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KONGRESSBERICHT
Entzündliche Nagelerkrankungen
Wieder schöne Nägel trotz Psoriasis, Acrodermatitis Hallopeau oder Lichen planus
Chronische Entzündungen an den Nägeln sind nicht nur schmerzhaft, sie wirken auch oft entstellend. Dr. Matilde Iorizzo berichtete auf dem Swiss Derma Day, wie den Patienten geholfen werden kann. Dazu gibt es mehr als Glukokortikoide.
Chronische Entzündungen um und an den Nägeln werden zwar oft nur als minderschwere Begleiterscheinung anderer immunologischer Erkrankungen betrachtet, aber sie setzen den Betroffenen je nach Ausprägung schwer zu. Jeder Handgriff kann schmerzen, splitternde Nägel bleiben an vielen Materialien wie Stoffen hängen, die Hände sehen ungepflegt aus. Und wer will schon eine offensichtlich kranke Hand schütteln?
Am häufigsten sieht der Dermatologe solche chronischentzündlich veränderten Nägel bei Schuppenflechte (Abbildung 1). 60% der Psoriatiker haben eine mehr oder weniger ausgeprägte Beteiligung der Nägel. Diese reicht von sehr diskreten Tüpfelnägeln über Ölflecke, Krümelnägel bis zu schwerer Onycholyse. Bei 10% spielt sich die Schuppenflechte ausschliesslich an den Nägeln ab. Sind Nagelveränderungen schon bei kleinen Kindern festzustellen, deutet dies auf einen schweren Psoriasis-Verlauf hin, wie Dr. Matilde Iorizzo, niedergelassene Dermatologin aus Lugano und Bellinzona, auf dem Swiss Derma Day in Luzern erläuterte.
Ob diese Veränderungen auftreten, hängt unter anderem vom biomechanischen Stress und von Mikrotraumata (KöbnerPhänomen) ab, die eine adaptive Immunantwort hervorrufen. Immunologisch sind die Entzündungsmediatoren TNF-α, IL-17 und IL-23 beteiligt.
Im Vergleich zu Patienten, die nur Schuppenflechte an der Haut aufweisen, finden sich bei den Nagel-Psoriatikern auch häufiger eine Gelenkbeteiligung, Enthesitis und eine Onychomykose. Und Nagelpsoriasis finde sich unter Rauchern häufiger als unter Nichtrauchern mit Schuppenflechte, berichtete Iorizzo.
Nagel-Therapie erfordert Geduld Die Behandlung – in erster Linie die Entscheidung, ob topisch oder systemisch – richtet sich nach der Ausprägung der Nagelveränderungen und der Grunderkrankung. Dr. Iorizzo schickte jedoch voraus, dass jedwede Behandlung der Nägel Geduld brauche. Bis eine Wirkung nachzuweisen ist, muss der Nagel wachsen – und das dauert: Zehennägel wachsen im Durchschnitt 1,5 mm und Fingernägel etwa 3 mm pro Monat.
Eine Nagelpsoriasis gilt als leicht, wenn nicht mehr als drei Nägel befallen sind, und als schwer bei mehr betroffenen Phalangen und/oder wenn sowohl Nagelmatrix als auch Nagelbett beteiligt sind.
Üblicherweise wird mit Glukokortikoiden oder Vitamin-DAnaloga behandelt – als Externa und/oder als intraläsionale Injektionen in den periungualen Bereich, damit die Wirkstoffe die darunter liegende Matrix erreichen.
Während Methotrexat als systemische Therapie sehr lange brauche und hohe Dosen erfordere, bis sich ein Erfolg am Nagel zeigt, sei auch die Injektion von Methotrexat in die Nagelmatrix eine Möglichkeit, die von den Patienten auch ohne Nervenblockade am Fingergrundgelenk von den Patienten toleriert würde, so Dr. Iorizzos Erfahrung. Bei Nagelbettbeteiligung haben sich auch die Topika Clobetasol und Betamethason in Kombination mit Calcipotriol bewährt.
Für die topische Behandlung sind bereits weitere Wirkstoffe in der Pipeline. Als Beispiel nannte Iorizzo den JAK-Inhibitor Tofacitinib – als 2%ige Creme oder Salbe zweimal täglich aufgetragen. Allerdings dürften sich die Patienten jeweils zwei Stunden danach nicht die Hände waschen. Zumindest kurzfristig erfolgreich sei ein Ciclosporin-Hydrogel, was sich aus der Lösung für die orale Anwendung herstellen lasse und eine rasche Wirkung zeige, die aber ebenso schnell wieder nachlasse.
Immunologika auch bei Nagel-Psoriasis im Kommen Bei der systemischen Anwendung werden derzeit die Wirkstoffe getestet, die sich bereits bei Plaque-Psoriasis bewährt haben. Hier stellte Iorizzo stellvertretend Apremilast vor: Der PDE-4-Hemmer bewirkt einen 50–60%igen Rückgang im NAPSI-Score (Nail Psoriasis Severity Index) innerhalb von sechs Monaten. Ebenfalls erprobt wird der JAK-Hemmer Deucravacitinib, ein Tyrosinkinase2-Inhibitor, dem im Arzturteil ein Rückgang der Symptome um 42% nach 24 Wochen bescheinigt wurde. In einer anderen Studie belief sich die Besserung allerdings nur auf 32% nach einem Jahr Behandlung.
