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Fortgeschrittener Brustkrebs (HR+): Innovationen
Endokrinresistenz: neue Onkologika in Phase-III-Studien
«Overcoming endocrine resistance» – die Endokrinresistenz durchbrechen – heisst es bei Krankheitsprogression hormonrezeptorpositiver (HR+) Mammakarzinome nach (mindestens adjuvanter) Hormontherapie. Mehrere neue Substanzen, die auf Tumorgenmutationen fokussieren, lassen auf ein verbessertes Überleben im fortgeschrittenen Stadium hoffen. Die Übersicht fasst neuere Publikationen im New England Journal of Medicine zusammen.
Inavolisib bei Mutationen im PIK3CA-Gen Die neue Substanz ist ein selektiver Hemmer der PI3KKinase und der Förderung des Abbaus von p110α. Die PIK3CA-Mutation gilt als prädiktiver Marker beim fortgeschrittenen Brustkrebs (HR+/HER2-) und ist grundsätzlich mit schlechter Prognose assoziiert. PIK3CA kodiert für die α-Isoform p110 der katalytischen Untereinheit der Phosphoinositid-3-Kinase (PI3K), welche im PI3K/AKT/PTEN-Signalweg eine wesentliche Rolle in der Regulation von Zellwachstum, Proliferation sowie Apoptose spielt.
In Kombination mit Palbociclib und Fulvestrant hatte Inavolisib bereits vielversprechende Antitumorwirkung in frühen klinischen Phasen gezeigt.
Die randomisierte, doppelblinde, randomisierte Phase-IIIStudie INAVO120 (1) untersuchte kürzlich die Erstlinientherapie mit Inavolisib (orale Einnahme 1 × täglich) plus Palbociclib und Fulvestrant («Inavolisib-Gruppe») im Vergleich zu Plazebo plus Palbociclib/Fulvestrant («Plazebo-Gruppe») bei Patientinnen mit PIK3CA-mutiertem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs (HR+, HER2-). Die betroffenen Frauen hatten ein Rezidiv während der adjuvanten Endokrinbehandlung oder innerhalb eines Jahres nach deren Beendigung erlitten. Primärer Endpunkt der Studie war das vom Prüfarzt evaluierte progressionsfreie Überleben (PFS).
* Capivasertib (Truqap®) wird angewendet in Kombination mit Fulvestrant zur Behandlung von erwachsenen Patientinnen mit hormonrezeptor(HR-)- positivem, humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (HER2)- negativem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs mit einer oder mehreren PIK3CA/AKT1/ PTEN-Alterationen nach Rezidiv oder Progression unter oder nach einer endokrinbasierten Therapie (5).
** Trastuzumab deruxtecan (Enhertu®) wird angewendet – Bei HER2-positiverm Brustkrebs als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen
Patienten mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Brustkrebs, die bereits mindestens ein gegen HER2 gerichtetes Behandlungsregime, einschliesslich Trastuzumab und ein Taxan, erhalten haben und progredient waren entweder im metastatischen Stadium oder innerhalb von 6 Monaten nach Ende einer adjuvanten oder neoadjuvanten Therapie (siehe Rubrik «Eigenschaften/Wirkungen»). – Bei HER2-niedrig-exprimierender Brustkrebs als Monotherapie zur Behandlung erwachsener Patienten mit inoperablem oder metastasiertem, HER2-niedrig-exprimierendem (IHC 1+ oder IHC 2+/ISH-) Brustkrebs, die bereits eine Chemotherapie im metastatischen Stadium erhalten haben oder unter adjuvanter Chemotherapie bzw. innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss einer adjuvanten Chemotherapie ein Rezidiv ihrer Erkrankung haben. Patienten mit Hormonrezeptor-positivem (HR+) Brustkrebs müssen darüber hinaus eine endokrine Therapie erhalten haben oder dürfen für eine solche Therapie nicht in Frage kommen (7).
Resultate: medianes PFS verdoppelt, über die Hälfte sprechen an
Die 161 bzw. 164 Patientinnen wurden 21,3 bzw. 21,5 Monate beobachtet. Das mediane PFS betrug 15,0 Monate (95%KI: 11,3–20,5) in der Inavolisib–Gruppe versus 7,3 Monate (95%-KI: 5,6–9,3) in der Plazebo-Gruppe und war damit mehr als verdoppelt: Die Hazard Ratio (HR) für Progression oder Tod war 0,43 (95%-KI: 0,32–0,59; P < 0,001). Die objektive Ansprechrate war 58,4% (vs. 25%).
