Transkript
Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie, Kontrazeption und Menopause (SGEM)
FIRST-TO-DISCUSS-NEWSLETTER
Einfluss auf die Stoffwechselgesundheit:
Schlaf, zirkadiane Rhythmen und Skelettmuskulatur
Guter Schlaf fördert Regeneration, schützt vor metabolischen Erkrankungen und stärkt die Muskulatur. Dabei zählt nicht nur die Schlafdauer sondern auch die Qualität des Schlafes. Gerade bei Frauen in der Peri- und Postmenopause ist ein gesunder Schlaf-Wach-Rhythmus entscheidend für Gesundheit und Lebensqualität.
Dr. med. Margarethe Rossmanith-Halder spez. Gynäkologische Endokrinologie und
Reproduktionsmedizin Gyn A.R.T. 8005 Zürich
Hintergrund: Die moderne Lebensweise führt zunehmend zu Schlafdefiziten: Schichtarbeit, digitale Dauerverfügbarkeit und Bewegungsmangel tragen zur chronischen Schlafverkürzung und zirkadianen Desynchronisation bei. Diese Faktoren beeinflussen nicht nur das zentrale Nervensystem, sondern haben tiefgreifende Auswirkungen auf periphere Organe wie die Skelettmuskulatur – einem Schlüsselfaktor im Energiestoffwechsel, in der Glukoseregulation und beim Erhalt der Muskelmasse im Alter.
Insbesondere für Frauen nach der Menopause, bei denen Schlafstörungen und Hormonveränderungen häufig parallel auftreten, ergeben sich daraus relevante gesundheitliche Risiken wie Sarkopenie, Insulinresistenz oder viszerale Adipositas.
Zusammenfassung der Studie Das Review von Morrison et al. zeigt eindrücklich, wie Schlaf, zirkadiane Biologie und Skelettmuskulatur interagieren. Bereits eine einzige Nacht vollständigen Schlafentzugs kann die Muskelproteinsynthese um bis zu 18% reduzieren. Chronischer Schlafmangel verstärkt diese Effekte und geht mit einem anhaltend katabolen hormonellen Milieu einher.
Folgen: • Erhöhte Kortisolkonzentrationen infolge
einer Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA). Schlafmangel stört die negative Rückkopplung im HPA-System, wodurch vermehrt Kortikotropin-Releasing-Hormon (CRH) und ACTH freigesetzt werden – mit konsekutiv erhöhter Kortisolausschüttung. Kortisol aktiviert den Muskelabbau über das Ubiquitin-Proteasom-System und hemmt anabole Signalkaskaden wie
den mTOR-Pfad. • Verminderte Testosteron- und IGF-1-
Spiegel: Diese beiden anabolen Hormone fördern unter physiologischen Bedingungen die Muskelproteinsynthese. Der nächtliche Anstieg des Testosterons – bei Männern ausgeprägter als bei Frauen – wird durch unruhigen Schlaf oder Schlafdefizit signifikant reduziert. IGF-1 ist zudem sensibel gegenüber Schlafmangel und reagiert mit verminderter Expression.
Diese hormonellen Dysbalancen münden in einer «anabolen Resistenz»: Die Muskulatur verliert ihre Fähigkeit, auf Wachstumsreize wie Training oder Proteinzufuhr adäquat zu reagieren.
Physiologische Hintergründe Das zirkadiane System, gesteuert durch den suprachiasmatischen Nukleus (SCN) und lokale Uhren in der Skelettmuskulatur (z.B. BMAL1, CLOCK), reguliert über 2000 Gene im Muskelgewebe. Schlafmangel verschiebt oder dämpft diese zirkadianen Rhythmen, was zu einer Fehlsteuerung von Proteinund Energiestoffwechsel führt. Studien belegen eine gestörte Mitochondrienfunktion, reduzierte Muskel-Glukoseaufnahme und eine Abnahme der zirkadianen Amplitude bei Schlafstörung.
Therapeutische Perspektive Bewegung – insbesondere Krafttraining oder hochintensives Intervalltraining (HIIT) – kann dem katabolen Milieu entgegenwirken. In Studien konnte durch HIIT während einer Phase von Schlafrestriktion der Abfall der Muskelproteinsynthese verhindert werden. Trainingsreize wirken dabei nicht nur mechanisch, sondern können als «Zeitgeber»
Besprochene Studie:
Morrison M, et al.: Sleep, circadian biology and skeletal muscle interactions: Implications for metabolic health. Sleep Medicine Reviews. 2022; 66: 101700 Publikation des NL: Juli 2025
die molekulare Uhr in der Muskulatur stabilisieren.
Für gynäkologische Patientinnen bedeutet das: • Schlafhygiene gehört in jede endokrino-
logische Beratung. • Zielgerichtete Bewegungstherapie fördert
Muskel- und Stoffwechselgesundheit, auch bei gestörtem Schlaf. • Chronotherapie (z.B. Training zur «richtigen» Tageszeit) könnte eine personalisierte Therapieform der Zukunft darstellen.
Fazit Die Verbindung zwischen Schlaf, Hormonen und Muskulatur ist hochgradig relevant für die gynäkologische Praxis – insbesondere in der Lebensphase der hormonellen Umstellung. Schlafstörungen sind keine isolierten Beschwerden, sondern haben tiefgreifende Auswirkungen auf Stoffwechsel, Körperzusammensetzung und Lebensqualität.
Dr. med. Margarethe Rossmanith-Halder E-Mail: margarethe.rossmanith@gmx.de www.gynart.ch/team Internet: www.meno-pause.ch
Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenz: 1. Lamon S. et al.: The effect of acute sleep deprivation on
skeletal muscle protein synthesis and the hormonal environment. Physiol Rep. 2021;9(1):e14660.
gynäkologie 4 | 2025 31