Transkript
Über die Brücke am Kalksteinfelsen …
… entlang dem idyllischen Ibach …
Von Grenzstein zu Grenzstein wandern
Text und Fotos: Claudia Gürtler*
Über hügelige Wiesen, durch Wälder und entlang steilen Felswänden führt die Route im Grenzgebiet von Baselland, Bern und Solothurn. Im Chaltbrunnental mit den vielen Höhlen und einem lauschigen Bach kommen Kinder auf ihre Kosten.
Von Grellingen mit dem Bus nach Bretzwil Mit dem Bus 116 in Richtung Bretzwil verlasse ich am Bahnhof Grellingen schlagartig die Zivilisation. Die kurvige Strasse windet sich zwischen imposanten Kalkfelsen hindurch. Feucht und schattig ist es hier, ein Vorgeschmack auf die zweite Hälfte dieser Wanderung von Bretzwil durchs Chaltbrunnental nach Grellingen. In Bretzwil rauscht das Seebächlein durchs Dorf. Die «Chesi, de Lade im Dorf» und eine Bäckerei bieten Gelegenheit, den Rucksack zu füllen. An der Bushaltestelle Bretzwil Dorf weisen gelbe Wegweiser Richtung Dietel und Roderis.
Bretzwil – Dietel (45 Minuten) Ich verlasse Bretzwil westwärts und steige hinan, den gelben Rauten folgend. Hühner, Esel, Schafe und ein roter Kater verabschieden die frühe Wande-
rin. Rund 100 Meter weiter oben wechselt das Teersträsschen in einen Naturstein- und Wiesenweg. Teer-, Schotter-, Wiesen- und Waldsträsschen werden heute immer wieder nahtlos ineinander übergehen. Die blosse Bezeichnung «Wanderweg» ist wenig hilfreich, und ich bin froh, das Kartenblatt 1087 eingesteckt und meine Wanderroute mit einem roten Farbstift markiert zu haben. Ein frischer Wind bläst über den Hügel. Vögel, letzte Grillen und Insekten und ein Holzfäller sind zu hören. Nun geht es immer weiter nach Westen, bei Asp lädt eine Bank zu einem kurzen Halt ein. Eine Joggerin scheucht schwarze Schafe auf. Für einen Schwatz hat sie im steilen Gelände keine Zeit. Auf dem Waldweg über den Homberg liegt viel Pferdemist, aber es sind nur Kühe zu sehen, die mir kurze Blicke zuwerfen. Auch sie haben keine Zeit. Bald geht die Weidesaison zu Ende. Um den bewaldeten Hügel Brand herum führt der Weg zum Hof Dietelmätteli beim Punkt 759 auf meiner
Karte. Hier bildet die Kantonsgrenze Baselland-Solothurn einen rechten Winkel. Ich komme an einer einfachen Feuerstelle mit Bank und Tisch vorbei und erreiche den Bauernhof unter der surrenden Starkstromleitung.
Dietelmätteli – Roderis (1 Stunde) So still wie heute sei es hier nicht immer, meint der Bauer vom Dietelmätteli. Immer mehr Wanderer nähmen die Hügelwege unter die Füsse. Auch zweifelt er, ob das Chaltbrunnental begehbar sei. Nach dem harten Winter 2008/2009 war der beliebte Spazierweg durch die Schlucht monatelang gesperrt. Dass das Tal geräumt worden sei, habe ich aus der Zeitung, versichere ich ihm. Ihm erscheint «geräumt» zu optimistisch. In der Hofeinfahrt steht der Grenzstein Baselland-Solothurn und ein Wegweiser mit dem für mich wichtigen Hinweis «Roderis». Der Wanderweg führt gut signalisiert über die Kuhweide. Friedliches Bimmeln und ein frischer Wind auch
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WANDERN
INFO
… bis zum Chessiloch mit seinen Wappen.
hier. Hohe Bäume begrenzen die riesige Weide. Vermutlich stellen sich Rinder so das Paradies vor. Ich finde einen weiteren Grenzstein und stelle schmunzelnd fest, dass der Natur Grenzen egal sind. Ein Baum hat den Stein mit seinen bemoosten Wurzeln fast verschlungen. Durch das Weidegatter gehts wieder in den Wald zwischen Langenberg und Homberg. Schmal und steil führt das Waldweglein hinunter zum Hof Binz und den gelben Rauten nach über Hinterbalm nach Roderis. Bei der Ortstafel vor dem malerischen Bauernhaus verrät der Wegweiser, dass das Chaltbrunnental in 15 Minuten zu erreichen sei. Bei gutem Wetter stehen vor dem Restaurant Roderis die kleinen Tische unter den Linden, und hinter dem Parkplatz führt das Strässchen am Waldrand entlang zum Schluchteingang. Hier verlasse ich die Helle und trete ein in Kühle und moosige Schatten.
