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In jeder Ausgabe der Pädiatrie finden Sie einen Themenschwerpunkt, betreut von einem hochkarätigen Editorial Board, sowie Berichte von pädiatrischen Fachveranstaltungen und Kongressen. Die Zeitschrift ist offizielles Organ der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendgynäkologie (GYNEA) und erscheint in einer Auflage von ca. 3500 Exemplaren 5 bis 6 mal im Jahr.

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Metainformationen


Titel
Verletzung der sexuellen Integrität
Untertitel
Vorgehen und Interpretation der Befunde
Lead
Der Aufwand für die Untersuchung von Kindern und Jugendlichen, die einen sexuellen Missbrauch erlitten haben, darf nicht unterschätzt werden. Es braucht Geduld und ein empathisches, dem Alter angepasstes Vorgehen. Im Folgenden werden das empfohlene Prozedere und die Bewertung der Befunde erläutert.
Datum
9. Dezember 2022
Journal
Pädiatrie 06/2022
Autoren
Kerstin Ruoss, Renate Hürlimann
Rubrik
Schwerpunkt: Kinder- und Jugendgynäkologie
Schlagworte
KInder- und Jugendgynäkologie, Pädiatrie, sexueller Missbrauch
Artikel-ID
62042
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/62042
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Transkript


Schwerpunkt
Verletzung der sexuellen Integrität
Vorgehen und Interpretation der Befunde

Der Aufwand für die Untersuchung von Kindern und Jugendlichen, die einen sexuellen Missbrauch erlitten haben, darf nicht unterschätzt werden. Es braucht Geduld und ein empathisches, dem Alter angepasstes Vorgehen. Im Folgenden werden das empfohlene Prozedere und die Bewertung der Befunde erläutert.

Von Renate Hürlimann und Kerstin Ruoss

D ie Prävalenz sexueller Übergriffe beträgt weltweit bei Mädchen 18 Prozent, bei Knaben 8 Prozent. Auch die Schweizer Zahlen bestätigen dies in der Optimusstudie 2010 (1). 6749 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren wurden anonymisiert befragt. 22 Prozent der Mädchen und 8 Prozent der Knaben erlebten sexuelle Übergiffe mit Körperkontakt. 3 Prozent der Mädchen und 0,5 Prozent der Knaben gaben eine Penetration (oral, vaginal oder anal) an. 5 Prozent der Mädchen erlebten einen Penetrationsversuch. 32 Prozent der Knaben und 27 Prozent der Mädchen bestätigten, dass sexuelle Übergriffe mehr als 5-mal stattgefunden hatten. Die psychische und die psychosexuelle Traumatisierung sowie die damit verbundenen Gesundheitskosten sind hoch. Viele Betroffene outen sich nie oder erst spät, zum Beispiel wenn sie selbst Eltern sind und sexuelle Übergriffe bei ihrem Kind vermuten. Die Betroffenen erleben tief greifende Scham- und Schuldgefühle, leiden lebenslang an vermindertem Selbstwertgefühl und dessen Konsequenzen (Depression, Angststörung usw.). Chronisch Kranke sowie körperlich und geistig Behinderte sind wahrscheinlich doppelt so häufig betroffen als gesunde Kinder.
Definition des sexuellen Missbrauchs
Sexueller Missbrauch wird wie folgt definiert: Einbezug von Kindern und Jugendlichen in sexuelle Aktivitäten, wobei sie entwicklungsmässig nicht fähig sind, als gleichberechtigte Personen einzuwilligen. Erwachsene beziehungsweise deutlich ältere Personen als das Opfer nutzen ein Machtverhältnis mit oder ohne Zwang für sexuelle Erregung oder Befriedigung aus. Das Spektrum reicht von Einbezug in sexuelle Handlungen ohne Körperkontakt (z. B. Pornografie, Masturbation) bis zu invasiven Handlungen wie Penetration (oral, vaginal, anal).

lungen erstellt, welche die Vorge-

hensweise beschreib­ en (2).

Für die anogenitale Untersuchung

ist ein Kolposkop mit Foto- und/

oder Video­dokumentation heute

Standard (Ab­bildung 1). Dies ist

notwendig für die Befunddoku-

mentation insbesondere von fri-

schen Verletzungen, für die Dis-

kussion mit Experten und die

Verhinderung einer Retraumati-

sierung durch Folgeuntersuchun-

gen für Gutachten.