Als häufigste Nebenwirkungen hatten 80,2% eine Grad 3oder 4-Neutropenie (vs. 78,4%), bei 5,6% (vs. 0%) kam es zu Hyperglykämie Grad 3 oder 4 und bei 3,7% (vs. 0%) zu Stomatitis oder Schleimhautentzündung. 6,8% (vs. 0,6%) brachen die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab.
Die Studienärzte folgern, dass die Zugabe von Inavolisib zur Standardtherapie mit Palbociclib/Fulvestrant zu einem signifikant verlängerten PFS führt bei Patientinnen mit PIK3CAmutiertem, HR+, HER2- fortgeschrittenem/metastasiertem Brustkrebs führt – und das in allen vordefinierten Subgruppen. Das Toxizitätsprofil in der Kombination mit einer Hormon- und einer CDK4/6-Therapie wird als beherrschbar bewertet.
Von der US-amerikanischen FDA wurde das Medikament im Herbst 2024 und – sehr aktuell – zum 1. Mai auch von der Swissmedic unter dem Handelsname Itovebi® in Kombination mit der genannten Standardkombination zugelassen (2).
Imlunestrant bei ESR1-Mutation Imlunestrant ist ein oraler, hirnpenetrierender selektiver Östrogenrezeptor(ER)-Degrader (SERD) und reiner Östrogenrezeptor-Antagonist, der den ER-Rezeptor kontinuierlich hemmt. Der neue selektive SERD greift zielgerichtet Mutationen im ERα -Gen an (ESR1) an.
Die offene Phase-III-Studie EMBER-3 (3) untersuchte die Behandlung mit Imlunestrant mit oder ohne Abemacilib (Verzenios®) und schloss 874 Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs (ebenfalls HR+; HER2-) ein, welcher nach Therapie mit einem Aromatasehemmer mit oder ohne einem CDK4/6Hemmer rezidiviert bzw. fortgeschritten war. Die Frauen er-
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hielten randomisiert im Verhältnis 1:1:1 entweder Imlunestrant (n = 331), eine endokrine Standardmonotherapie (n = 330) oder Imlunestrant/Abemaciclib (n = 213).
Primäre Endpunkte waren das PFS nach Messungen des Prüfarztes • unter Imlunestrant bei Patientinnen mit ESR1-Mutationen
und bei allen Patientinnen verglichen mit der Standardtherapie sowie • unter Imlunestrant/Abemaciclib verglichen mit der Imlunestrant-Monotherapie unter allen Patientinnen.
Resultate: unter Imlunestrant/Abemaciclib grösster Überlebensvorteil
Bei den 256 Patientinnen mit ESR1–Mutationen betrug das mediane PFS 5,5 Monate unter Imlunestrant und 3,8 Monate unter der Standardtherapie. Nach 19,4 Monaten Follow-up wurde geschätzt, dass die Frauen noch 7,9 Monate unter der Studienmedikation überleben (95%-KI: 6,8–9,1) gegenüber 5,4 Monate (4,6–6,2) unter Standardmedikation. Im Gesamtkollektiv betrug das durchschnittliche PFS 5,6 Monate unter Imlunestrant versus 5,5 Monate; die HR für Progression oder Tod belief sich auf 0,87 (95%-KI: 0,72– 1,04; p = 0,12).
Im Vergleich der 426 Patientinnen unter Imlunestrant/ Abemaciclib zu Imlunestrant stellte sich ein PFS von 9,4 Monaten unter der Kombination heraus und 5,5 Monaten unter Imlunestrant allein, was einer HR von 0,57 (0,44–0,73; p < 0,001) entsprach bzw. einer Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um 43%.
Nebenwirkungen von Grad 3 und höher betrafen 17,1% mit Imlunestrant (vs. 20,7% mit Standardtherapie vs. 48,6% mit Imlunestrant/Abemaciclib).
Die Studienärzte folgern, dass bei ESR1-Mutation die Imlunestrant-Monotherapie ein signifikant verlängertes PFS (gegenüber der Standardbehandlung) bringt, aber nicht in der Gesamtpopulation. Die Kombination Imlunestrant/Abemaciclib dagegen verlängert signifikant das PFS bei allen Patientinnen, unabhängig vom ESR1-Mutationstatus.
