklar. Die am ESC-Kongress präsentierte spanisch-italienische REBOOT-Studie untersuchte diese Frage bei 8505 Patienten mit LVEF ≥ 40% nach akutem Myokardinfarkt während 3,7 Jahren. Die Ergebnisse ergaben im Vergleich zu keiner Betablockertherapie keinen Vorteil bezüglich des kombinierten primären Endpunkts Gesamtmortalität, nicht tödlicher Reinfarkt oder herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung (p = 0,63). Allerdings traten in der vordefinierten Subgruppe mit LVEF 40–49% unter Betablockern weniger Ereignisse auf (1).
Das bestätigte auch eine Metaanalyse von vier kürzlich durchgeführten Betablockerstudien (darunter REBOOT) bei Postinfarktpatienten mit LVEF ≥ 40% ohne Herzinsuffizienz. Aus diesen Studien wurden jeweils die vordefinierten Subgruppen bei 1885 Patienten mit «mildly reduced» LVEF (40–49%) hinsichtlich des kombinierten Endpunkts Gesamtmortalität, Reinfarkt oder Herzinsuffizienz analysiert. Unter der Betablockertherapie traten bei dieser Patientengruppe signifikant 25% weniger Ereignisse auf (Hazard Ratio [HR]: 0,75; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,58–0,97; p = 0,031).
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Diese Ergebnisse erweitern den bereits bekannten Nutzen der Betablocker bei reduzierter LVEF auf die Subgruppe der Patienten mit «mildly reduced» LVEF, so das Fazit des Erstautors Dr. Xavier Rossello, Centro Nacional de Investigaciones Cardiovasculares Carlos III (CNIC), Madrid (E). Die Metaanalyse wie auch die REBOOT-Studie wurden zeitgleich zur Präsentation am Kongress im «Lancet» (2) bzw. im «New England Journal of Medicine» publiziert publiziert (1). vh
Quelle: «Hotline 3». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenzen: 1. Ibanez B et al.: Beta-Blockers after Myocardial Infarction without Reduced
Ejection Fraction. N Engl J Med. Published online August 30, 2025. doi:10.1056/NEJMoa2504735 2. Rossello X et al.: Beta-blockers after MI with mildly reduced ejection fraction: an individual patient data meta-analysis of randomised controlled trials. Lancet. 2025:S0140-6736(25)01592-2
Baxdrostat reduziert den Blutdruck bei resistenter Hypertonie Trotz ausgebauter antihypertensiver Therapie ist es bei vielen Patienten nicht möglich, den Blutdruck adäquat zu senken. Die neue Substanz Baxdrostat, ein hochselektiver Hemmer der Aldosteronsynthase, weckt diesbezüglich Hoffnung. Denn Aldosteron ist ein bekannter Treiber für Bluthochdruck. In einer Phase-III-Studie wurden während zwölf Wochen die Wirksamkeit und Sicherheit von Baxdrostat bei 794 durchschnittlich 62-jährigen Patienten (39% Frauen) mit systolischen Blutdruckwerten zwischen 140 und 170 mmHg trotz zwei maximal dosierter Antihypertensiva – teilweise plus Diuretika – untersucht. Die Studienteilnehmer erhielten täglich Baxdrostat 1 oder 2 mg oder Plazebo. Als primärer Endpunkt war die Veränderung des Blutdrucks nach 12 Wochen definiert.
Das Resultat zeigte eine signifikante plazebobereinigte Veränderung von –8,7 mmHg unter der 1-mg-Dosierung und –9,8 mmHg unter 2 mg Baxdrostat (p < 0,0001). Aus der Baxdrostat-1-mg-Gruppe erreichten 39,4% nach 12 Wochen einen Blutdruckwert < 130 mmHg, unter Baxdrostat 2 mg lag dieser Anteil bei 40%, in der Plazebogruppe bei 18,7%. In der anschliessenden randomisierten 8-wöchigen Auswaschphase sank der Blutdruck im Baxdrostat-Arm weiter (–3,7 mmHg), während sich im Plazeboarm ein leichter Anstieg zeigte (+1,4 mmHg). Schwere Nebenwirkungen traten unter Baxdrostat 1 mg bzw. 2 mg bei 1,9% bzw. 3,4% der
Patienten auf, unter Plazebo bei 2,7%. Bei 1% der Patienten aus den Baxdrostat-Gruppen traten Hyperkaliämien > 6 mmol/l auf.
