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SCHWERPUNKT
Kontrazeption bei Übergewicht und Adipositas
Die heutigen Optionen
Die Prävalenz von Adipositas hat sich in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt. Dieser Trend lässt sich in allen westlichen Industrienationen feststellen. Die gelebte Sexualität ist dagegen bei gleichaltrigen übergewichtigen beziehungsweise normalgewichtigen Frauen fast gleich. In diesem Artikel werden die heutigen Optionen der effektiven Kontrazeptionsmethoden bei Übergewicht und Adipositas zusammengefasst.
ZAHRAA KOLLMANN, KATJA WOLF
Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) haben sich in der westlichen Welt und in vielen anderen Ländern zu einer Volkskrankheit entwickelt, Tendenz steigend. Anhand der schweizerischen Gesundheitsbefragung für Statistik sind 41% der Bevölkerung übergewichtig oder adipös (1). Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Bezug auf die Adipositas sind nicht stark ausgeprägt (11,2% Männer gegenüber 9,4% Frauen) (Abbildung 1.2). Zu beobachten ist, dass seit 2007 der Anteil der übergewichtigen und adipösen Personen stetig steigt (Abbildung 1.1). Die 15- bis 24-Jährigen sind von diesem Anstieg ganz besonders betroffen (1). Verschiedene Studien zeigen, dass adipöse Frauen häufig unerwartet und ungewollt schwanger werden, da eine effektive Kontrazeptionsmethode oft vernachlässigt wird. Adipöse Frauen sind irrtümlicherweise oft der Meinung, dass sie einerseits mit einer hormonellen Kontrazeption noch an Gewicht zuneh-
Merkpunkte
I Bei Übergewicht und Adipositas nehmen die Auswirkungen auf Metabolismus und Schwangerschaftskomplikationen zu. Eine ungeplante Schwangerschaft soll bei Patientinnen mit jedem Risikofaktor vermieden werden.
I Unter einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung dürfen prinzipiell sämtliche kombinierten Kontrazeptiva eingesetzt werden.
I Treten zum Übergewicht weitere Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen (Rauchen, Alter, Diabetes, Hypertonie) hinzu, sollte kein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum zum Einsatz kommen.
I Bei Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2) können die «Gestagen-only-Kontrazeptiva» (POP, ETG, LNG-IUP) und die Kupferspirale uneingeschränkt empfohlen werden.
I Die intrauterine Kontrazeptionsmethode: Sowohl die Levonogestrel abgebende intrauterine Spirale als auch die Kupferspirale bieten eine sichere Kontrazeption und eine Endometrium-Schutzfunktion.
men würden und anderseits aufgrund ihres erhöhten Gewichts weniger fertil sind. Damit stellt die effektive Kontrazeptionsberatung bei Adipositas eine wichtige ärztliche Aufgabe dar.
Auswahl der Kontrazeptionsmethode
Die WHO hat Kategorien, sogenannte MEC (= Medical Eligibility Criteria) (2), entworfen, um die Anwendungsrisiken der verschiedenen Kontrazeptiva einzuschätzen (Tabelle 1). Diese Kategorien verlangen eine patientinnenorientierte Anamnese, inklusive anamnestischer Risikofaktoren (wie Alter, Übergewicht/Adipositas, Hypertonie) vor der Wahl einer empfängnisverhütenden Methode.
Hormonelle Kontrazeptiva Die hormonelle Kontrazeption zählt zu der sichersten Methode reversibler Empfängnisverhütung. Vor der Erstverschreibung von hormonellen Kontrazeptiva (Pille, Vaginalring, Pflaster, Depotspritze, Implantat oder IUD) ist eine ausführliche Eigen- und Familienanamnese mit Blutdruckmessung erforderlich. In der Eigenanamnese sind die zusätzlichen Risikofaktoren wie Übergewicht, Adipositas, Rauchen, Hypertonie, Thrombophilie, Lebererkrankungen und Fettstoffwechselstörungen zu beachten (3). Die Checkliste der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) für die Erst- oder Neuverschreibung und die WHO-Kriterien helfen bei der Wahl des Kontrazeptivums. Die Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva erfordert die regelmässige jährliche Überprüfung der Risikofaktoren, speziell eine Kontrolle des Blutdrucks sowie eine körperliche gynäkologische Untersuchung (3).
