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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO), 9. bis 13. September 2022
Ovarialkarzinom
PARP-Inhibitoren in der Erstlinienerhaltung und nach Oligometastasierung
Die Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren bei Ansprechen auf eine Erstlinienchemotherapie ist eine etablierte Strategie in der Behandlung von Patientinnen mit Ovarialkarzinom. Beim ESMO-Kongress 2022 wurde diese Strategie mit Langzeitdaten bestätigt, und zusätzliche wichtige Informationen zum optimierten Einsatz der PARP-Inhibitoren wurden präsentiert.
Überlebensgewinn mit Olaparib plus Bevacizumab nach erster Therapielinie
In der primären Analyse der 2:1-randomisierten Phase-III-Studie PAOLA-1/ENGOTov25 konnte ein signifikanter Vorteil bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS) gezeigt werden, wenn Patientinnen mit neu diagnostiziertem, fortgeschrittenem Ovarialkarzinom nach einer Standardtherapie mit Bevacizumab
Auf einen Blick
Die wichtigsten Studien
n In der plazebokontrollierten Phase-III-Studie PAOLA-1/ENGOT-ov25 zur Erhaltungstherapie mit Olaparib plus Bevacizumab nach Bevacizumab-haltiger Erstlinientherapie zeigte sich ein signifikanter Überlebensvorteil durch die zusätzliche Olaparib-Gabe bei HRD-positiven Patientinnen.
n Die Erhaltungstherapie mit Olaparib-Monotherapie erreichte bei Patientinnen mit neu diagnostiziertem Ovarialkarzinom und BRCA-Mutation in der SOLO1-Studie lang anhaltende Remissionen.
n Subgruppenauswertungen der ATHENAMONO-Studie geben Hinweise darauf, dass Rucaparib eine Erstlinienerhaltungstherapie unabhängig von molekularen Charakteristika ermöglicht.
n In der Nachbeobachtung der PRIMA-Studie wurde bestätigt, dass die Erstlinienerhaltungstherapie mit Niraparib lang anhaltende Remissionen bei Hochrisikopatientinnen mit neu diagnostiziertem, fortgeschrittenem Ovarialkarzinom bewirkt.
n Eine wiederholte PARP-Hemmer-Therapie bei oligometastasiertem Progress nach lokaler Behandlung der isolierten Metastasierung kann sinnvoll sein.
eine 2-jährige Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib plus Bevacizumab, verglichen mit Plazebo plus Bevacizumab, erhielten (1). Die insgesamt 806 Patientinnen waren im Median 60 bis 61 Jahre alt, und bei der Hälfte war der Tumor (mit makroskopischen Tumorresten bei 38–41% der Patientinnen) reseziert worden. Nahezu ein Drittel der Patientinnen war im FIGO-Stadium IV und fast die Hälfte HRD-positiv (homologe Rekombinationsdefizienz, HRD). Das Risiko für einen Krankheitsprogress wurde insgesamt um 41% reduziert (Hazard Ratio [HR] = 0,59; 95%-KI: 0,49–0,72; p < 0,001), bei Patientinnen mit HRD-positiven Tumoren um 67% (HR = 033; 95%KI: 0,25–0,45).
Bei HRD-positiver Erkrankung signifikant verlängertes Gesamtüberleben Zur Zeit der beim ESMO-Kongress präsentierten finalen Analyse hatten alle Patientinnen die Studie beendet. 53% versus 59% der Patientinnen in beiden Studienarmen waren verstorben, 43% bzw. 39% hatten die Studienmedikation komplett erhalten. Die mediane Nachbeobachtungszeit für das Gesamtüberleben (OS) betrug 62 Monate. Die OS-Auswertung der Intention-to-treat(ITT-)Population zeigte mit einer HR von 0,92 (95%-KI: 0,76–1,12; p = 0,4118) keinen Unterschied zwischen den Studienarmen. Nach 5 Jahren lebten 47,3% der Patientinnen, die Olaparib plus Bevacizumab erhalten hatten, versus 41,5% der Patientinnen im Kontrollarm, die mit Plazebo plus Bevacizumab behandelt worden waren. Für die Subgruppe der Patientinnen mit HRD-positiver Erkrankung war das Er-
gebnis signifikant mit einem medianen OS von 75,2 versus 57,3 Monaten und einer 5-Jahres-Überlebensrate von 65,5% versus 48,4%. Das Risiko zu versterben, wurde bei diesem Patientinnenklientel durch die Olaparib-Gabe um 38% reduziert (HR = 0,62; 95%-KI: 0,45– 0,85). 17,3% (Olaparib-Arm) versus 50,8% (Plazeboarm) der Patientinnen mit HRD-positiver Erkrankung erhielten auch im Verlauf der nachfolgenden Therapie einen PARP-Inhibitor. Für Patientinnen mit HRD-negativer Erkrankung wurde kein OS-Unterschied gesehen (HR = 1,19; 95%-KI: 0,88–1,63). Die aktualisierten PFS-Daten der HRDpositiven Subgruppe zeigten eine PFSVerlängerung durch Olaparib von 17,6 auf 46,8 Monate, die 5-Jahres-PFS-Raten betrugen 46,1% versus 19,2% (HR = 0,41; 95%-KI: 0,32–0,54). Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet.