Eine Therapie mit Baxdrostat zusätzlich zur antihypertensiven Hintergrundtherapie führte damit bei Patienten mit unkontrollierter oder resistenter Hypertonie zu einer signifikanten Reduktion des Blutdrucks ohne überraschende Sicherheitssignale, wie der Studienleiter Prof. Dr. Bryan Williams, University College London (UK), zusammenfasste. vh
Quelle: «Hotline 4». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenz: 1. Flack JM et al.: Efficacy and Safety of Baxdrostat in Uncontrolled and
Resistant Hypertension. N Engl J Med. Published online August 30, 2025. doi:10.1056/NEJMoa2507109
Inclisiran hilft, den LDL-C-Zielwert zu erreichen Viele Patienten mit hohem und sehr hohem kardiovaskulären Risiko erreichen den von den ESC-Guidelines empfohlenen LDL-Cholesterin(LDL-C)-Zielwert von < 1,8 mmol/l bzw. < 1,4 mmol/l (1) trotz Standard-Lipidsenkertherapie nicht. Dies meist aufgrund von suboptimaler Therapieeskalation, mangelnder Adhärenz oder Bedenken wegen Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen. Ein hohes Risiko hat, wer ein kardiovaskuläres 10-Jahres-Risiko zwischen 5 und 10% hat (bei > 70-Jährigen zwischen 7,5 und 15%), ein sehr hohes Risiko ist bei Werten > 10 bzw. >15% definiert (2).
Inwieweit eine zusätzliche subkutane Inclisiran-Injektion alle 3 oder 6 Monate dabei helfen kann, die Zielwerte zu erreichen, wurde in der VICTORION-Difference-Studie untersucht. An dieser doppelblind randomisierten Phase-IVStudie nahmen 1770 durchschnittlich 63,7-jährige Patienten, davon 30,2% weiblich, teil. Die meisten Teilnehmer hatten ein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko (92,3%). Die Patienten erhielten entweder Inclisiran 300 mg s.c. oder Plazebo zusätzlich zu ihrer Standard-Lipidsenkertherapie oder nur die Standard-Lipidsenkertherapie. Als primärer Endpunkt war das Erreichen der empfohlenen Zielwerte nach 90 Tagen definiert.
Die Ergebnisse zeigten, dass unter zusätzlichem Inclisiran sig nifikant mehr Patienten ihre Zielwerte erreichen konnten als unter der Standard-Lipidsenkung (84,9 vs. 31,0%; Odds Ratio [OR]: 12,09; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 9,59—15,24; p < 0,0001).
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Therapiebedingte Nebenwirkungen traten in beiden Grup-
pen ähnlich häufig auf (71,3 vs. 75,9%). In der Inclisiran-
Gruppe kam es jedoch zu weniger muskulären Nebenwirkun-
gen (11,9 vs. 19,2%; p < 0,0001) als in der Gruppe mit
Standard-Lipidsenkung.
