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Efeuextrakt1
Ein Beispiel rationaler Phytotherapie
Extrakte aus Efeu haben deutliche bronchospasmolytische und sekretolytische Eigenschaften. Ihr therapeutischer Nutzen bei Husten und Bronchialerkrankungen konnte in klinischen Studien vielfach unter Beweis gestellt werden. Umfangreiche Daten bestätigen darüber hinaus die Sicherheit insbesondere für die Anwendung bei Kindern. Inzwischen ist es der Phytoforschung auch gelungen, dem pharmakologischen Wirkprinzip des Wirk-
forderten wissenschaftlichen Standard entsprechen, gesichert ist. Extrakte aus den Blättern der Heilpflanze (Hedera helix L.) verfügen über ein ausgeprägtes sekretolytisches, bronchospasmolytisches Potenzial, das einem hohen Gehalt an Triterpensaponinen zu verdanken ist. Extrakte aus Efeublättern sind indiziert bei Bronchialerkrankungen mit dem Symptom «produktiver Husten». Dazu zählen ◆ Husten im Rahmen von Erkältungs-
krankheiten ◆ akute und chronische Bronchitis sowie ◆ obstruktive Atemwegserkrankungen wie
COPD und Asthma bronchiale. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit bei diesen Indikationen gilt als belegt. Der pflanzliche Wirkstoff (Efeublätter-Trockenextrakt) konnte in kontrollierten klinischen Studien nicht nur seine Überlegenheit gegenüber Plazebo unter Beweis stellen, sondern hielt auch dem Vergleich mit konventionellen Sekretolytika stand.
Auch an Kindern ist die klinische Effizienz belegt
So prüfte beispielsweise die Arbeitsgruppe um Meyer-Wegener die Wirksamkeit eines wässrig-ethanolischen Extrakts aus Efeu-
blättern (Auszugsmittel Ethanol 30%, DEV 5–7,5:1; Handelsname Prospan®) gegen Ambroxol in einer kontrollierten doppelblinden Vergleichsstudie. Aufgenommen waren 99 an chronischer beziehungsweise obstruktiver Bronchitis leidende Patienten im Alter zwischen 25 und 70 Jahren. Der Extrakt erwies sich dabei dem konventionellen Sekretolytikum nicht nur als ebenbürtig, sondern sogar als tendenziell überlegen. Die vierwöchige Behandlung mit dem Phytopharmakon bewirkte eine deutliche Steigerung der Vitalkapazität von 1,84 l auf 3,11 l gegenüber 2,89 l auf 2,92 l unter Ambroxol. Auch hinsichtlich aller anderen charakteristischen Bronchitissymptome fanden sich für beide Prüfpräparate vergleichbare Ergebnisse. In einer kontrollierten, im Cross-over-Design angelegten Untersuchung der Forschergruppe um H.-J. Mansfeld (1998), an der 24 Kinder mit gesicherter Diagnose Asthma bronchiale teilnahmen, konnte durch die Behandlung mit dem gleichen Extrakt eine gegenüber Plazebo signifikante Abnahme des Atemwegswiderstands beziehungsweise Verbesserung der Lungenfunktionsparameter erzielt werden (Abbildung 1).
stoffs auf die Spur zu kommen.
von Dr. Manuela Stauss-Grabo et al.
Die Anwendung von Efeu als Heilmittel bei Erkrankungen der Atemwege hat eine lange Tradition. Heute zählt Efeu zu den besonders gut erforschten Phytopharmaka, deren Effizienz durch Studien, die dem ge-
1 Originalpublikation in: NaturMed Nr. 5, Oktober 2009, S. 18–22. Zweitpublikation mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Verlags.
Abbildung 1: Wirksamkeit
Bildnachweis: Mansfeld HJ et al., MMW 140. Jahrgang 3, S. 26–30, 1998 (2), jupiterimages (1)
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Abbildung 2: Efeu (Hedera helix L.)
Da der Nachweis der klinischen Wirksamkeit meist für ethanolische Lösungen erbracht worden war, unterzogen Gulyas et al. zwei unterschiedliche Darreichungsformen des genannten Efeublätter-Trockenextrakts, nämlich eine wässrig-ethanolische Zubereitung (Prospan®-Tropfen) und eine ethanolfreie Darreichungsform (Prospan®Kindersaft), einem Wirksamkeitsvergleich. In die Studie einbezogen waren 25 Kinder im Alter von 10 bis 16 Jahren, die an COPD litten. Als Einschlusskriterium galt eine Reversibilität der Bronchialobstruktion nach Inhalation von Salbutamol von mehr als 15 Prozent. Die Ergebnisse belegen für beide Zubereitungsformen eine gleichermassen deutliche Verbesserung der spirometrisch gemessenen Lungenfunktionsparameter. Wie der Äquivalenzvergleich ergab, erfordert aber eine Zubereitung ohne alkoholischen Zusatz eine etwa zwei- bis dreifach höhere Dosierung, um den gleichen pharmakodynamischen Effekt zu erzielen wie eine ethanolische Lösung.