Langzeitdaten zur OlaparibMonotherapie als Erhaltung auf Erstlinienchemotherapie
In der SOLO1-Studie wurde Olaparib als Monotherapie in der Erhaltung bei Ansprechen auf eine Erstlinien-Chemotherapie untersucht. Mit 5 Jahren Nachbeobachtungszeit wurde ein PFS bei 48,3% im Olaparib- versus 20,5% im Plazeboarm gezeigt. Beim ESMO-Kongress wurden nun Ergebnisse zum OS nach 7 Jahren Nachbeobachtungszeit präsentiert (2). Nach 60 Monaten betrug die OS-Rate 73,1% versus 63,4%, und nach 84 Monaten waren 67,0% versus 46,5% der Patientinnen am Leben. Während im Olaparib-Arm das mediane OS noch nicht erreicht war, betrug es im Plazeboarm 75,2 Monate. Das Risiko zu versterben, wurde laut dieser deskriptiven Auswertung um 45% reduziert (HR = 0,55; 95%-KI: 0,40–0,76; p = 0,0004). Bemerkenswert ist dieses klinisch relevante Ergebnis auch, weil 44,3% der Patientinnen im Plazeboarm nachfolgend mit einem PARP-Inhibitor behandelt wurden.
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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO), 9. bis 13. September 2022
Nutzen der RucaparibErhaltung entsprechend der Risikosubgruppen
Ein weiterer PARP-Inhibitor, Rucaparib, wurde in der ATHENA-MONO-Studie als Erhaltungstherapie 4:1-randomisiert gegen Plazebo geprüft (3). Eingeschlossen waren neu diagnostizierte Patientinnen mit High-Grade-Ovarialkarzinom im FIGOStadium III bis IV. Stratifizierungsparameter waren der HRD-Status, das Ansprechen nach Chemotherapie und der Zeitpunkt der Rucaparib-Therapie (primäre Operation oder Intervall-Debulking).
Progressionsrisiko sinkt in allen Verumgruppen Im Ergebnis profitierten Patientinnen unabhängig von der Risikogruppe, basierend auf dem FIGO-Stadium, dem Zeitpunkt der Erhaltungstherapie, dem Ansprechen auf die Chemotherapie oder dem CA-125-Wert. HRD-positive Patientinnen mit einer R0-Resektion erreichten durch die Erhaltungstherapie eine 48%ige Risikoreduktion für einen Progress (HR = 0,52; 95%-KI: 0,30–0,92) und Patientinnen mit residualem Tumorgewebe eine Risikoreduktion um 71% (HR = 0,29; 95%-KI: 0,15–0,56). Innerhalb der ITT-Population betrug die Risikoreduktion für einen Progress 40% bei R0-Resektion (HR = 0,60; 95%-KI: 0,43– 0,84) und 59% bei residualem Tumorgewebe (HR = 0,41; 95%-KI: 0,27–0,62). In Abhängigkeit vom Ansprechen auf die Erstlinienchemotherapie wurde das Risiko bei einem partiellen (PR) bzw. kompletten Ansprechen (CR) der HRD-Population um 57% (HR = 0,43; 9%-KI: 0,18–1,02) bzw. 49% (HR = 0,41; 95%-KI: 0,10–1,63) reduziert. In der ITT-Population lag die Risikoreduktion bei Patientinnen mit PR bei 63% (HR = 0,37; 95%-KI: 0,21–0,65) und mit CR bei 52% (HR = 0,48; 95%-KI: 0,23–1,03).