Abbildung 1: Kolposkop

Die anogenitale Untersuchung soll

von speziell ausgebildeten und erfahrenen Ärztinnen und

Ärzten (meist Kinder- und Jugendgynäkologinnen und

Rechtsmediziner) durchgeführt werden. Sie kennen die

Normvarianten, Pathologien und dermatologischen

Krankheitsbilder des Anogenitalbereichs.

Der zeitliche Aufwand für die Anamnese, den Bezie-

hungsaufbau, die forensische Spurensicherung und die

kolposkopische Dokumentation darf nicht unterschätzt

werden. Es braucht Geduld und ein empathisches, dem

Alter angepasstes Vorgehen.

Die betroffenen Kinder und Jugendlichen werden meist

von einer Bezugsperson begleitet. Diese ist in das Ge-

spräch einzubeziehen, denn sie hat oft einen positiv un-

terstützenden Einfluss bei der Untersuchung. Die Ana-

tomie des Genitales wird während der Untersuchung

aufgezeichnet oder an einem Bild demonstriert (Abbil-

dung 2). Dabei ist es wichtig, zu erklären, dass keine

Instrumente (Spekulum) für die Untersuchung nötig sind.

Für die meisten Kinder und Jugendlichen ist es die erste

Voraussetzungen für die Untersuchung
Der Umgang mit dem Thema erfordert eine hohe Sensibilität von Ärztinnen und Ärzten sowie von allen beteiligten Fachpersonen. Die Devise lautet zudem: «Kinderschutz nicht allein!» Immer soll der Verdacht oder der Tatbestand von den verschiedenen Experten aus dem Kinderschutzteam beurteilt werden. Die Kinderschutzgruppen der ­Kinderklinken in der Schweiz haben gemeinsame Empfeh-

Abbildung 2: Anatomie des weiblichen Genitals

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Schwerpunkt

anogenitale oder gynäkologische Untersuchung. Die einfühlsame Aufklärung über den Ablauf erleichtert die forensische Untersuchung. Jugendliche haben Anspruch auf Untersuchung ohne Bezugsperson, nur bei einer Strafanzeige ist eine Rechtsmedizinerin oder Polizistin (im Hintergrund) anwesend. Dasselbe gilt für Knaben und männliche Jugendliche, mit dem Angebot eines männlichen Untersuchers beziehungsweise Arztes.
Anamnese
Sie umfasst neben der patientenbezogenen und der psychosozialen Anamnese auch die aktuelle emotionale Befindlichkeit. Es ist meist nicht sinnvoll, genaue Details zum Tatvorgang zu erfragen, diese sind oft schon bekannt (Polizei, Bezugsperson). Eine zusätzliche detaillierte Befragung würde die Betroffenen und Angehörigen unnötig belasten. Je nach Alter und Situation erfolgt ein getrenntes Gespräch. Jugendliche sollten aufgrund der Patientenschweigepflicht allein befragt werden, da nicht wenige in der Vergangenheit sexuell aktiv waren und Eltern davon nichts wissen. Die anogenitalen Befunde müssen in diesem Kontext bewertet werden.

Hilfreich sind einleitende Worte wie: «Ich bin eine Ärztin, die speziell Kinder und Jugendliche untersucht, welche Unangenehmens erlebt haben, das heisst eine Person hat Grenzen nicht akzeptiert und etwas getan, was nicht richtig ist. Möchtest du mir sagen, warum du hier bist?»
Klinische und anogenitale Untersuchung
Diese erfolgt immer mit dem Einverständnis des Kindes oder Jugendlichen. Die Untersuchung beinhaltet vor der genitalen die Ganzkörperuntersuchung mit Fokus auf physische Verletzungen (Hämatome, Kratzspuren, konjunktivale Blutungen, enorale Verletzungen, Selbstverletzungen) inklusive Fotodokumentation (Massstab und Farbskala) der Befunde. An Orten der Berührung und bei möglichen Spermarückständen erfolgt die forensische Spurensicherung. Bei der Untersuchung sollen sich die Kinder oder Jugendlichen nur etappenweise aus- und anziehen, sodass sie nie nackt sind. Erst am Schluss erfolgte die anogenitale Untersuchung! Kleider, Slips, Bettlaken usw. werden asserviert.

