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KONGRESSBERICHT
Chronische sichtbare Hauterkrankungen
Besonders Vitiligo belastet psychisch
Vor allem bei sichtbaren Hautläsionen leiden die Patienten auch psychisch – beispielsweise kämpft etwa jeder zweite Vitiligo-Patient auch mit Depressionen. Wie der Hautarzt die individuelle psychische Krankheitslast beurteilen und den Patienten gegebenenfalls weiterhelfen kann, erläuterte PD Dr. Rachel Sommer (Hamburg) auf der Jahrestagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Berlin.
Schon früh im Leben erfahren Menschen mit sichtbaren Hautläsionen – z.B. mit Vitiligo, Schuppenflechte oder Hämangiomen – dass ihre Hauterkrankung sie stigmatisiert und ausgrenzt. Das bleibt nicht ohne psychische Folgen, die oft das ganze Leben überschatten – nicht nur bei der Partnersuche oder der Berufswahl. Tätigkeiten mit Publikumskontakt werden möglichst vermieden. Und manchmal überwiegt der psychische Teil der Krankheitslast den somatischen. Kurz: Die psychosoziale Belastung ist hoch und vielschichtig, unter anderem mit Schlafstörungen, Angstzuständen, Alkoholismus und Suizidalität assoziiert.
Jeder zweite Vitiligo-Patient leidet an Depressionen Besonders gut ist dies bei Vitiligo nachgewiesen, von der weltweit 0,5–2% aller Menschen betroffen sind. In der globalen VALIANT-Studie wurde die psychische Gesundheit von Patienten mit Vitiligo untersucht (1). Demnach ist bei fast jedem zweiten Vitiligo-Patienten in Europa (49,6%) eine mittelschwere Depressionssymptomatik nachweisbar – wobei Deutschland mit 64,8% der Spitzenreiter ist und Italiener mit 27,0% noch am wenigsten beeinträchtigt sind. Besonders stark leiden Menschen mit dunklerem Hauttyp, deren Läsionen stets sichtbar sind (Hände, Gesicht), oder solche, bei denen grosse Hautflächen betroffen sind.
Aufmerksamkeit für psychische Komorbiditäten schärfen Obwohl es auf der Hand liegt, dass Menschen mit auffälligen Vitiligo-Flecken höchstwahrscheinlich auch eine psychische Last mit sich herumtragen, unterschätzen Dermatologen im Alltag dies häufig, sagte Frau Dr. Sommer. Die Gesundheitswissenschaftlerin berichtete von einer Studie, bei der 3635 Hautarzt-Konsultationen analysiert wurden. Danach erkannten Dermatologen nur bei 44,0% der Vitiligo-Patienten mit Depressionen auch die Depression; vorhandene Angstzustände wurden nur zu 35,6% identifiziert (2). Fazit dieser europaweiten Studie: Dermatologen sollten entsprechend geschult werden, damit sie Depressionen und Angstzustände erkennen.
Screening-Tools zur Lebensqualität und psychischen Belastung Diese Forderung ist allerdings nur schwer umzusetzen. Wie soll eine ausführliche psychologische Anamnese in einer Sprech-
stunde mit den kurz bemessenen Zeitfenstern erfolgen? Hier hilft in der heutigen Zeit die Elektronik: unter www.dermavalue.com können für alle häufigen Hauterkrankungen – von Akne bis Vitiligo – elektronische Fragebögen für die verschiedenen Erkrankung-Indizes, aber auch für die Lebensqualität heruntergeladen werden. Diese Fragebögen sind jeweils auf die verschiedenen Erkrankungsbilder zugeschnitten. Beispiele zur Beurteilung der Lebensqualität und psychosozialen Befindlichkeit: • EFLQA (electronic Freiburg Life Quality Assessment) Elektronischer Freiburger Fragebogen zur Erfassung der
Lebensqualität • EDLQI (electronic Dermatology Life Quality Index) elektronischer Dermatologischer Lebensqualitäts-Index • eWHO-5 (electronic WHO (Five) Well-Being Index) Elektronischer WHO (Fünf) – Fragebogen zum Wohlbefinden • eDermCLCI-r, eDermCLCI-p (electronic questionnaire on
Cumulative Life Course Impairment in skin diseases – retro-/ prospective) Elektronischer Fragebogen zur kumulativen Beeinträchtigung im Lebensverlauf bei Hauterkrankungen – retro-/prospektiv.
Psychosoziale Unterstützung via Internet Nun ist es sicherlich wünschenswert, wenn bei Dermatologen die Aufmerksamkeit für psychische Komorbiditäten geschärft wird und auch vorläufige Diagnosen gestellt werden können. Doch Hautärzte sind keine Psychologen. Wie also den Patienten weiterhelfen? Auch hier bietet Dermavalue unter der Rubrik «Solutions» Tipps: Für die jeweiligen Erkrankungen sind die entsprechenden (deutschen) Selbsthilfe-Organisationen mit den Kontaktdaten aufgeführt. Weiterhin werden den Patienten auch Online-Portale empfohlen, die Rubriken für einzelne Krankheitsbilder führen, z.B. auf Hautkompass.de.
In ihrem Fazit betonte Sommer, dass bei chronischen Hauterkrankungen ein möglichst frühes Screening auf psychische Komorbiditäten wichtig ist. Nicht zuletzt, um auch möglichst früh die Patienten einer psychosozialen Unterstützung zuzuführen und ihnen somit die Krankheitslast zu erleichtern.
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Satellitensymposium «Vitiligo im Dialog – die Plenumsdiskussion» (Veranstalter: Incyte Bioscience Germany GmbH) bei der Jahrestagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) am 1. Mai 2925, Berlin
18 dermatologie & ästhetische medizin 3 | 2025
Referenzen: 1. Bibeau K et al.: Mental Health and Psychosocial Quality-of-Life
Burden Among Patients With Vitiligo: Findings From the Global VALIANT Study. JAMA Dermatol. 2023;159(10):1124-1128. doi:10.1001/jamadermatol.2023.2787 2. Dalgard FJ et al.: Dermatologists across Europe underestimate depression and anxiety: results from 3635 dermatological consultations. Br J Dermatol. 2018;179(2):464-470. doi:10.1111/bjd.16250
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