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SCHWERPUNKT
Die kombinierten Kontrazeptiva Östrogene und Gestagene hemmen in synergistischer Weise die Ovulation. Die kontrazeptive Wirkung wird in erster Linie durch das Gestagen gewährleistet, indem der Gestagenanteil die LH-Sekretion und den präovulatorischen LH-Peak unterdrückt. Der Östrogenanteil ist für die Zykluskontrolle und auch für die Hemmung der Follikelreifung über eine negative Rückkoppelung der FSH-Sekretion verantwortlich. Kombinierte orale Kontrazeptiva sind bei Frauen mit erhöhtem Risiko für kardiale Erkrankungen, zerebrale Ischämie, Thromboembolie und bei arterieller Hypertonie > 160/> 100 mmHg (Stufe 4, WHO) kontraindiziert. Bei den oben genannten Risiken sind «Gestagen-only-Kontrazeptiva» oder eine hormonfreie Kontrazeption wie die Kupfer-IUD zu empfehlen, und zwar unabhängig vom BMI.
Definitionen Übergewicht und Adipositas
I Übergewicht beginnt mit einem Body-Mass-Index (BMI = Gewicht in kg/Grösse in m2) zwischen 25 und 30.
I Adipositas ist bei der WHO als BMI ≥ 30 kg/m2 definiert. – Adipositas 1. Grades: BMI 30 bis 35 kg/m2 – Adipositas 2. Grades: BMI 35 bis 40 kg/m2 – Adipositas 3. Grades: BMI ≥ 40 kg/m2
Anmerkung: Die Schwäche der BMI-Berechnung liegt darin, dass nicht zwischen Fett- und Muskelmasse unterschieden wird und die Körperfettverteilung nicht dargestellt werden kann. Gerade diese Parameter spielen bei der Beurteilung von Krankheitsrisiken aber eine bedeutende Rolle.
Abbildung 1.1
Die «Gestagen-only-Kontrazeptiva» Wenn Gestagen ohne Östrogen mit Ovulationshemmdosis verabreicht wird, ist die kontinuierliche Anwendung notwendig, um eine sichere Kontrazeption zu gewährleisten. Zur Gruppe der «Gestagenonly-Kontrazeptiva» gehören neben dem oralen Gestagenmonopräparat (Cerazette®, Desogestrel 75 µg), die Depotgestagene (Depo Provera®, Medroxyprogesteronacetat 150 mg) sowie das Gestagenimplantat (Implanon®, Etonogestrel 68 mg) und das Levonorgestrel-Intrauterinpessar (Mirena®, Levonorgestrel 52 mg). Bei Patientinnen mit Risikofaktoren wie Adipositas und einem Alter ≥ 40 ist die Kontrazeption mit dem «Gestagen only» wegen des günstigen Nebenwirkungsprofils besonders geeignet. Eine Einschränkung für die Verabreichung von Depot-MPA gilt aber für Patientinnen mit arterieller Hypertonie > 160/ > 100 mmHg, vaskulären Erkrankungen, multiplen Risikofaktoren und Diabetes mellitus. Besonders zu beachten ist, dass Adipositas zu den häufigsten Risikofaktoren für Endometriumhyperplasien und -karzinome gehört (4–6). Durch die Gabe eines Gestagens wird zusätzlich zur Kontrazeption ein protektiver Effekt am Endometrium gewährleistet. Eine besondere Bedeutung betreffend den Endometriumschutz kommt hierbei der lokalen Applikation durch die Levonorgestrel-freisetzende intrauterine Spirale (Mirena®) zu.
Kontrazeptive Sicherheit und Übergewicht
Inwieweit die Pharmakokinetik und damit die Sicherheit der hormonellen Kontrazeptionsmethode durch das Übergewicht beeinflusst ist, kann anhand der aktuellen Datenlage noch nicht ganz klar beantwortet werden. Die meisten Studien schlossen bisher adipöse Frauen aus oder wählten ein zu kleines Kollektiv. Zur Beurteilung der Pharmakokinetik ist aber das Wissen um die Fettverteilung im Körper bei der hor-
Abbildung 1.2
Total Nach Geschlecht
Männer Frauen
Nach Altersklassen 15–24 Jahre 25–34 Jahre 35–44 Jahre 45–54 Jahre
Übergewicht (25 ≤ BMI < 30)
30,8
39,3 22,6
15,4 23,8 30,7 33,9
Adipositas (BMI ≥ 30)
10,3
11,2 9,4
3,5 6,3 8,3 11,8
Abbildung 1: Quelle: Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB). Bundesamt für Statistik (BFS), Neuchâtel 2014.