Die Studienergebnisse demonstrierten die Überlegenheit
einer inclisiranbasierten Therapiestrategie gegenüber der
Standard-Lipidsenkung hinsichtlich des frühzeitigen und
anhaltenden Erreichens der individuellen LDL-C-Zielwerte
mit signifikant weniger muskulären Nebenwirkungen, so
das Fazit von Studienleiter Prof. Dr. Ulf Landmesser, Deut-
sches Herzzentrum der Charité, Berlin (D). Diese Strategie
eigne sich vor allem für Patienten, die auf andere Lipid-
senker nicht ausreichend ansprechen. Die Studie wurde
zeitgleich zur Präsentation am Kongress im European Heart
Journal publiziert (3).
vh
Quelle: «Hotline 4». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenzen: 1. Mach F et al.: 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of
dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J. 2020;41:111-188. doi:10.1093/eurheartj/ehz455 2. Visseren FLJ et al.: 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J. 2021;42(34):3227-3337. doi:10.1093/eurheartj/ehab484 3. Landmesser U et al.: Inclisiran-based treatment strategy in hypercholesterolaemia: the VICTORION-Difference trial. Eur Heart J. Published online August 30, 2025. doi:10.1093/eurheartj/ehaf685
ESC-Consensus: Impfungen sind die neue kardiovaskuläre Prävention Das Bewusstsein für die Auswirkungen viraler und bakterieller Infektionen auf das Herz-Kreislauf-System hat zugenommen. Auch bezüglich der Tatsache, in welchem Ausmass Infektionskrankheiten kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auslösen können. Pulmonale und systemische Infektionen können die kardiovaskuläre Gesundheit auf vielfältige Weise beeinflussen, z.B. durch Erhöhung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs und dadurch bedingte ischämische Ereignisse bei Risikopatienten, durch die Aktivierung inflammatorischer Signalwege, die eine koronare Plaqueruptur oder eine Erosion auslösen können, sowie durch die Beeinträchtigung der myokardialen Kontraktilität, was zu einer Herzinsuffizienz führt oder eine bestehende verschlimmert. Es wird geschätzt, dass etwa 3% der Todesfälle und 5% der Spitalaufenthalte aufgrund von Influenza oder Pneumonie bei Patienten mit Herzinsuffizienz der Influenza auftreten.
Impfungen sind daher nicht nur wirksame präventive Massnahmen gegen spezifische Infektionen, sondern sie sind zunehmend auch zur kardiovaskulären Prävention bei Hochrisikopatienten anerkannt. Insbesondere wächst die Evidenz dafür, dass Impfstoffe gegen Influenza, SARS-CoV-2, das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV), Herpes zoster und andere Viren Infektionen deutlich reduzieren und im Fall der Influenza auch das Auftreten schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse bei geimpften Personen verringern. Vor diesem Hintergrund hat die European Society of Cardiology (ESC) ein Konsensus-Papier zur Impfung als kardiovaskuläre Prä-
vention herausgegeben. Darin sind für Patienten mit chro-
nischen kardiovaskulären Erkrankungen, Herzinsuffizienz
und koronarer Herzkrankheit die jährliche Influenzaimpfung
vor Winterbeginn, Impfungen gegen Pneumokokken, RSV,
Herpes zoster und Diphterie/Pertussis/Polio empfohlen.
Für Schwangere rät die ESC zu Impfungen gegen Influenza,
Keuchhusten, SARS-CoV-2 und RSV. Patienten, die vor
einer Herztransplantation stehen, sollten mit Impfungen
gegen Masern/Mumps/Röteln (MMR), Varizellen, Herpes
zoster, Rotavirus, SARS-CoV-2, Influenza, Pneumokokken,
Tetanus, Pertussis, Hepatitis A und B sowie das humane
Papilomavirus (HPV) geschützt werden (1).
