Transkript
Schwerpunkt
Mollusken und Warzen
Dem Alter angepasste Therapieform wählen
Die im Kindesalter häufig vorkommenden Mollusken sind nicht nur ästhetisch, sondern auch wegen der Ansteckungsgefahr ein Problem für die Betroffenen. Viele Eltern und Kinder wünschen sich auch bei Warzen trotz der grossen Selbstheilungstendenz eine wirksame, schmerzlose Behandlung. Tipps zur Therapie bei Mollusken und Warzen im Kindesalter gab die pädiatrische Dermatologin Dr. med. Anne-Marie Calza, Genf, an der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) in Bern.
D as Molluscum contagiosum ist eine hochansteckende epidermale Infektion durch ein Virus aus der Familie der Pockenviren (Poxviridae) (Abbildung 1). Häufiger Ansteckungsweg ist das gemeinsame Bad mit Geschwistern oder das Baden im Schwimmbad oder im Swimmingpool. Die Hautinfektion heilt innerhalb von 12 bis 24 Monaten spontan ab. Mollusken sind heute häufiger als vor 37 Jahren, möglicherweise weil früher die Pockenimpfung durch Kreuz-
immunität einen Schutz vor Mollusken bewirkte. Die klassische Form von Molluscum contagiosum ist eine «vulkanförmige», im Zentrum genabelte Papel (Abbildung 2). Bei Kindern mit Atopie sind die Läsionen zahlreicher, heilen weniger rasch, rezidivieren oft und führen manchmal zu Komplikationen (z.B. Ekzematisierung, Furunkulisierung).
Abbildung 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Molluscum-contagiosumVirus aus der Familie der Pockenviren (Foto: CDC/wikimedia commons)
Abbildung 2: Molluscum contagiosum, klinisches Bild (Foto: Evanherk/wikimedia commons)
Mechanische, chemische oder immunmodulatorische Molluskenbehandlung?
Eine Behandlung der Mollusken sei nicht obligatorisch, sagte die Referentin. Die Wahl der Behandlung sei abhängig vom Alter des Kindes, seiner Beeinträchtigung und seinem Mut, von der Lokalisation der Mollusken und von den Vorstellungen der Eltern. Zur mechanischen Entfernung empfahl die Referentin die Verwendung einer korrekt geschliffenen Besnier-Kürette unter guter Lokalanästhesie. Zur chemischen Behandlung eignen sich Kaliumhydroxidlösungen (z.B. Infectodell® 5%ige Lösung, Molusk® 10%ige Lösung). Bei der Anwendung ist es wichtig, die Lösung präzise auf die Mitte der Dellwarze aufzutragen und nach wenigen Minuten wieder abzuwaschen. Wenn sich nach etwa 4 Tagen
eine Rötung oder Kruste gebildet hat, wird die Behandlung beendet. Die Abheilung erfolgt in der Regel nach zwei bis fünf Wochen. Gute Erfahrungen habe sie auch mit Cantharidinbehandlungen gemacht, berichtete die Referentin. Dabei handelt es sich um einen Extrakt aus dem Käfer Cantharis vesicatorius (Spanische Fliege, Blister Beetle). Dieser Extrakt wird in der Praxis aufgetragen und nach 2 bis 6 Stunden mit Seife und Wasser wieder abgewaschen. Nach zwei bis vier Wochen kann die Behandlung wiederholt werden. In vitro wirkt Cantharidin als Proteinphosphataseinhibitor. Hinderlich im Hinblick auf den Einsatz in der Praxis sind der hohe Preis und die Instabilität des Extraktes, der rasch aufgebraucht werden muss. Der immunmodulatorische Wirkstoff Imiquimod sollte nicht zur Behandlung von Mollusken im Kindesalter verwendet werden; zwei randomisierte, kontrollierte Studien ergaben negative Resultate (1).
Warzen im Kindes- und Jugendalter
Warzen kommen bei Kindern und Adoleszenten wesentlich häufiger vor (z.B. im Primarschulalter bei 33%) als bei Erwachsenen (3,5%). Oft bilden sich Warzen an kleinen Wunden – plantare Warzen nach leichten Fussverletzungen im Schwimmbad oder in der Turnhalle, periunguale Warzen nach Nagelbeissen oder periungualen Manipulationen. Ähnlich wie bei der Bronchitis oder Otitis bestehe auch bei Warzen manchmal eine familiäre Disposition mit zahlreichen Warzen bis zum Ende der Adoleszenz, berichtete die Referentin. In diesen Fällen komme es wiederholt zu Rezidiven, unabhängig davon, was therapeutisch unternommen werde. Genitale oder perianale Warzen entstehen bei Kleinkindern unter zwei Jahren in der Regel durch vertikale Übertragung während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Wenn Kinder über zwei Jahre betroffen sind, muss die Ansteckungsquelle in erster Linie bei Angehörigen
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verwendet sie Endwarts® (Ameisensäure). Solcoderm® (Gemisch von Säuren mit pH unter 1) eigne sich zur Behandlung plantarer Warzen, und Retinoide können zur Therapie planer Warzen im Gesicht eingesetzt werden. Immunmodulatorische Warzenbehandlungen (z.B. mit BCG = Bacillus Calmette-Guérin oder mit lokalen Antigeninjektionen) seien im Kindesalter nicht indiziert, sagte Calza. Aus der Volksmedizin ist die Warzenbehandlung mit dem frischen Milchsaft des Schöllkrauts (Chelidonium majus, Abbildung 3) bekannt. Der Saft enthält antimitotisch wirksames Coptisin. Die Referentin berichtete, dass sie bei dieser Behandlung nie Hautschädigungen oder Sensibilisierungen beobachtet habe. Die Kinder seien stolz, weil sie die Behandlung mit der Pflanze selbst durchführen können.
