Transkript
«Die Narben sind das grösste Problem»
Prävention und Therapie der Akne
Schwerpunkt
Akne ist häufig, fast alle Jugendlichen leiden im Lauf der Pubertät darunter. Wir sprachen mit Prof. Alexander Navarini über Prävention und Behandlung der Akne sowie über Hautkomplikationen, welche infolge der zurzeit bei vielen Jugendlichen üblichen Enthaarung auftreten können.
H err Prof. Navarini, welches Problem ist aus medizinischer Sicht bezüglich Hautproblemen in der Adoleszenz relevanter, die Akne oder Komplikationen durch Enthaarung? Prof. Alexander Navarini: Beides ist hoch relevant, aber die Enthaarung spielt primär bei sexuell aktiven, älteren Jugendlichen eine Rolle, und natürlich haben längst nicht alle, die sich enthaaren, deswegen ein Hautproblem. Anders verhält es sich bei der Akne, die viel früher eine Rolle spielt. 85 Prozent der Bevölkerung haben irgendwann einmal Akne und immerhin ein Fünftel leidet unter einer schweren, entstellenden Form. Bei dunkelhäutigen Personen ist überdies mit langanhaltenden Pigmentveränderungen aufgrund der aknebedingten Entzündung zu rechnen. Auch das ist ein Riesenproblem.
Warum bewirken aknebedingte Entzündungen solche Pigmentveränderungen? Navarini: Man weiss nicht genau, wie die Pigmentzellen durch die Entzündung aktiviert werden. Davon betroffen sind Personen mit den Hauttypen 4, 5 oder 6, unter anderem anzutreffen bei Südländern oder Afrikanern. Je mehr Pigment die Haut produziert, umso eher kann bereits die kleinste Entzündung dazu führen, dass die Hautzellen mehr Pigment einlagern, und zwar genau dort, wo die Entzündung war. Das kann entstellend wirken, und diese Flecken können bei den genannten, dunkleren Hauttypen jahrelang sichtbar bleiben. Deshalb ist es gerade bei diesen Patienten sehr wichtig, dass man ihre Akne sehr schnell und effektiv behandelt, damit das nicht passiert.
Was ist die am meisten gefürchtete Komplikation bei Akne? Navarini: Die Vernarbung. Während bei einer Acne comedonica nur die Haarfollikel mit einem Talgpropf verstopft sind, ohne relevante Entzündung, handelt es sich ab dem Stadium der Acne papulopustulosa, mit den typischen Eiterpickeln, um eine Entzündung. Diese Akne kann zur Vernarbung und Zystenbildung fortschreiten. In der Folge entwickelt sich das typische Hautbild mit den
unebenen Wangen, wodurch die betroffenen Personen etwas grobschlächtig und ungepflegt aussehen. Darum versuchen wir, die Patienten zu sensibilisieren: Man kann und soll Akne behandeln, am besten frühzeitig, um solche Vernarbungen zu vermeiden. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch diese Narben ist enorm und nicht zu unterschätzen. Man weiss beispielsweise, dass dieses Hautbild mit Arbeitslosigkeit, Schwierigkeiten bei der Partnersuche und Depressionen assoziiert ist.
Kann man diese Narben beseitigen? Navarini: Man bekommt diese Vernarbungen nur mit den Methoden der ästhetischen Dermatologie in den Griff. Man kann sie zwar kaum komplett verschwinden lassen, aber doch erheblich einebnen, beispielsweise mit einer Fractional-Laser-Behandlung. In diesem Bereich verändert sich die Dermatologie zurzeit. Früher hat man versucht, die Entzündung zu beseitigen, und wenn es
Prof. Alexander Navarini ist ab November 2018 klinischer Professor für Dermatologie an der Universität Basel und neuer Chefarzt der Dermatologie am Universitätsspital Basel.
gelang, galt das als ausreichender Erfolg. Heute aber ver-
sucht man, dem Bedürfnis der Patienten gerecht zu wer-
den. Das bedeutet Behandlung vom Anfang bis zum
Schluss, von der Entzündung bis zur Entfernung der Narbe. Heute erwarten immer mehr Patienten, dass auch die Narben wieder verschwinden, das ist ein verständli-
«Die abschliessende Narbenbehandlung ist die letzte therapeutische Meile der Aknetherapie.»
cher Wunsch. Die abschliessende
Narbenbehandlung gehört darum zur Therapie einer ver-
narbenden Akne. Sie ist sozusagen die letzte therapeuti-
sche Meile.