Arzneimittelsicherheit ist gut dokumentiert
Daneben untermauert eine Reihe breit angelegter Anwendungsbeobachtungen die klinische Effizienz des pflanzlichen Arzneimittels in unterschiedlichen Darreichungsformen und dokumentiert insbesondere eine ausgezeichnete Verträglichkeit – sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kin-
dern. In einer aktuellen Post-MarketingStudie von S. Fazio et al. (2009) erhielten insgesamt 9657 Patienten (darunter 5181 Kinder), die an akuter oder chronischer Bronchitis litten, einen EfeublätterTrockenextrakt in der Darreichungsform als Sirup (DEV 5–7,5:1; alkoholischer Auszug 30%), in den für die jeweiligen Altersgruppen vom Hersteller empfohlenen Dosierungen. Schon nach sieben Tagen der Behandlung zeigte sich bei 95 Prozent der behandelten Patienten eine deutliche Besserung der Symptomatik oder Beschwerdefreiheit. Die Sicherheit der Therapie erwies sich mit einer Inzidenz unerwünschter Ereignisse von lediglich 2,1 Prozent als ausgesprochen hoch. Wie die Autoren ausserdem feststellen konnten, erbrachte eine Begleittherapie mit Antibiotika keinen zusätzlichen Nutzen hinsichtlich des therapeutischen Effekts, sie erhöhte jedoch das relative Risiko für das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen um etwa 26 Prozent. Eine weitere Anwendungsbeobachtung (2002) mit insgesamt 1350 Patienten (Erwachsene und Kinder ab vier Jahren) mit chronischer Bronchitis prüfte einen Efeublätter-Trockenextrakt (Prospan®) unter den Praxisbedingungen des Alltags. In einer altersentsprechend angepassten Tagesdosis von 97,5 bis 130 mg Extrakt erzielte die Behandlung mit dem Phytopharmakon bis zum Ende des vierwöchigen Beobachtungszeitraums eine deutliche Besserung der Symptomatik oder sogar Beschwerdefreiheit, und zwar für die Leitsymptome ◆ Husten in 92,2 Prozent aller Fälle ◆ Auswurf bei 94,2 Prozent ◆ Atemnot bei 83,1 Prozent und ◆ respiratorische Schmerzen bei 86,9 Pro-
zent. Der Anteil völlig beschwerdefreier Patienten (für alle vier Symptome) lag dabei immerhin bei 38 Prozent. Der Extrakt erwies sich auch in dieser Untersuchung als sehr gut verträglich, lediglich bei 0,2 Prozent traten leichte unerwünschte Nebeneffekte auf. Zu einer vergleichbaren Einschätzung der Arzneimittelsicherheit gelangte auch eine neue nicht interventionelle Studie (2009), in die insgesamt 331 Erwachsene, Jugendliche und Kinder beiderlei Geschlechts eingeschlossen waren. 312 Patienten erhielten das Prüfpräparat (Prospan® Hustentabletten), das in einer Dosierung von wenigs-
tens zweimal zwei Tabletten verabreicht werden sollte, wegen Hustens im Rahmen einer Erkältungskrankheit, zwölf Patienten wurden wegen einer chronisch entzündlichen Bronchialerkrankung damit behandelt. Während des gesamten Beobachtungszeitraums traten keine unerwarteten oder schwerwiegenden Begleiteffekte auf. Der überwiegende Anteil der Patienten wie auch der Prüfärzte bewertete die Verträglichkeit der Medikation als sehr gut oder gut. Auch die Compliance wurde mehrheitlich als gut beurteilt.
Gute Verträglichkeit prädestiniert zur Anwendung im Kindesalter
Die wohl umfangreichste Dokumentation zur Verträglichkeit eines Efeuextrakts im Kindesalter entstammt einer Anwendungsbeobachtung von K. Kraft. Da systematische Untersuchungen zur Verträglichkeit bei Säuglingen und Kleinkindern noch ausstanden, war es das Anliegen der Autorin, diese Altersgruppe gezielt einzuschliessen. In der Untersuchung wurden retrospektiv die Daten von insgesamt 52 478 Kindern ausgewertet, die wegen Atemwegserkrankungen mit einem alkoholfreien Efeublätter-Trockenextrakt (DEV 5–7,5:1; Handelsname Prospan® Hustensaft) behandelt worden waren. 51 Prozent der Kinder waren ein bis fünf Jahre alt. Die Verordnungen erfolgten mehrheitlich in den vom Hersteller empfohlenen altersentsprechenden Dosierungen. Der Extrakt erwies sich mit einer Gesamtinzidenz unerwünschter Ereignisse von 0,22 Prozent als ausgesprochen gut verträglich. Die auftretenden Nebenwirkungen waren überwiegend leichter Art, wobei der Hauptanteil mit 0,17 Prozent auf gastrointestinale Begleiterscheinungen entfiel. Die Inzidenz erwies sich als altersabhängig und war bei Kindern im ersten Lebensjahr mit 0,4 Prozent am höchsten, wobei Diarrhöen mit 0,27 Prozent am häufigsten auftraten. Die Untersuchung bestätigt die in früheren Studien dokumentierte Sicherheit des pflanzlichen Arzneimittels und unterstreicht die gute Verträglichkeit im Kindesalter.