Kasten:
Beurteilung anogenitaler Befunde (Adams’ Schema)

Abschnitt 1: körperliche Befunde A: Befunde seit dem Neugeborenenalter und bei nicht missbrauchten Mädchen • alle Normvarianten des Hymens (Hymen bifenestratus, imperforatus, altus,
­mikroperforatus und fimbrinös gelappt erscheinendes Hymen) • Kerben oberhalb der 3-bis-9-Uhr-Linie am Hymen • Kerben nicht annähernd an die Basis reichend unterhalb der 3-bis-9-Uhr-Linie • schmaler Hymenalsaum mit gross erscheinendem Introitus • periurethrale oder vestibuläre Bänder • intravaginale Falten • Diastasis ani und sichtbare Linea dentata und pectinata bei voll dilatiertem Anus • perianale Hautanhängsel • urethrale Dilatation • anatomische Mittellinien • Merkmale wie «midline fusion defect» am Perineum, Grübchen in der Fossa navi-
cularis, mediane Raphe und Linea vestibularis
B: Befunde medizinischer Ursache ohne Trauma • Erythem genital und anal • Labiensynechie • Friabilität der hinteren Kommissur • Ausfluss (ohne STD) • Analfissuren • venöse Schwellung und «pooling» perianal • anale Dilatation in Narkose oder bei Obstipation
C: Befunde anderer Ätiologie, welche an Missbrauch denken lassen • Urethralprolaps • Lichen sclerosus der Vulva und perianal • genitale Ulzera • bakteriell oder viral bedingte Entzündungen, Soor • Rektalprolaps
D: kein Expertenkonsensus bezüglich des Verdachts auf Missbrauch • komplette anale Dilatation des inneren und äusseren Sphinkters in Abwesenheit
von Obstipation, Anästhesie, Enkopresis und neuromuskulärer Erkrankung • Kerbe oder Spalte unterhalb der 3-bis-9-Uhr-Linie nahezu an der Basis, aber ohne
komplette Dissektion • komplette Spalte/Transektion auf die Basis des Hymens

E: Befunde durch Verletzung (ohne nachvollziehbare Anamnese sehr verdächtig für sexuellen Missbrauch), bei «straddle injury» (Spreizverletzung) adäquater Unfallhergang nachvollziehbar; akutes Trauma • Rissquetschwunde (RQW), Hämatom der Vulva, des Anus, des Skrotums, des Pe-
nis, der Glans oder des Perineums • RQW der hinteren Kommissur, Vestibulum (ohne Hymen) • Hämatom, Schürfung und Petechien am Hymen • Verletzung der Vagina • perianale RQW • abgeheilte Verletzungen: perianale Narben, Narbe in der hinteren Kommissur
oder in der Fossa navicularis, komplette Transektion des Hymens bis auf die Basis unterhalb 3-bis-9-Uhr-Linie, Beschneidung von Mädchen (female genital cutting)
Abschnitt 2: Infektionen A: Infektionen ohne Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch • bakterielle Vaginitis, Soor • genitale Ulzera (Lipschütz, M. Behçet)
B: meist nicht sexuell übertragen, aber sexuelle Übertragung möglich • Mollusca contagiosa (selten sexuell übertragen) • Condyloma accuminata, > 5. Lebensjahr eher sexuell übertragen • Herpes I und II
C: Infektionen durch sexuellen Kontakt • Gonokokken genital, anal und oral • Syphilis • Chlamydien rektal und genital (ausser perinatal) • Trichomonaden (ausser perinatal) • HIV (Kontamination mit med. Material ausgeschlossen)
Abschnitt 3: definitiv beweisend für sexuellen Missbrauch • Schwangerschaft • Forensik: Sperma auf dem Körper des Opfers
Quelle: vereinfacht nach (3)