Tabelle 1:
WHO-Kategorien zum Einsatz von Kontrazeptiva und Einschätzen des Anwendungsrisikos
WHO 1: WHO 2: WHO 3:
WHO 4:
Die Methode kann ohne Einschränkung angewandt werden. Die Vorteile der Methode überwiegen im Allgemeinen die bewährten oder theoretischen Risiken. Die Nachteile bzw. Risiken der Methode überwiegen in der Regel die Vorteile der Anwendung. Die Bereitstellung der Methode erfordert die Beurteilung von Spezialisten, weil die Anwendung der Methode – in der Regel – nicht zu empfehlen ist, es sei denn, dass andere, besser geeignete Methoden nicht verfügbar oder nicht akzeptabel sind. Bei der Anwendung dieser Methode besteht ein unakzeptables Gesundheitsrisiko.
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SCHWERPUNKT
Tabelle 2: Effekt das Alter und BMI auf Venös-Thromboembolie-(VTE)-Risiko mit CHC
VTE-Risiko per 100 000 Frauen
Alter 30–39 Jahre 40–44 Jahre ≥ 45 Jahre BMI BMI 25–29 BMI 30–34 BMI > 35
Quelle: 19, 20, 22
50 100 175
47 60 104
monellen Kontrazeption von besonderer klinischer Bedeutung, da das Fettgewebe an sich ein wichtiges Kompartiment des hormonellen Stoffwechsels darstellt. Daher verändert sich die Sicherheit hormoneller Verhütungsmethoden bei der adipösen Patientin hauptsächlich durch zwei Mechanismen: Zum einen verstärkt sich die Ablagerung der Sexualhormone in den Fettzellen, zum anderen beschleunigt sich zusätzlich deren Abbau durch erhöhte Aktivität der Leberenzyme. Beide Prozesse führen zu einem erniedrigten Hormonspiegel im Blut und zu reduzierter kontrazeptiver Sicherheit (7). Verschiedene Arbeiten (8–13) über Adipositas und orale kontrazeptive Sicherheit zeigen, dass sich bei der Einnahme von oralen hormonellen Kontrazeptiva (ob kombiniert oder als «Gestagen only») bei übergewichtigen und/oder adipösen Frauen (BMI > 27,3) ein leichter absoluter Risikoanstieg für das kontrazeptive Versagen im Vergleich zur oralen Kontrazeptionseinnahme bei Frauen mit normalem BMI ergibt. Der Literaturreview von Trussel und Kollegen im Jahr 2009 (14) fand dagegen keine Evidenz für einen signifikanten Effekt der Adipositas auf Verhütungsversagen der kombinierten oralen hormonellen Kontrazeptiva.