vh
Quelle: «ESC Expert Consensus on vaccination for cardiovascular risk reduction». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenz: 1. Heidecker B et al.: Vaccination as a new form of cardiovascular
prevention: a European Society of Cardiology clinical consensus statement. Eur Heart J. Published online June 30, 2025. doi:10.1093/eurheartj/ehaf384
Vorhofflimmern: Kein Detektionsvorteil mit EKG-Patch Vorhofflimmern (VHF) ist mit einem erhöhten Hirnschlag risiko verbunden, aber schwer zu entdecken, da es häufig asymptomatisch und/oder paroxysmal auftritt. Neue Monitoring-Technologien ermöglichen längere Screening-Zeiten, mit denen bisher unentdeckte Flimmerepisoden erfasst werden könnten. In der AMALFI-Studie wurde während 14 Tagen bei älteren Patienten mit mittlerem bis hohem Hirnschlagrisiko untersucht, ob ein EKG-Patch die Detektionsrate von VHF und damit die Raten von Diagnose bzw. Antikoagulation steigern kann. Dabei erhielten 5040 durchschnittlich 78 Jahre alte Patienten aus 27 Hausarztpraxen im Vereinigten Königreich mit CHA2DS2-VASc-Score ≥3 (Männer) bzw. ≥4 (Frauen) entweder ein EKG-Patch-Monitoring über 14 Tage oder Standardkontrollen. Als primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit dokumentiertem VHF 2,5 Jahre nach Randomisierung definiert.
Nach 2,5 Jahren zeigte sich ein moderater Anstieg der VHF-Diagnosen in der EKG-Patch-Guppe (6,8 vs. 5,4% in der Kontrollgruppe, p = 0,03). Die mit dem Patch entdeckte VHF-Last war bimodal verteilt: 33% der Fälle hatten 100% Last (die gesamte Überwachungszeit im VHF), während 55% < 10 % Last aufwiesen.
Die mittlere Antikoagulationsdauer betrug nach 2,5 Jahren 1,63 Monate in der Interventionsgruppe vs. 1,14 Monate in der Kontrollgruppe (p < 0,0001). Ein Hirnschlag trat bei 2,7% der Teilnehmer der Interventionsgruppe und bei 2,5% der Kontrollgruppe auf.
Die Studie zeigt, dass das Fern-Screening auf VHF mittels EKG-Patch bei älteren Patienten mit mittlerem bis hohem Hirnschlagrisiko zu einem moderaten Anstieg von Diagnosen und Antikoagulation führt. Allerdings wurden Patch-unabhängige VHF-Diagnosen häufiger gestellt als erwartet, und über die Hälfte der mit Patch entdeckten VHF-Episoden hatte eine niedrige Last (< 10 %). Das deutet darauf hin,
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dass ein Screening in diesem Setting nur begrenzte Auswirkungen auf Hirnschlagereignisse haben könnte, so das Fazit der Studienautoren. Die Studie wurde zeitgleich mit der Präsentation am Kongress im «JAMA» p ubliziert (1). vh
Quelle: «Hotline 1». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenz: 1. Wijesurendra R et al.: Remote Screening for Asymptomatic Atrial
Fibrillation: The AMALFI Randomized Clinical Trial. JAMA. 2025 Aug 29:e2515440. doi: 10.1001/jama.2025.15440
Erstmals kombinierte Empfehlungen zu Myokarditis und Perikarditis Mit den erstmals veröffentlichten kombinierten Leitlinien zu Myokarditis und Perikarditis schliesst die ESC eine wichtige Versorgungslücke (1). Da beide Erkrankungen oft unterdiagnostiziert werden, soll ein neues Dachkonzept, das «inflammatory myopericardial syndrome» (IMPS), das Bewusstsein für das gesamte Spektrum schärfen und frühere Diagnosen beider Erkrankungen erleichtern. Eine zentrale Bedeutung für Diagnostik und Verlaufsbeurteilung kommt neu der multimodalen Bildgebung zu, insbesondere der Kardio-MRT. Ergänzend wurden praxisnahe Algorithmen und Flussdiagramme entwickelt, um medizinisches Fachpersonal bei der Erkennung, Diagnose und Behandlung zu unterstützen. Oft werden Patienten nach der Diagnose gebeten, auf Alltagsaktivitäten zu verzichten. Die Leitlinien geben konkrete Empfehlungen für die schnellere und sichere Rückkehr in den Alltag, den Beruf und den Sport, häufig nach ergänzender Diagnostik. Damit soll nicht nur die körperliche Genesung, sondern auch die psychische Stabilität unterstützt werden. Evidenzlücken bestehen gemäss Leitlinien für die optimale Behandlung von Menschen mit chronischen Erkrankungen. Auch für Kinder, Schwangere und Stillende sowie ältere Menschen bedarf es weiterer Forschung zum optimalen Vorgehen. Komplexe Fälle sollen durch multidisziplinäre Teams behandelt werden. Das Ziel ist es, mit strukturierter Diagnostik und individualisierter Betreuung die Prognose zu verbessern und eine schnellere Reintegration der Patienten in Alltag und Beruf zu ermöglichen. Mü