Wie sieht es mit der Akneprävention aus? Welche Rolle spielen die Gene und was kann man selbst tun? Im Internet wird man überschüttet mit mehr oder weniger brauchbar erscheinenden Tipps … Navarini: … leider sind die fast alle falsch. Die Akne hat verschiedene Risikofaktoren, einer davon ist auf jeden Fall die Genetik. Als ich als Postdoc in London arbeitete, haben wir bei einer Kohorte mit 7000 Patienten die genetischen Risikofaktoren herausarbeiten können. Diese erhöhen das Aknerisiko zwar schon etwas, aber sie sind
5/18 Pädiatrie
11
Schwerpunkt
auf jeden Fall nicht die ganze Geschichte. Man hat grosse Studien zu Akne und Ernährung gemacht, aber interessanterweise konnte man bisher nur Magermilch als statistisch relevanten Risikofaktor identifizieren. Da fragt man sich schon: Wieso ausgerechnet Magermilch? Die zurzeit favorisierte Hypothese ist, dass bei der Entfettung der Milch Fettsäuren entfernt werden, die einen antientzündlichen Effekt haben.
Also ist gar nicht belegt, dass Schokolade Pickel verursacht? Navarini: Stimmt, das ist nicht belegt. Es mag aber schon sein, dass es in bestimmten Situationen trotzdem zutrifft. Bei den weitaus meisten Patienten ist es aber nicht der Fall. Das gleiche gilt übrigens für andere Teenager-Leibspeisen, wie Hamburger, die ja auch häufig angeschuldigt werden.
Sind Rauchen und die Pille Aknetrigger?
Navarini: Wir verwenden sogar Kontrazeptiva, die ge-
gen die Akne nützlich sind. Bei Frauen und Mädchen
kann man antiandrogene Hormone einsetzen, die in den
Kontrazeptiva enthalten sind, und
«Pigmentveränderungen aufgrund der aknebedingten Entzündung sind bei dunkler Haut ebenfalls ein Riesenproblem.»
damit eine Verbesserung der Akne erreichen. Beim Rauchen sind die Daten kontrovers. Die neueste Studie zeigte ein klar vermehrtes Auftreten von Akne bei erwachsenen Raucherinnen.
Wie sieht es mit Kosmetika aus? Navarini: Es gibt in der Tat bestimmte topisch bedingte Formen der Akne, die man von der normalen Akne unterscheiden muss. Das wäre zum Beispiel die Acne venenata, die sogenannte Pomadenakne, die durch zu viel Fett auf der Haut ausgelöst wird. Es gibt weitere Kontaktaknen sowie Akne als Nebenwirkung systemischer Medikamente. Ein Beispiel dafür ist die Kortisonakne als Nebenwirkung bei Langzeitkortisontherapien. Solche Faktoren sind aber keine Auslöser der normalen Akne. Die Acne vulgaris ist physiologisch mit dem Androgenschub vergesellschaftet, der bis zu einem gewissen Grad typisch für die Pubertät ist.
Was ist bei der Aknetherapie zu beachten? Navarini: Grundsätzlich geht es darum, die verschiedenen Pathomechanismen anzugehen, welche die Akne auslösen. Dabei spielen zwei Prozesse eine Rolle. Zum einen vergrössern männliche Hormone die Talgdrüsen, und zum anderen werden die Haarfollikel durch Hautzellen an den Ausführungsgängen der Haargänge verstopft. Die Hautzellen teilen sich dort zu stark. Es entsteht ein Propf, der durch Oxidation zum Teil schwarz und damit sichtbar wird. Bei diesen Komedonen, den sogenannten Mitessern, handelt es sich also nicht um Schmutz oder Pigment. Um die Propfbildung zu hemmen, kann man Vitamin-APräparate einsetzen, dann teilen sich die Hautzellen nicht mehr so stark. Man kann diese Pfropfen auch zu lösen versuchen, beispielsweise mit Benzoylperoxidpräparaten, die gleichzeitig auch gegen Bakterien wirken, denn sobald Bakterien ins Spiel kommen, ist man im Prinzip bei der Akne angelangt. Eine besondere Bedeu-
tung haben hierbei die Propionibakterien, die natürlicherweise die Haut besiedeln, in zu hoher Dichte jedoch Akne fördern. Antibiotika können topisch oder systemisch eingesetzt werden. Ebenfalls nützlich kann die Bestrahlung mit blauem Licht bestimmter Wellenlängen sein, das von bakteriellen Pigmenten absorbiert wird, was diese Bakterien letztlich zerstört.