In der Diskussion weisen sie (u.a.) darauf hin, dass das Toxizitätsprofil (zumeist Fatigue, Diarrhö, Nausea) ähnlich unter Standard- und Imlunestrant-Monotherapie und insgesamt gut beherrschbar ist. Der Anteil der Patientinnen mit ZNS-Progression war unter Imlunestrant verringert (HR = 0,47 bei allen; HR = 0,18 bei denen mit ESR1-Mutation), wobei die Zahl der Betroffenen insgesamt zu klein war, um entsprechende Aussagen zu verallgemeinern. Die Ärzte warten auf Resultate laufender Studien mit der neuen Substanz.
Capivasertib bei PIK3CA/AKT1/PTEN-Alterationen Capivasertib (Truqab®) ist eine weitere, auch bereits in der Schweiz zugelassene Substanz*, welche in den PIKCA/AKT1/ PTEN-Signalweg hemmend eingreift (4). Die Überaktivierung dieses Signalwegs zum Zeitpunkt der Krankheitsprogression betrifft fast die Hälfte der HR-positiven, HER2-negativen Brusttumoren durch aktivierte Mutationen in den Genen PIK3CA and AKT1, dazu inaktiviert die Substanz Alterationen bei PTEN (4).
Die Phase-III-Studie CAPItello-291 (6) untersuchte randomisiert, doppelblind und plazebokontrolliert die Therapie von Capivasertib in Kombination mit Fulvestrant bei prä- oder postmenopausalen Frauen sowie Männern mit lokal fortgeschrittenem (inoperablem) oder metastasiertem Brustkrebs (HR+; HER2-) nach Rezidiv oder Progression unter oder nach einer Aromatasehemmer-(AI-)basierten Therapie mit oder ohne CDK4/6-Hemmer. Die Patienten erhielten in der zweiten (bzw. weiteren) Therapielinie im Verhältnis 1: 1 entweder Capivasertib plus Fulvestrant oder Plazebo plus Fulvestrant. Die dualen primären Endpunkte waren das von den Prüfärzten bestimmte PFS in der Gesamtpopulation sowie das PFS bei den Patienten mit AKT-Signalwegalterationen (PIK3CA, AKT1 oder PTEN).
Resultate: unter Capivasertib/Fulvestrant verdoppeltes PDF
Von den 708 randomisierten Patienten waren bei 289 (40,8%) Veränderungen im AKT-Signalweg nachgewiesen. 489 (69,1%) hatten zuvor einen CDK4/6-Hemmer infolge der fortgeschrittenen Krankheit erhalten.
In der Gesamtpopulation betrug das mediane PFS 7,2 Monate unter Capivasertib/Fulvestrant und unter Plazebo/Fulvestarant 3,6 Monate. Die Hazard Ratio war 0,60 (95%-KI: 0,51– 0,71; p < 0,001), was also einer Verringerung des Risikos für Progression oder Tod von 40% entspricht. In der AKT-Signalweg-Gruppe betrug das PFS 7,3 Monate unter Capivasertib/ Fulvestrant verglichen mit 3,1 Monate unter Plazebo/Fulvestarant (HR: 0,50; 0,38–0,65), war also mehr als verdoppelt. Die PDF waren in beiden Kollektiven signifikant verbessert.
Häufigste Nebenwirkungen von Grad 3 und höher waren unter der Wirkstoffkombination Hautrash (12,1% vs.0,3%) und Diarrhö (9,3% vs. 0,3%), welche insgesamt gut beherrschbar waren. Dennoch brachen 13,0% die Therapie ab (vs. 2,3%).
Die Studienärzte weisen darauf hin, dass die Capivasertib/ Fulvestrant-Behandlung bei den stark vorbehandelten Patienten das Überleben verbesserte – unabhängig von der vorhergehenden Gabe eines CDK4/6-Hemmers. In der Plazebo/Fulvestrant-Gruppe (immerhin hatten 69% zuvor einen CDK4/6Hemmer erhalten) war das mediane PFS gerade 3,6 Monate.