Quelle: «Guidelines 2025: Overview». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenz: 1. Schulz-Menger J et al.: 2025 ESC Guidelines for the management of
myocarditis and pericarditis. Eur Heart J. Published online August 29, 2025. doi:10.1093/eurheartj/ehaf192
Bessere Informationen für Frauen mit HerzKreislauf-Erkrankungen in der Schwangerschaft Die neuen ESC-Leitlinien rücken erstmals die Autonomie der Frau bei Hochrisikoschwangerschaften in den Vordergrund (1). Statt pauschaler Verbote stehen bei Schwangerschaften, die ein hohes Risiko für unerwünschte Ereignisse bei Mutter und/oder Fötus bergen – wie beim vaskulären Ehlers-Danlos-Syndrom oder einer pulmonalen arteriellen Hypertonie – eine transparente Information und gemein-
same Entscheidungsfindung im Vordergrund. Die Frauen sollen nach umfassender Beratung durch multidisziplinäre Schwangerschafts-Herzteams selbstbestimmt über ihre Familienplanung entscheiden. Leitlinienkonform wird ein personalisiertes Risikoassessment empfohlen, das neben medizinischen Parametern (Familienanamnese, frühere vaskuläre Ereignisse, ggf. genetischer Hintergrund, Medikation) auch Alter, Lebensstil, Komorbiditäten und psychosoziale Faktoren berücksichtigt. Da kardiovaskuläre Erkrankungen inzwischen weltweit die führende nicht obstetrische Todesursache in der Schwangerschaft darstellen, zielt die Aktualisierung der Leitlinie auch auf eine bessere Medikation ab: Essenzielle Therapien wie Statine oder Antihypertensiva sollen nicht mehr vorschnell abgesetzt werden. Die Leitlinie gibt auch einen detaillierten Überblick zu wichtigen Medikamenten und deren Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit. Schwangerschafts-Herzteams in spezialisierten Kliniken, die auf regionale Gegebenheiten zugeschnitten sind, können zur Senkung der Mortalität und der Rehospitalisierungsrate beitragen. Die Leitlinien definieren, welche Frauen von einem solchen Team betreut werden sollten, und wann darauf verzichtet werden kann. Ferner werden Empfehlungen zu Sectio-Indikation, Zeitpunkt für eine Schwangerschaft nach Herztransplantation und zu medikamentösen Besonderheiten bei kardiovaskulären Erkrankungen gegeben. Ziel ist es, die Frauen evidenzbasiert zu unterstützen und ihnen die informierte Wahl für oder gegen eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Mü
Quelle: «Guidelines 2025: Overview». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenz: 1. De Backer J et al.: 2025 ESC Guidelines for the management of
cardiovascular disease and pregnancy. Eur Heart J. Published online August 29, 2025. doi:10.1093/eurheartj/ehaf193
Update Dyslipidämie-Leitlinien: Bessere Risikoprädiktion und Behandlung Das «Focused Update» der ESC/EAS-Leitlinien zum Management von Dyslipidämien aus dem Jahr 2019 stellt die Veränderungen seit Erscheinen der letzten Guidelines in den Fokus (1). Im Mittelpunkt stehen eine präzisere Risikoprädiktion und die breitere Anwendung bewährter Therapien. Zur 10-Jahres-Risikoschätzung werden neu die Algorithmen SCORE2 (< 70 Jahre) und SCORE2-OP (≥ 70 Jahre) empfohlen. Diese bilden sowohl die kardiovaskuläre Mortalität als auch die Morbidität ab und ermöglichen eine valide Einschätzung auch bei Patienten von 70 bis 89 Jahren. Für Hochrisikopatienten wird ein konsequenterer Einsatz von Kombinationstherapien zur LDL-Senkung betont. Dabei ergänzt der Einsatz von Bempedoinsäure die Therapie von Patienten, die statinintolerant sind oder darunter das Therapieziel nicht erreichen.
