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Strukturierte Produkte auch im Gesundheitswesen
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Täglich liest oder hört man Meldungen aus dem Gesundheitswesen. Man spricht darüber und staunt oftmals auch. Der Arzt Hanswerner Iff hat sich angewöhnt, Gelesenes und Gehörtes aufzugreifen und nach den Fakten dahinter zu suchen. Sein Kommentar ist subjektiv – und soll zum Nachdenken anregen.
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Täglich liest oder hört man Meldungen aus dem Gesundheitswesen. Man spricht darüber und staunt oftmals auch. Der Arzt Hanswerner Iff hat sich angewöhnt, Gelesenes und Gehörtes aufzugreifen und nach den Fakten dahinter zu suchen. Sein Kommentar ist subjektiv – und soll zum Nachdenken anregen.

Strukturierte Produkte auch im Gesundheitswesen?

Werden Krankenkassenprämien korrekt berechnet?
Ein Genfer Anwalt klagt gegen seine Krankenkasse, weil seine Prämie möglicherweise nicht korrekt berechnet wurde. Sein Argument: Die Prämien entsprächen nicht den tatsächlichen Kosten der Krankenkasse. Der Anwalt vermutet, dass seine Kasse zu viele Reserven anhäufte und dass er mit seiner Grundversicherungsprämie die private Zusatzfinanzierung quersubventionieren musste.
(Quelle: Tages-Anzeiger online, 29.7.09 und 24 heures online, 28.7.09)

Hintergrund Für alle Kranken und Verunfallten (sofern sie keine separate Unfallversicherung haben) gibt es in der Schweiz die obligatorische Grundversicherung der Krankenkassen. Diese gewährleistet eine grosszügige und wirksame Versorgung der Bevölkerung und soll für die Kassen nicht gewinnbringend sein. Ihre Leistungen sind einem demokratischen Prozess unterworfen. Anhand von diesem werden die Tarife und Kosten in verschiedenen Listen geregelt. Zudem kennt die Grundversicherung keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, jüngeren und älteren Erwachsenen sowie Gesunden und Kranken. Daneben bieten die Krankenkassen noch Zusatz- und Privatversicherungen an, deren Leistungsangebote die Versicherer frei gestalten können. Während also die

Grundversicherung dem Prinzip der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung folgt, besteht bei den Zusatzversicherungen eine Privatautonomie. Das heisst, die Krankenkassen können in diesen Versicherungen verschiedenste zusätzliche Leistungen, aber auch Vorbehalte dazu anbringen, zwischen alt und jung unterscheiden und zum Beispiel auch die Vertragsdauer beschränken.
Kommentar Unser Gesundheitswesen und seine Finanzströme sind äusserst kompliziert. Versicherungsmathematische Überlegungen, die dieses System steuern, sind deshalb alles andere als einfach. Zusätzlich erschwert werden die Prämienberechnungen durch regionale (Prämienregionen) und kantonale (Spitaltarife) finanzielle Vorgaben. Ausserdem haben die

von Hanswerner Iff
beiden Versicherungssysteme unterschiedliche marktpolitische Ansätze. Auf der einen Seite steht die soziale Grundversicherung, mit der laut Gesetz keine Rendite erwirtschaftet werden darf. Auf der anderen Seite sind die Zusatz- und Privatversicherungen, mit denen Geld verdient werden darf und die somit den Kräften der Marktwirtschaft unterworfen sind. Zu guter Letzt gibt es auch zwei verschiedene staatliche Kontrollinstanzen: Während für die Grundversicherung das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verantwortlich ist, unterstehen die Privat- und Zusatzversicherungen dem Bundesamt für Privatversicherungen (BPV). Da stellt sich schon die Frage, ob diese beiden unterschiedlichen Versicherungssysteme, die sich jeweils unter dem gleichen Dach einer Krankenkasse befinden, immer korrekt geführt und auch kontrolliert werden können. Die Situation erinnert an die unkontrollierten strukturierten Finanzprodukte der Bankenwelt, die an der aktuellen Wirtschaftskrise mitschuldig sind und jeglicher Kontrolle entgingen. Da kann die Klage des Genfer Anwaltes nur begrüsst werden. Kritische Blicke in unser Gesundheitsversicherungssystem sind nötig.

41 SPRECHSTUNDE 3/09