Trastuzumab deruxtecan bei (sehr) niedriger HER2-Expression Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Trastuzumab deruxtecan (T-DXd; Enhertu®) zeigte in Studien Wirksamkeit bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom bei HER2Expression und kürzlich auch bei denen mit niedriger HER2Expression nach vorheriger Chemotherapie. In der Schweiz ist es seit Januar 2025 bei diesen Indikationen zugelassen (7).
Eine im September 2024 publizierte Subgruppenanalyse der DESTINY-Breast06-Studie zeigte sehr interessante Daten bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs – HR+ und niedriger HER2-Expression (HER2-low: IHC 1+ oder IHC 2+/ ISH-) oder sehr niedriger (HER2-ultra low: IHC 0-) nach endokriner Therapie in erster Linie oder weiteren Linien. Diese Pa-
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AUF EINEN BLICK
Neue Ansätze bei fortgeschrittenem Brustkrebs (HR+) • Phase-III-Studie INAVO120: Inavolisib plus Palbociclib/
Fulvestrant vs. Plazebo plus Palbo./Fulv: Hazard Ratio (HR): 0,43. (PIK3CA-Mutation) • Phase-III-Studie EMBER-3: Imlunestrant vs. Endokrintherapie vs. Imlunestrant/Abemacilib: HR: 0,57 unter Imlunestrant/Abemacilib (ESR1-Mutation) • Phase-III-Studie CAPItello-291: Capivasertib plus Fulvestrant vs. Plazebo/Fulvestrant: HR: 0,50 (AKT-Signalweg-Gruppe) • DESTINY-Breast06-Studie (Subgruppe HR+; nach Endokrintherapie): Trastuzumab deruxtecan vs. Chemotherapie: HR: 0,62 (HER2-low bzw. HER2-ultralow).
tientinnen hatten keine Chemotherapie für ihre metastasierte Krankheit erhalten. In der multizentrischen, offenen PhaseIII-Studie erhielten die Teilnehmerinnen randomisiert im Verhältnis 1:1 entweder T-DXd oder eine Chemotherapie nach Wahl des Studienarztes. Primärer Endpunkt war das PFS (gemessen durch ein unabhängiges Team) der Patientinnen mit HER2-low-Erkrankung. Die sekundären Endpunkte schlossen das PFS unter allen Teilnehmerinnen, das Gesamtüberleben (OS) und die Sicherheit ein.
Resultate: Risikoreduktion für Progress um 38% bei HER2-low und -ultralow
Von den 866 randomisierten Frauen hatten 713 eine HER2low- und 153 eine HER2-ultralow-Erkrankung. Bei den ersteren dauerte das mediane PFS 13,2 Monate (95%-KI: 11,4– 15,2) in der T-DXd-Gruppe und 8,1 Monate (7,0–9,0) in der Chemotherapie-Gruppe; was einer HR für Progress oder Tod von 0,62 (0,52–0,75; p < 0,001) entsprach. Entsprechend waren die Daten für die HER2-ultralow-Population.
Mindestens Grad-3-Nebenwirkungen traten bei 52,8% versus 44,4% auf. Zu beachten sind eine interstitielle Lungenerkrankung bzw. Pneumonitis, welche in der Studie bei 11,3% in der Studiengruppe auftraten (1 schwerer Fall, Grad 5) und bei einer Patientin (0,2%; Grad 2) in der Chemotherapiegruppe.
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Turner NC et al.: Inavolisib-based therapy in PIK3CA-mutated
advanced breast cancer. N Engl J Med. 2024; 391 (17):1584-1596. 2. https://www.fda.gov/drugs/resources-information-approved-drugs/
fda-approves-inavolisib-palbociclib-and-fulvestrant-endocrine-resistant-pik3ca-mutated-hr-positive 2a. https://compendium.ch/product/1634513-itovebi-filmtabl-3-mg/mpro 3. Jhaveri KL et al.: Imlunestrant with or without Abemaciclib in Advanced Breast Cancer. N Engl J Med 2025;392:1189-1202. 4. Turner NC et al.: Capivasertib in hormone receptor–positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2023;388:2058-2070. 5. Compendium Schweiz, abgerufen 10. April 2025. 6. Bardia A et al.: Trastuzumab deruxtecan after endocrine therapy in metastatic breast cancer. N Engl J Med 2024;391:2110-2122. 7. Compendium Schweiz, abgerufen 14. April 2025.
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