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Pädiatrie 6/22

Schwerpunkt

Die anogenitale Untersuchung erfolgt in Rückenlage (Abbildung 5A), mit einer Inspektion der Vulva, des Vestibulums und des Anus unter kolposkopischer Vergrösserung. Mit der Separationstechnik (Abbildung 3A) werden der Mons pubis, die inneren und äusseren Labien, die Klitorisvorhaut, die Interlabialspalten und das Perineum inspiziert. Mit der Traktionsmethode (Abbildung 3B) ist das Vestibulum mit Harnröhrenöffnung und Hymen sowie dem vorderen Anteil der Vagina gut einsehbar. Ist das Hymen nicht beurteilbar, zum Beispiel bei Aneinanderkleben des Hymenrandes, kann es mit warmem NaCl «aufgeschwemmt» werden. Bei präpubertären Mädchen findet die Untersuchung zusätzlich in Knieellbogenlage (Abbildung 5B) statt. Bei dieser entfaltet sich das Hymen durch die Schwerkraft, und die Konturen sind so betreffend der Breite des Randsaumes und der Kerben besser zu beurteilen (Abbildung 4). Beim östrogenisiertem Hymen wird der Hymenalsaum mit einem feuchten Wattestäbchen unterfahren, um Dehiszenzen beziehungsweise deren Tiefe darzustellen. Die Inspektion der Perianalgegend und des Afters erfolgt standardgemäss am Schluss in linker Seitenlage. Bei Übergriffen innerhalb der letzten 72 Stunden erfolgt eine sorgfältige forensische Spurensicherung: Mit einem NaCl befeuchteten Wattestäbchen (aus dem «forensic kit») wird die Haut der Vulva, des Mons pubis und des Vestibulums sowie interlabial «abgerollt». Bei Ausfluss, Status nach Penetration oder Penetrationsversuch und immer bei Jugendlichen erfolgt ein Chlamydien- und Gonokokkenscreening (PCR) aus dem Vaginalsekret (präpubertal mit Absaugkatheter); bei analer Penetration auch anal. Bei Knaben erfolgt eine analoge kolposkopische Untersuchung mit Augenmerk auf Verletzungen am Präputium, am Frenulum, an der Glans und am Anus. Ein ­Chlamydien- und Gonokokkenabstrich anal und bei orogenitalem Kontakt am Pharynx gehören dazu.
Zeitpunkt der forensischen Spurensicherung
Das Zeitintervall zwischen Verletzung der sexuellen Integrität und der Untersuchung ist wichtig. Es gilt die 72-Stunden-Regel: Bei Übergriffen innerhalb weniger als 72 Stunden sollte eine möglichst zeitnahe Untersuchung stattfinden. Ebenfalls ist bei unbekanntem Täter eine Postexpositionsprophylaxe (HIV, Hepatitis B, Syphilis, Chlamydien, Gonokokken) zu erwägen. Liegt der Missbrauch > 72 Stunden zurück, ist keine notfallmässige Vorstellung nötig, es sei denn, es liegen anamnestisch noch sichtbare körperliche Befunde, genitale Blutungen oder vulväre Dysurie vor.

Abbildung 3: Separation (A) und Traktion (B): deutliche U-förmige Kerbe des Hymens
Kasten), und es wird ersichtlich, wie anspruchsvoll die Beurteilung der anogenitalen Befunde ist. Sie müssen immer im Kontext der Anamnese gewertet werden. So wird die Zusammenfassung auch als «approach to the interpretation of medical und laboratory findings to child sexual abuse» betitelt. Wirklich beweisend sind letztlich nur eine Schwangerschaft und das Auffinden von Sperma! Jedoch sind die Befunde aus Abschnitt 1 (E) ohne klare Evidenz für eine Spreizverletzung hoch suggestiv für ein sexuelles Trauma. Sexuell übertragene Erreger (Abschnitt 2, C), insbesondere Gonokokken, sind ebenfalls hoch suggestiv beziehungsweise diagnostisch für sexuellen Missbrauch, wenn die perinatale Übertragung ausgeschlossen. Die Expertengruppe ist sich weiterhin uneinig betreffend der Spalten/Kerben/Dehiszenzen am Hymen unterhalb der 3-bis-9-Uhr-Linie (Abbildung 4). Nach Abbildung 4: Die 3-bis-9-Uhr-Linie unserer Erfahrung handelt sich meist um abgeheilte Verletzungen. Kopfzerbrechen bereiteten zudem die Befundung und die Beurteilung des Anus, vor allem im Zusammengang mit chronischen analen Penetrationen. Hier sind die sexuell übertragenen Erreger Chlamydien und Gonokokken und die akute Verletzung hoch suggestiv beziehungsweise diagnostisch für ein sexuelles Trauma. Aus Erfahrung wissen wir, dass Verletzungen wie Petechien, Abrasionen und Hämatome innert kurzer Zeit (2 bis 14 Tage) abheilen. Die meisten Hymenaleinrisse heilen folgenlos ohne Narbenbildung, auch präpubertär, wahrscheinlich mit Ausnahme der vollständigen Transsektionen (bis auf die Basis reichend). Beim östrogenisierten Hymen ist das Aus-

Beurteilung anogenitaler Befunde (Adams’ Schema)
Eine 10-köpfige Expertengruppe um Joyce Adams erarbeitet regelmässig Updates auf der Basis der aktuellen Literatur als Interpretationshilfe für Befunde im Zusammenhang mit Verletzungen der sexuellen Integrität. Die letzte Ausgabe stammt aus dem Jahr 2018 (3). Die Interpretationshilfe ist weltweit anerkannt und sehr hilfreich für die Interpretation von anogenitalen Befunden, aber auch für Normvarianten und sexuell übertragene Krankheiten. Es werden mehrere Abschnitte unterschieden (s.