Abbildung 3: Schöllkraut (Chelidonium majus)
oder anderen Betreuungspersonen mit vulgären Warzen
an den Händen gesucht werden. In etwa 5 Prozent der
Fälle muss an sexuellen Missbrauch gedacht und eine
Abklärung durch Kinderschutz-
Mollusken müssen nicht zwingend behandelt werden.
Spezialisten durchgeführt werden. In der Regel müssen genitale Warzen im Kindesalter nicht
behandelt werden, weil sie bei
den meisten Kindern innerhalb von zwei Jahren spontan
abheilen. Wenn eine Behandlung unumgänglich ist,
kommen Salicylvaseline (3–5%), Podophyllotoxin oder
Imiquimod in Betracht.
Mechanische und chemische Warzen-
behandlungen bei Kindern
Mit oder ohne Behandlung heilen vulgäre Warzen bei 65
Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen unter
18 Jahren innerhalb von 2 Jahren und bei 80 Prozent in-
nerhalb von 4 Jahren.
Zur mechanischen Beseitigung von Warzen eigne sich im
Kindesalter die Kryotherapie mittels Spray mit flüssigem
Stickstoff (unter minus 196 °C), die von Kindern als «ma-
gische» Behandlung empfunden werde, sagte die Refe-
rentin. Durch intermittierende Applikation im Verlauf von
10 Sekunden könne die Schmerzhaftigkeit reduziert wer-
den. Weniger effizient seien die im Handel erhältlichen
Kryotherapiesysteme, die mit verschiedenen Gasen arbei-
ten (z.B. Dimethyleter, Propan, Isobutan) und nicht mehr
Eine einfache und billige Behandlung vulgärer Warzen ist die Klebebandmethode.
Kälte als minus 56 °C erreichen (z.B. Wartner®, Verrukill®). Diese Behandlung sei schmerzhafter, weil der Applikator direkt auf die
Warze gedrückt werden müsse.
Die Warzenentfernung mittels Laser (z.B. CO2-Laser, ge-
pulster Farbstofflaser) sei schmerzhaft und werde von
den Krankenkassen nicht vergütet.
Für die chemische Warzenbehandlung empfahl die Refe-
rentin in erster Linie topische Salicylsäure (10–15%, z.B.
Clabin®, Duofilm®, Verrumal®, Warzab®). Ausserdem
Warzentherapie mit Suggestion, Magie oder Klebeband
«Unterschätzen Sie bei der Warzenbehandlung nicht das magische Denken kleiner Kinder», sagte die Referentin: «Erzählen Sie eine passende Geschichte, und sorgen Sie dafür, dass das Kind aktiv in die Behandlung einbezogen wird, sowohl in der Praxis als auch zu Hause. Kinder sind gut hypnotisierbar und sprechen auf suggestive Warzenbehandlungen an.» Eine weitere einfache und billige Behandlung vulgärer Warzen ist die Klebebandmethode. Vor 15 Jahren wurde diese praktisch nebenwirkungsfreie Behandlungsmethode bei insgesamt 51 Patienten (Durchschnittsalter 9 Jahre) in einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie im Vergleich mit der üblichen Kryotherapie getestet (2). Bei 26 Kindern wurde ein kleines Stück Klebeband für 6 Tage auf die Warze geklebt. Anschliessend wurde das Klebeband entfernt, die Warze mit einem Bimsstein abgeschabt und über Nacht nicht bedeckt. Am nächsten Morgen wurde die Klebebandbehandlung fortgesetzt und bis zur Abheilung der Warze oder während maximal zwei Monaten jeweils wiederholt. In der Vergleichsgruppe (25 Kinder) wurde die Vereisung mit flüssigem Stickstoff (während 10 Sekunden) alle zwei bis drei Wochen wiederholt. Im Vergleich zur Kryotherapie erwies sich die Klebebandtherapie in der Studie sogar als wirksamer. Nach zwei Monaten waren die Warzen in der Klebebandgruppe bei 85 Prozent und in der Kryotherapiegruppe bei 60 Prozent der Kinder völlig abgeheilt. Während die Kryotherapie allgemein als schmerzhaft empfunden wurde, berichteten Patienten der Klebebandgruppe nur vereinzelt über leichte Hautreizungen und über vorzeitiges Abfallen des Klebebandes. Der genaue Wirkungsmechanismus, auf dem die Klebebandtherapie beruht, ist nicht bekannt. Möglicherweise stimuliert das Klebeband durch lokale Irritation das Immunsystem (2).
Alfred Lienhard
Literatur: 1. Katz KA et al.: Imiquimod, molluscum, and the need for a better «Best Pharmaceuticals for Children» act. Pediatrics 2013; 132: 1–3. 2. Focht DR et al.: The efficacy of duct tape vs cryotherapy in the treatment of verruca vulgaris (the common wart). Arch Pediatr Adolesc Med 2002; 156: 971–974.
Dieser Bericht erschien zuerst in der Schweizer Zeitschrift für Dermatologie SZD 5/2017, Rosenfluh Publikationen.
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