Langzeitdaten bestätigen Niraparib als Erstlinienerhaltungstherapie
Die doppelblinde, plazebokontrollierte, 2:1-randomisierte Phase-III-Studie PRIMA
untersuchte die Erhaltungstherapie mit Niraparib bei Patientinnen mit CR oder PR auf eine Erstlinienchemotherapie (4). Der primäre Endpunkt war das PFS in der HRD- und der ITT-Population. Zur Zeit der beim ESMO-Kongress präsentierten Auswertung waren 16,3% der Patientinnen im Niraparib-Arm und 11,1% der Patientinnen im Plazeboarm noch unter Studienmedikation. 21,3% versus 16,0% der Patientinnen waren für eine Dauer von ≥ 3 Jahren behandelt worden. Das mediane PFS betrug in der aktualisierten Auswertung, mit einer Nachbeobachtungszeit von 3,5 Jahren, in der HRD-Population 24,5 versus 11,2 Monate (HR = 0,52; 95%-KI: 0,40– 0,68; p < 0,001) und in der ITT-Population 13,8 versus 8,2 Monate (HR = 0,66; 95%KI: 0,56–0,79; p < 0,001). Nach 4 Jahren lebten 38% versus 17% (HRD-Population) bzw. 24% versus 14% (ITT-Population) der Patientinnen ohne Progress. Die Daten für das OS waren mit insgesamt 41,2% Ereignissen noch nicht reif. 9,2% versus 33,3% der Patientinnen des Niraparibbzw. Plazeboarms hatten als Nachfolgetherapie einen PARP-Inhibitor erhalten. Insgesamt war die Anzahl an Therapieabbrechern in der Langzeitbehandlung mit Niraparib gering, seit der Primäranalyse hatten 11 weitere Patientinnen die Niraparib-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen. Die häufigsten therapieassoziierten Nebenwirkungen Grad ≥ 3 waren Thrombozytopenie, Anämie und Neutropenie. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale gesehen.
Wiederholter Einsatz von PARP-Inhibitoren nach oligometastasiertem Progress
Da es bei vielen Patientinnen unter einem PARP-Inhibitor zu einem Krankheitsrückfall oder zur Progression kommt, wurde in einer retrospektiven Analyse untersucht, ob – im Fall von lokal therapierbaren Metastasen – als Alternative zu einer Chemotherapie ein PARP-Inhibitor wieder oder weiter eingesetzt werden kann (5). In der jetzt präsentierten Studie
wurden die Daten von 74 Patientinnen, die zwischen April 2020 und November 2021 behandelt wurden, ausgewertet. Sie waren im Schnitt 61 Jahre alt und hatten mehrheitlich (zu 92%) > 2 Therapielinien erhalten. Bei 65% der Patientinnen wurde eine BRCA-Mutation identifiziert. Als erste PARP-Inhibitoren wurden Olaparib (61%), Niraparib (32%) oder Rucaparib (7%) eingesetzt. Die mediane Zeit der PARP-Inhibitor-Gabe vor der lokalen Therapie betrug 16,6 Monate (Spanne: 3,7–39,0 Monate). Orte der Metastasierung waren bei 42% der Patientinnen die Lymphknoten, bei 27% das Peritoneum und bei 11% die Leber, bei 16% waren es andere Viszeralmetastasen. An lokalen Therapiestrategien erfolgte am häufigsten eine Radiatio (44%) oder die Metastasenresezession (43%); 4% der Patientinnen erhielten eine perkutane Theramoablation, 1% eine Chemoembolisation. Die mediane Nachbeobachtungszeit zur Zeit der präsentierten Auswertung betrug 14,8 Monate. Mit der erneuten PARP-Inhibitor-Therapie wurde ein medianes PFS von 11,5 Monaten (95%-KI: 7,4–17,2) erreicht. Nach 1 Jahr betrug die OS-Rate 90,7% (95%-KI: 79,1–96,0). Nur 5 Patientinnen (6,8%) brachen die Therapie mit dem PARP-Inhibitor aufgrund von Toxizitäten ab. n
Ine Schmale
Quelle: ESMO-Kongress 2022, Paris, 9. bis 13. September 2022.
Referenzen: 1. Ray-Coquard I et al.: Final overall survival results from the phase III PAOLA-1/ENGOT-ov25 trial evaluating maintenance olaparib plus bevacizumab in patients with newly diagnosed advanced ovarian cancer. ESMO 2022, Abstr. #LBA29. 2. DiSilvestro P et al.: Overall survival at 7-year follow-up in patients with newly diagnosed advanced ovarian cancer and a BRCA mutation who received maintenance olaparib in the SOLO1/GOG 3004 trial. ESMO 2022, Abstr. #517O. 3. Kristeleit RS et al.: Rucaparib maintenance treatment in patients with newly diagnosed ovarian cancer: Defining benefit according to disease risk subgroups within the phase 3 ATHENAMONO study. ESMO 2022, Abstr. #527MO. 4. González-Martin A et al.: PRIMA/ENGOT-OV26/GOG-3012 study: Updated long-term PFS and safety. ESMO 2022, Abstr. #530P. 5. Gauduchon T et al.: Is re-introduction or continuation of PARP inhibitors after local therapy for oligo-metastatic progression in patients with relapsed ovarian cancer relevant? ESMO 2022, Abstr. 528MO.
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