Neu ist die Empfehlung für HIV-Patienten, Statine unabhängig vom individuellen kardiovaskulären Risiko bereits ab 40 Jahren einzusetzen, gestützt auf die REPRIEVE-Studie. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben HIV-Patienten
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ein doppelt so hohes Risiko für arteriosklerotische HerzKreislauf-Erkrankungen (ASCVD). Auch für Krebspatienten, die einem hohen Risiko für eine Chemotherapie-bedingte Kardiotoxizität ausgesetzt sind, sollte auf Basis der Studienlage eine Statintherapie in Betracht gezogen werden. Nach umfassender Evidenzbewertung sprechen sich die Experten klar gegen Nahrungsergänzungsmittel oder Vit amine zur LDL-Senkung aus. Eine gesunde Ernährung hingegen (Verzehr von wenig gesättigten Fetten, von Vollkornprodukten, Gemüse, Obst und Fisch) ist zur Senkung der LDL-Cholesterin-Spiegel nach wie vor zu empfehlen. Mü
Quelle: «Guidelines 2025: Overview». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenz: 1. Mach F et al.: 2025 Focused Update of the 2019 ESC/EAS Guidelines for
the management of dyslipidaemias. Eur Heart J. Published online August 29, 2025. doi:10.1093/eurheartj/ehaf190
Guideline zur Behandlung von valvulären Herzerkrankungen soll Versorgungsqualität verbessern Die aktualisierten ESC/EACTS-Leitlinien zur Behandlung valvulärer Herzerkrankungen sollen dazu beitragen, Patienten zum richtigen Zeitpunkt den Zugang zu den richtigen Behandlungen zu ermöglichen; das umfasst ausdrücklich neuere, weniger invasive Verfahren (1). Ziel ist es, eine Unterversorgung – insbesondere bei älteren Patienten – zu verhindern und eine rechtzeitige, leitliniengerechte Therapie
sicherzustellen. Grosse randomisierte Studien der letzten Jahre haben die Grundlage für diese Empfehlungen geschaffen. Minimalinvasive Mitralklappeneingriffe oder Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) sollen demnach breiter und konsistenter zum Einsatz kommen, letztere neu bereits bei Patienten mit asymptomatischer Aortenstenose ab 70 Jahren. Die Leitlinien fordern, dass komplexe Fälle in spezialisierten Zentren mit einem hohen Patientenaufkommen und multidisziplinären Heart-Teams behandelt werden, um den Zugang zu spezialisiertem medizinischen Wissen zu gewährleisten. Zudem werden patientenzentrierte Entscheidungen und geschlechtsspezifische Aspekte stärker berücksichtigt. Fortschritte in der Bildgebung (3D-Echokardiografie, kardiale Computertomografie und kardiale Magnetresonanztomografie) spielen bei der Diagnostik und Planung der Eingriffe eine wachsende Rolle. Neben klaren Emp fehlungen zum Vorgehen bei multiplen und kombinierten Klappenvitien zielt das Update auch darauf ab, durch standardisierte Verfahren die Versorgungsqualität europaweit zu harmonisieren und Patienten unabhängig von Wohnort oder Alter Zugang zu optimalen Therapien zu gewährleisten. Mü
Quelle: «Guidelines 2025: Overview». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenz: 1. Praz F et al.: 2025 ESC/EACTS Guidelines for the management of
valvular heart disease. Eur Heart J. Published online August 29, 2025. doi:10.1093/eurheartj/ehaf194
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