Auch die monoklonalen Antikörper, die bei der PsoriasisBehandlung zum Einsatz kommen, haben sich an den Nägeln bewährt. Allerdings gibt es hier durchaus Unterschiede, vor allem, was die Effektivität und Geschwindigkeit der Wirkung angeht. Von sieben bei Psoriasis einsetzbaren Biologika war die absolute Wahrscheinlichkeit, eine vollständige Abheilung der Nägel nach 24 Wochen zu erreichen, für Ixekizumab am höchsten (46,4%), gefolgt von Brodalumab (37,1%) und Bimekizumab (30,3%). Anders sah es jedoch nach einem Jahr
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Behandlung aus: Wieder war die Wahrscheinlichkeit für erscheinungsfreie Nägel bei Ixekizumab am höchsten (77,2%), jetzt folgten jedoch Adalimumab (75,6%) und Brodalumab (71,9%) (1).
Bei einem Head-to-Head-Vergleich von Bimekizumab (Bimzelx®) und Secukinumab (Cosentyx®) bei Patienten, die zu Beginn einen mNAPSI von mehr als 10 Punkten hatten, ergab sich eine leichte Überlegenheit für Bimekizumab. Bis zur 48. Behandlungswoche wurden unter Bimekizumab bei 70,7% der Teilnehmer die Nägel erscheinungsfrei, unter Secukinumab waren es 53,5%. Die Studie untersuchte auch den Effekt auf die einzelnen Nagel-Symptome. Besonders effektiv waren die beiden IL-17-Hemmer bei den Krümelnägeln, der Onycholyse und der Nagelbett-Hyperkeratose: Diese besonders entstellenden Symptome verschwanden unter Bimekizumab bei über 80% der Teilnehmer (2).
Abbildung 1: Nagelveränderungen bei Psosiasis (Foto: M. Iorizzo)
Schmerzhaft und eitrig: Acrodermatitis Hallopeau Deutlich seltener als die Nagel-Psoriasis ist die Acrodermatitis continua Hallopeau (ACH); Inzidenz und Prävalenz sind nicht bekannt. Die ACH ist gekennzeichnet durch primäre, persistierende (> 3 Monate), sterile, makroskopisch sichtbare Pusteln an den distalen Phalangen von Händen und Füssen (Abbildung 2). Der Nagelapparat und häufig auch das Paronychium sind betroffen. Weil die ACH häufig mit Psoriasis assoziiert ist, wird sie gelegentlich auch als Sonderform der pustulösen Schuppenflechte eingeordnet. Laut Dr. Iorizzo treten die schmerzhaften Entzündungen eher an den Fingern – meist nur ein bis zwei Finger – als an den Zehen auf; hauptsächlich sind Frauen im mittleren Lebensalter betroffen. Im Verlauf drohen nicht nur der Nagelverlust, es kommt auch zur Osteolyse der distalen Phalangen. Die Sterilität der Pusteln sollte mit Bakterienabstrich und Mykologie bewiesen werden. Eine Biopsie kann die Diagnose unterstützen.
Die ACH erfordert eine Systemtherapie. Wie Iorizzo berichtete, liegen trotz der dünnen Studienlage zu einigen Systemtherapeutika Daten vor. So werden mit Acitretin Ansprechraten bis zu 30% erreicht. Auf Ciclosporin sprechen immerhin etwa 20% der Patienten an. Wenn das der Fall ist, wirke Ciclosporin recht schnell, sei allerdings nicht besonders effektiv, sagte Iorizzo.
Auch mit den bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen eingesetzten Biologika wurden Behandlungsversuche unternommen. Allerdings ist die Datenlage aufgrund der Seltenheit der ACH eher gering. Hier zitierte Iorizzo eine chinesische Studie, nach der der IL-36-Rezeptorblocker Spesolimab unter den Biologika mit 75,0% die Nase vorn hatte – allerdings war er nur bei drei Patienten eingesetzt worden. Auf den IL-17A-Hemmer Ixekizumab sprachen acht von 18 Patienten an, was einer Responderrate von 44,4% entspricht (3).
Lichen planus am Nagel Nicht ganz so selten wie die ACH ist der Lichen planus der Nägel (Abbildung 3).
Die weltweite Prävalenz des Lichen planus wird auf 0,5 bis 1,0% geschätzt, davon haben 10-15% Nagelmanifestationen.