Applikationsformen der kombinierten Kontrazeptiva und Übergewicht Dagegen spielt aber die Applikationsform bei der kombinierten hormonalen Kontrazeption (transdermal appliziert oder vaginal verabreicht) eine grosse Rolle in der kontrazeptiven Sicherheit: Bei der transdermalen Applikationsform (Evra-Matrixpflaster®) ist der Anteil von Verhütungsversagerinnen unter Frauen mit einem Körpergewicht von ≥ 90 kg statistisch signifikant hoch. Hier weist die Fachinformation darauf hin, dass bei einem Körpergewicht von ≥ 90 kg die kontrazeptive Wirksamkeit vermindert sein kann. Die letzte Studie von Westhoff und Kollegen im Jahr 2012 (15) zeigte dagegen bei der Anwendung des intravaginalen Verhütungsrings (NuvaRing®) eine gute ovarielle Suppression auch bei adipösen Frauen, trotz der niedrigen freigesetzten Ethinylöstradiol-
menge von lediglich 15 µg pro Tag (16). Die vaginale Applikation zeichnet sich durch eine hohe Bioverfügbarkeit, wenig Konzentrationsschwankungen und die Umgehung des enterohepatischen Kreislaufs aus. Betreffend des Etonogestrel-Implantes (Implanon®) zeigten die älteren Studien widersprüchliche Daten; gemäss der derzeitigen Studienlage (17) kann Implanon bei adipösen Patientinnen aber als sichere Methode empfohlen werden. Die niedrigere Etonogestrel-Konzentration im Blut während der ersten 6 Monate bei adipösen Patientinnen mit BMI > 30 nach dem Einsetzen des Implantates – im Vergleich zu schlanken Implanonträgerinnen (BMI < 25) – sollte nicht als verringerte kontrazeptive Sicherheit interpretiert werden (18). Mögliche Risiken bei der Anwendung von kombinierten Kontrazeptiva Schwere Nebenwirkungen treten unter der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva sehr selten auf und sind meistens von der individuellen Disposition abhängig (3). Für ein erhöhtes Risiko einer venösen Thromboembolie besteht ein Zusammenhang zwischen Östrogenanteil, Körpergewicht und Lebensalter. Das Thromboserisiko ohne zusätzlichen Risikofaktor ist in den ersten 3 Monaten nach Erstverordnung am höchsten und wird auf 9 bis 10 Fälle von 10 000 Frauen pro Jahr geschätzt. Kommen weitere Risikofaktoren hinzu, wie Adipositas/Rauchen (19–22), kann das Risiko für eine Thrombose oder andere kardiovaskuläre Ereignisse höher liegen (Tabelle 2). Wirkung der kombinierten Kontrazeptiva auf das Körpergewicht Da viele übergewichtige Patientinnen eine weitere Gewichtszunahme durch die hormonelle Kontrazeption befürchten, ist deren Anwendung oftmals unerwünscht. Ältere amerikanische Studien zum Gebrauch oraler kombinierter Kontrazeptiva bei adipösen Patientinnen ergaben, dass diese Patientinnen die Einnahme beendeten, sobald sie eine subjektive Gewichtszunahme bemerkten (23, 24). Die neueren Studien fanden aber keine Evidenz zwischen der Kombination oraler Kontrazeption oder Kombinationspatches und Gewichtsveränderungen. Im neusten Cochrane Database Review (25) wurde kein grosser Effekt der hormonalen kombinierten Kontrazeption auf das Körpergewicht festgestellt. Die Datenlage betreffend «Gestagen-only-Präparate» (26) wie Depot-Medroxyprogesteronacetat ist widersprüchlich (27–29), Gleiches gilt für die Angaben zu Implanon (30). Der Gebrauch einer Mirena®IUD dagegen scheint bei langjährigen Anwenderinnen eine minimale Gewichtszunahme zu zeigen. 20 GYNÄKOLOGIE 1/2015 SCHWERPUNKT Tabelle 3: Kontrazeptiva bei Frauen mit Grunderkrankungen oder Risiken Auszug aus den «WHO Medical Eligibility Criteria for Contraceptiva Use, 4th edition, 2009» (2) Risikofaktor Alter I Menarche bis < 18 Jahre I 18 bis < 40 Jahre I ≥ 40 Jahre Adipositas I BMI ≥ 30 kg/m2 I Menarche bis < 18 Jahre und BMI ≥ 30 kg/m2 Rauchen I Alter < 35 Jahre I Alter ≥ 35 Jahre – < 15 Zigaretten/Tag – ≥ 15 Zigaretten/Tag tiefe Venenthrombose (TVT)/Lungenembolie (LE) I anamnestisch TVT/LE I akute TVT/LE I Z.n. TVT/LE, jetzt unter Antikoagulanzientherapie I familiäre Belastung (Verwandte ersten Grades) I grosse Operationen – lange Immobilisation – kurze Immobilisation I minimale Operationen ohne Immobilisation Bluthochdruck I systolisch 140–159 oder diastolisch 90–99 mmHg I systolisch ≥ 160 oder diastolisch ≥ 100 mmHg I mit Gefässschäden mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren I z.B. Rauchen, Hypertonie, höheres Alter, Diabetes mellitus KOK 1 1 2 2 2 2 3 4 4 4 4 2 4 2 1 3 4 4 3/4 POP D/NE ETG CU-IUP LNG-IUP 12 1 2 (< 20 Lj.) 2 (< 20 Lj.) 11 1 1 (≥ 20 Lj.) 1 (≥ 20 Lj.) 1 2 (> 45 Lj.) 1
1
1
11
11
1
D = 2; N = 1 1
1
1 1
11
11
1
11 11
11 11
1 1
22 33 22 11
21 31 21 11
2 3 2 1
22 11 11
21 11 11
2 1 1
12 23 23
11 21 21
1 2 2
23
21
2
Abkürzungen: KOK: Kombinationspräprat oral, vaginal oder transdermal; POP: orales Gestagenmonopräparat; D: Depot-Medroxyprogesteronacetat; NE: Norethisteronacetat; ETG: Etonogestrel-Implantat (Implanon); CU-IUP: Kupferintrauterinpessar; LNG-IUP: Levonogestrel-Intrauterinpessar.