Abbildung 5: Inspektion des weiblichen Genitales in Rückenlage (A) und in Knieellbogenlage (B)

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Schwerpunkt

Befunde und möglicher Infektionen. Andererseits darf ein sehr wichtiger Aspekt nicht unterschätzt werden: die Bestätigung der physischen Normalität, Integrität und Gesundheit. Aussagen wie «Du bist okay, du bist gesund. Gut, dass du darüber gesprochen hast.» tragen zur psychischen Bewältigung bei, und sie verhelfen zu einer positiven Körperwahrnehmung.

Abbildung 6: Frische Verletzung, ca. 24 Stunden alt (A), nach einem Monat (B)

Abbildung 7: Dehiszenz des Hymens bis knapp auf die Basis 4 Wochen nach sexuellem Trauma
Abbildung 8: Untersuchung innerhalb von 48 Stunden mit frischer Verletzung bei 2 und 5 Uhr (Rückenlage)

glätten noch stärker (Abbildungen 6 bis 8). In einer kürzlich publizierten Studie in Kanada (4) wurden anogenitale Untersuchungen ausgewertet (Alter der Pa­ tienten 0 bis 18 Jahre, 83% weiblich, 17% männlich). Diagnostische Befunde fanden sich bei 13,9 Prozent der 12- bis 18-Jährigen und bei 2,2 Prozent der < 12-Jährigen. Erfolgte die Untersuchung innerhalb von 72 Stunden nach dem Übergriff, betrug die Erfolgsquote für diagnostische Befunde 17 Prozent, bei der Untersuchung nach mehr als 72 Stunden nur noch 4,5 Prozent. Die meisten Übergriffe geschehen durch Berührungen, und sie hinterlassen keine sichtbaren Verletzungen. Kleine und/ oder nonverbale Kinder sind oft nicht in der Lage, klare Aussagen zu machen, und die Untersuchungsbehörden befragen die Kinder meist erst ab dem 4. bis 5. Lebensjahr. Die forensische Spurensicherung wird in der Schweiz nur bei Strafanzeige respektive bei einem Strafverfahren ausgewertet. Sie wird aber für 12 Monate für eine spätere Auswertung aufbewahrt. Trotz niedriger Erfolgsquote ist die anogenitale Untersuchung bei sexuellem Missbrauch, wenn sie von einer erfahrenen Ärztin oder einem erfahrenen Arzt durchgeführt wird, wichtig. Einerseits dient sie der Erfassung diagnostischer Opferhilfe Seit 1993 existiert in der Schweiz das Opferhilfegesetz. Jede betroffene Person hat Anspruch auf kostenlose und anonyme Beratung. Die Fachpersonen informieren über die Rechte, und sie vermitteln Anwälte und psychologische Begleitung (5). Die Kinderschutzgruppe des Kinderspitals Zürich ist zugleich eine Opferhilfeberatungsstelle des Kantons Zürich, was der Vernetzung der Betroffenen sehr entgegenkommt. Korrespondenzadresse: Dr. med. Renate Hürlimann Abteilungsleiterin Kinder- und Jugendgynäkologie Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich E-Mail: renate.huerlimann@kispi.uzh.ch Interessenlage: Die Autorinnen erklären, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen. Literatur: 1. www.optimusstudy.org 2. Wopmann M: Empfehlungen für die Kinderschutzarbeit an Kinderkliniken. Paedia- trica. 2017. https://www.paediatrieschweiz.ch/empfehlungen-fur-die-kinderschutzarbeit/Empfehlungen für die Kinderschutzarbeit an Kinderkliniken 3. Adams JA, Farst KJ, Kellogg ND: Interpretation of Medical Findings in Suspected Child Sexual Abuse: An Update for 2018. J Pediatr Adolesc Gynecol. 2018;31(3):225-231. 4. Smith TD et al.: Anogenital Findings in 3569 Pediatric Examinations for Sexual ­Abuse/Assault. J Pediatr Adolesc Gynecol. 2018;31(2):79-83. 5. www.opferhilfe-schweiz.ch 26 Pädiatrie 6/22


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