Roderis – Chaltbrunnen-
tal – Chessiloch (1 Stunde) Nach der meditativ stillen Wanderung über die Hügel wird es hier plötzlich lebhaft. Zwischen alten Bäumen gibt es auf dem dick mit Tannennadeln gepolsterten Boden reichlich Platz zum Spielen. Kinder lärmen und lachen und geniessen Bach und Wald. Über eine Wiese gelangt man in den be-
waldeten Talgrund des Chaltbrunnentals. Auf der linken Seite des Ibachs gehts sanft hinunter. Enge Stellen wechseln mit schönen Uferpartien. Funde aus der Römerzeit belegen, dass hier schon vor 2000 Jahren Menschen auf Wanderschaft waren. Der Flurnamen Chastel deutet auf einen römischen Wachtturm hin, dessen Überreste aber bis heute nicht gefunden wurden. Die Landkarte brauche ich nun nicht mehr. Es geht über kleine Brücken und hölzerne Treppen immer dem Ibach entlang. Dem Bauern vom Dietelmätteli muss ich recht geben. Die Wege sind zwar problemlos begehbar, aber noch hängt viel Schwemmholz im Bach und an den Hängen. Aufgeräumt ist im Chaltbrunnental noch lange nicht.
Rauchzeichen Zwischen den Bäumen steigt Rauch auf. Am Bach und in den vielen Höhlen vergnügen sich Kinder. Das Chaltbrunnental ist und bleibt beliebt; bei Lehrern (für Schulreisen), bei Kochmuffeln (Grillen ist hier erlaubt!), bei Kinder- und Gruppenunterhaltern, bei Matsch- und Wasserfans und bei jungen Höhlenforschern. Eine Lehrerin beobachtet gespannt einen Höhleneingang, aus dem Kinderlachen und -rufen dringt. Sechs Kinder sind hineingeklettert. Hoffentlich kommen genau so viele wieder zum Vorschein!
Karte: Blatt 1087, Passwang 1:25 000 Anreise: Über Basel und Grellingen (SBB, S3) und Bus (1622) nach Bretzwil Route: Bretzwil – Dietel – Binz – Roderis – Chaltbrunnental – Chessiloch – Grellingen Verpflegung: aus dem Rucksack, Einkaufsmöglichkeiten in Grellingen und Bretzwil, Restaurant in Roderis Wanderzeit: Etwas mehr als 3 Stunden Rückreise: Mit der SBB von Grellingen nach Basel und weiter
Variante für Familien mit Kindern Idyllisch, still und meditativ ist die Wanderung von Bretzwil nach Roderis. Eher ein «erwachsenes» Vergnügen also. Wer mit Kindern unterwegs ist, die spielen wollen, lässt diesen ersten Teil weg und fährt direkt mit den Bussen 1622 und 1725 von Grellingen über Nunningen nach Roderis.
Chessiloch – Grellingen Bahnhof (25 Minuten) Beim Chessiloch endet das Chaltbrunnental. Über Jahrhunderte hatte das Chessiloch grosse strategische Bedeutung. Für den Verkehr der Neuzeit aber stellte es eine Herausforderung dar. 1848 baute der Kanton Bern den Fussweg zur Strasse aus, und für den Bau der Bahnlinie zog man keinen Geringeren als Gustave Eiffel zu Rate. Ruhig fliesst heute die Birs. Der Zug aus der Westschweiz donnert vorbei. Genutzt wurde der strategisch günstige Ort auch im Ersten Weltkrieg. Grenzsoldaten malten die Wappen ihrer Truppenverbände an die imposante Kalkfluhwand. In ihrem Schatten packen heute Wanderer ihr Picknick aus. Eine erlebnisreiche Wanderung im eindrücklichen Wechsel von Licht und Schatten geht auf dem Weg nach Grellingen den Schienen entlang zu Ende.
*Claudia Gürtler ist Jugendbuchautorin und Bibliothekarin. Sie lebt in Allschwil (BL). Website mit ihren Büchern: www.graueinsel.ch
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