Kann man die genannten Präparate auch bei Jugendlichen anwenden? Navarini: Ja, das ist problemlos möglich. Diese Präparate werden genau in diesem Alter angewendet. Die topischen Präparate sind, vom Isotretinoin-Gel einmal abgesehen, fast ausnahmslos unproblematisch, abgesehen davon, dass sie vielleicht einmal Kleidung verfärben oder die Haut reizen können. Übrigens wird mit der Akne leider sehr viel Kommerz mit topischen Präparaten ohne Wirksamkeitsnachweis betrieben, und es werden sogar schädliche Produkte angeboten. Ein Beispiel dafür sind alkoholische Lösungen, welche die Haut knallhart austrocknen und keinen positiven Effekt haben. Bei den systemischen Medikamenten muss man, wie sonst auch, etwas vorsichtiger sein. So machen einige Antibiotika die Haut zum Teil sehr lichtempfindlich. Das kann in schweren Fällen so weit gehen, dass die Patienten sogar Fingernägel verlieren. Das kommt zwar selten vor, aber man muss davor warnen. Und völlig klar ist selbstverständlich jedem Arzt, dass Isotretinoin fruchtschädigend ist und darum während der Behandlung von Mädchen eine sichere Verhütung gewährleistet sein muss.
Was halten Sie von topischen Cannabinoiden? Navarini: Diese Präparate werden zurzeit in Studien untersucht. Es ist sehr gut möglich, dass sie sich als positiv erweisen werden; da sind die Bücher noch nicht geschlossen.
Sind in absehbarer Zukunft weitere neue Aknemittel zu erwarten? Navarini: In der Tat wurde das nach wie vor wirksamste Aknemedikament, das Isotretinoin, schon im Jahr 1979 erfunden. Insofern ist die Zeit reif für einen Fortschritt. Eine neue Substanz, die gegen Akne getestet wird, ist dem Isotretinoin ähnlich, aber weiterentwickelt. Sie war in einer aktuellen Studie sehr erfolgreich.
Was kann man bei Akne abgesehen von Medikamenten empfehlen? Navarini: Viele Patienten möchten die Mitesser und Pickel ausdrücken. Man muss ihnen unbedingt sagen, dass eine Narbenbildung genau dann zu erwarten ist, wenn es zu bluten beginnt. In diesem Moment wird nämlich die Basalmembran durchbrochen, und das ist sozusagen der Startschuss für die Narbenbildung. Etwas anderes ist es, wenn eine medizinisch ausgebildete Kosmetikerin die Propfen mit Dampf aufweicht und diese dann vorsichtig und möglichst steril entfernt. Das kann durchaus einen positiven, temporären Effekt haben, und die Patienten fühlen sich besser. Daheim aber so eine Art Badezimmerchirurgie zu betreiben, empfehlen wir nicht, weil dort häufig einfach nicht ausreichend steril gearbeitet werden kann, zu viel Kraft aufgewendet und zu invasiv
12
Pädiatrie 5/18
Schwerpunkt
vorgegangen wird, sodass in der Folge Narbenbildungen und Infektionen entstehen können.
Gibt es Komorbiditäten, auf die man bei Akne achten muss? Navarini: Patienten mit chronischen Erkrankungen nehmen unter Umständen auch andere Medikamente ein, sodass man auf Interaktionen achten muss. Was man bei Aknepatienten auch immer wieder sieht, ist die Aknetriade, das heisst eine Kombination der Acne conglobata, der Acne inversa und einer Perifolliculitis capitis, die Akne der Kopfhaut. Auch die Aknetetrade ist nicht selten, sie bezeichnet eine Aknetriade plus Abzesse der Haarfollikel, die Pilonidalsinus. Wenn ein Patient mit Akne im Gesicht zu uns kommt, fragen wir darum grundsätzlich, ob noch weitere Hautprobleme an anderen Stellen des Körpers vorhanden sind.
Kommen wir noch einmal zurück auf das eingangs genannte Thema Enthaarung. Gibt es problematische und weniger problematische Enthaarungstechniken?
Navarini: Ja, die gibt es. Grundsätzlich ist es bei allen Techniken wichtig, möglichst steril vorzugehen. Wenn das Haar mit der Wurzel herausgerissen wird, ist das natürlich gefährlicher, aber auch effektiver als die Haare einfach abzuschneiden. Typische Nebenwirkungen von Epilieren, Wachsen, Sugaring oder Fädeln sind entzündete Haarbälge, es entstehen durch Einwandern von Mikroorganismen sozusagen Pickel an den Beinen. Darum muss man auch beim Enthaaren möglichst steril vorgehen. Die vielleicht beste Enthaarungsmethode ist die Laserbehandlung. Diese Geräte sind aber für Jugendliche nicht zugelassen. Bezüglich der Körperbehaarung besteht zwar eigentlich kein relevanter biologischer Unterschied zwischen einer 20- und einer 16-Jährigen, aber es gibt kaum Daten zur Laserenthaarung bei Jugendlichen, deswegen ist man lieber vorsichtig. In Ausnahmefällen wird so eine Laserbehandlung aber auch einmal bei Jugendlichen gemacht, wenn die Behaarung beispielsweise speziell sozial beeinträchtigend ist.
Das Interview führte Dr. Renate Bonifer.
5/18 Pädiatrie
13