Abbildung 2: Nagelveränderungen bei Acrodermatisis continua Hallopeau (Foto: M. Iorizzo)
Abbildung 3: Nagelveränderungen bei Lichen planus (Foto: M. Iorizzo) Besonders häufig ist die Nagelbeteiligung, wenn auch an der Mund- oder Genitalschleimhaut Lichen-planus-Läsionen bestehen. Dagegen ist ein Nagel-Lichen planus (NLP) ohne
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Haut-, Schleimhaut- oder Haarbeteiligung selten. Die Erkrankung hat ein hohes Vernarbungspotenzial, das heisst, es kann zu einer dauerhaften Zerstörung des Nagelapparates kommen. Wie bei den anderen chronisch-entzündlichen Nagelerkrankungen gehen die Nagelläsionen mit schwerwiegenden funktionellen und psychosozialen Folgen einher.
Bei NLP sind überwiegend die Fingernägel betroffen – meist mehrere, durchschnittlich etwa sieben Fingernägel. Klinische Symptome sind: • verdünnte und verkürzte, häufig ausgefranste Nagelplatten
mit Längsverwerfungen • partielle oder auch komplette Onychodystrophie ist mög-
lich • Aufrauungen (Trachyonychie) der Nagelplatte • Längsriffelungen (nicht Lichen-planus-spezifisch, werden
am häufigsten beobachtet) • Tüpfelnägel • Erythronychie (rote Längsstreifungen) • rote oder «gesprenkelte» Lunulae • distale Onycholyse • Pterygium unguium (mit strangförmigen Synechien zwi-
schen Nagelfalz und Nagelbett).
Irreversibler Nagelverlust droht Wegen der Gefahr des irreversiblen Nagelverlustes wird von vielen Experten eine rasche und aggressive Behandlung empfohlen. Derzeit gibt es jedoch keine Leitlinien für die Behandlung bei NLP. Der leider noch begrenzten Studienlage zufolge werden laut Iorizzo intraläsionale und intramuskuläre Triamcinolonacetonid-Injektionen als Erstlinientherapie empfohlen. Orale Retinoide sind die zweite Wahl, und Immunsuppressiva können ebenfalls in Betracht gezogen werden.
Vielversprechend: JAK-Hemmer Derzeit werden auch die Immuntherapeutika und hier besonders die Januskinase(JAK)-Inhibitoren als systemische Therapieoption bei Lichen planus der Nägel erforscht. Denn neueren Erkenntnissen zufolge ist der hochregulierte JAK1-
STAT1-Signalweg eine der wesentlichen pathophysiologischen Ursachen bei LP.
Für Abrocitinib, Upadacitinib sowie Baricitinib wurden mit Erfolg bei der Nagel-LP erste Erfolge verzeichnet, wie Dr. Iorizzo berichtete. Und auch Tofacitinib wirkt offenbar bei NLP, indem es die JAK1/3-STAT-Signalwege hemmt, was zur Unterdrückung des Interferon-γ-vermittelten Signals führt. Dies ist eine der Hauptkomponenten des LP-Entzündungsinfiltrats, das für die Keratinozyten-Apoptose des dermoepidermalen Übergangs und die anschliessende Gewebeschädigung verursacht.
Zwar gilt die topische Behandlung bei NLP als schlecht und wenn überhaupt nur als kurzfristig wirksam. Aber dies trifft möglicherweise nicht für Tofacitinib zu. Dr. Iorizzo berichtete von einer eigenen Pilotstudie, bei der drei NLP-Patienten zweimal täglich eine Creme aus 2%igem Tofacitinib-Pulver, Phenoxyethanol und Cremebasis DAC in den periungualen Bereich und auf die Nagelplatte auftrugen und sich dann mindestens vier Stunden nicht die Hände wuschen. Nach 12 Wochen zeigten alle Patienten eine signifikante Verbesserung ihrer Nagelplatten, bei zweien waren nur noch geringe Nagelveränderungen sichtbar, ein Patient war völlig erscheinungsfrei. Die Patienten berichteten über eine gute Compliance ohne lokale und systemische Nebenwirkungen (4).
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Swiss Derma Day, am 16. Januar 2025 in Luzern.
Referenzen: 1. Egeberg A et al.: Network meta-analyses comparing the efficacy of biolo-
gic treatments for achieving complete resolution of nail psoriasis at 24-28 and 48-52 weeks. J Dermatolog Treat. 2023;34(1):2263108. doi:1 0.1080/09546634.2023.2263108 2. Eyerich KG et al.: 43878 Bimekizumab versus secukinumab for the treatment of nail psoriasis in patients with moderate to severe plaque psoriasis: Results from the BE RADIANT phase 3b trial, Journal of the American Academy of Dermatology, 2023;89(3):AB22 (Kongress-Poster AAD 2023). 3. Yuan L et al.: Acrodermatitis continua of hallopeau: aggravating factors and treatment outcomes of 96 patients. J Dermatolog Treat. 2024;35(1):2434098. doi:10.1080/09546634.2024.2434098 4. Iorizzo M.: Efficacy of topical tofacitinib 2% cream in the treatment of nail lichen planus. Indian J Dermatol Venereol Leprol. Published online January 17, 2025. doi:10.25259/IJDVL_1443_2024
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