Allerdings entspricht diese ungefähr der physiologischen Gewichtszunahme, die während des Alterungsprozesses oftmals auftritt (31).
Notfallkontrazeption und Adipositas
Die hormonellen postkoitalen Kontrazeptiva sind für die notfallmässige Anwendung nach ungeschütztem Verkehr oder inadäquater Anwendung von Kontrazeptiva zur Verhinderung ungewollter Schwangerschaften vorgesehen. Sie eignen sich nicht zur regelmässigen Verhütung. Derzeit sind in der Schweiz zwei hormonelle Notfallkontrazeptiva zugelassen: Ulipristalacetat (UPA) 30 mg (EllaOne®), ein selektiver Progesteronrezeptor-Modulator (SPRM) mit einer Halbwertszeit von 32 Stunden, und Levonorgestrel (LNG) 1,5 mg (NorLevo®), ein synthetisches Gestagen mit agonistischer Wirkung auf den Progesteronrezeptor und einer Halbwertszeit von 43 Stunden. Beide Präparate bewirken eine Hemmung der Follikelreifung und eine Verhinderung des LH-Peaks. Uliprostalacetat ist
bis 120 Stunden nach dem Koitus zugelassen, LNG 1,5 mg kann bis 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Die kontrazeptive Sicherheit nimmt sowohl bei LNG 1,5 mg als auch bei Ulipristalacetat mit zunehmendem Körpergewicht (BMI) ab. Eine Wirkungsreduktion tritt unter LNG schon ab einem Körpergewicht von 70 kg, bei UPA erst ab 95 kg auf. Deshalb soll bei übergewichtigen Frauen (BMI > 25 kg/m2) Ulipristalacetat empfohlen werden, und ab einem BMI > 35 kg/m2 ist ein Kupfer-IUD die Methode der Wahl (32, 33).
Zusammenfassung
Adipositas hat einen grossen Einfluss auf die Gesundheit und stellt damit einen wichtigen Prädispositionsfaktor dar für weitere chronische Erkrankungen (u.a. Erkrankungen des kardiovaskulären Systems, erhöhtes relatives Risiko für venöse Thromboembolien [VTE], Diabetes mellitus). Eine Schwangerschaft bei adipösen Patientinnen ist mit erhöhten Risiken asso-
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SCHWERPUNKT
ziiert. Daher sollen die Kontrazeptionsberatung und
die Risikoevaluation bei adipösen Frauen im Blick-
punkt der ärztlichen Beratung stehen. Als Entschei-
dungshilfe stehen die Empfehlungen der WHO
(WHO Medical Eligibility Criteria for Contraceptive
Use) zur Verfügung (Tabelle 1, 3).
Bei Frauen mit Risikofaktoren sollten Kombinations-
präparate aufgrund des erhöhten kardiovaskulären
Risikos vermieden werden. Als Alternativen können
hier die Gestagenmonopräparate, Intrauterinsys-
teme oder eine Sterilisation (ggf. die Vasektomie des
Partners) in Erwägung gezogen werden.
I
Dr. med. Zahraa Kollmann Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: zahraa.kollmann@insel.ch
Katja Wolf Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: Katja.wolf@insel.ch
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