Molekulares Wirkprinzip entschlüsselt
Bislang wurde angenommen, dass die sekretolytischen Effekte von Efeuextrakten über reflektorische parasympathische
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Reize zwischen Magen- und Bronchialschleimhaut vermittelt würden. Diese Hypothese gilt heute als überholt. Wie in pharmakologischen Modellen festgestellt werden konnte, scheint das molekulare Wirkprinzip der Heilpflanze vielmehr auf beta-2-adrenergen Effekten zu beruhen, die den insbesondere in Efeublättern enthaltenen Saponinen zu verdanken sind, nämlich ◆ Alpha-Hederin und ◆ Hederacosid C (das als Prodrug im Orga-
nismus zu Alpha-Hederin metabolisiert wird). Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine direkte Interaktion mit dem Beta-2-Rezeptor, sondern um indirekte Mechanismen, die letztlich zur gesteigerten Produktion des Oberflächenfaktors Surfactant in den Lungenalveolen führen. Dieser bewirkt eine Minderung der Sekretviskosität und ist massgeblich daran beteiligt, dass der Flüssigkeitsfilm in den Lungenalveolen eine deutlich geringere Oberflächenspannung aufweist als andere wässrige Grenzschichten. Dadurch ermöglicht Surfactant eine optimale Belüftung der Alveolen. Er wird fortlaufend cAMP-abhängig in spezialisierten Zellen des Alveolarepithels gebildet, in vesikulären Strukturen gespeichert und durch Exozytose an die epitheliale Oberfläche sezerniert. Induziert wird dieser Mechanismus durch Bindung des Signalstoffs Adrenalin an den membranständigen beta-2-adrenergen Rezeptor, der eine Aktivierung der intrazellulären Adenylatzyklase auslöst. Die Zelle ist allerdings in der Lage, die Rezeptorendichte auf ihrer Membran selbst zu regulieren, um die Viskosität des Sekrets zu steuern. So kann beispielsweise der Beta-2-Rezeptor internalisiert, das heisst aus seinem membranständigen Funktionscluster heraustransportiert und in Einstülpungen der Zellmembran (coated pits) durch Endozytose ins Zellinnere verlagert werden. Zu einer solchen Reduktion der Rezeptorendichte kommt es beispielsweise im Rahmen von Entzündungen. Alpha-Hederin ist in der Lage, diese Internalisierung von Beta-2-Rezeptoren zu verlangsamen und so die beta-2-adrenerge Ansprechbarkeit des Alveolarepithels wieder zu erhöhen. Dies hat eine gesteigerte Produktion von Surfactant und eine Viskositätsminderung des Sekrets zur Folge – ein Effekt, der als hustenreizlindernd empfunden wird. Die konzentrationsabhängige
Abbildung 3: Alpha-Hederin hemmt die Internalisierung von Beta-2-Rezeptoren und führt unter stimulierenden Bedingungen zu einer gesteigerten beta-2-adrenergen Ansprechbarkeit humaner Lungenepithelzellen.
Linke Seite: Einfluss der Stimulation des beta-2-adrenergen Rezeptors auf die Surfactantbildung in Alveolarepithelzellen des Typs 2. Die Stimulation regt Alveolarepithelzellen zur vermehrten Bildung von Surfactant an, der den zähen Bronchialschleim zu verflüssigen vermag. Rechte Seite: Einfluss der Stimulation des beta-2-adrenergen Rezeptors auf intrazelluläre Ca2+-Konzentrationen von Zellen der Bronchialmuskulatur: Bronchialmuskelzellen vermindern unter beta-2-stimulierenden Bedingungen den intrazellulären Ca2+-Spiegel. Dies führt bei Bronchitis zur Relaxation der verkrampften Bronchialmuskulatur und erklärt plausibel die bronchospasmolytische Wirkung von Efeublätter-Trockenextrakt (DEV 5–7,5:1; Auszugsmittel Ethanol 30%).
Hemmung der Internalisierung von Beta2-Rezeptoren durch Alpha-Hederin konnte in immunhistochemischen Untersuchungen nachgewiesen werden. Auch die bronchospasmolytische Wirkung lässt sich über diesen indirekten Angriffspunkt der Efeuinhaltsstoffe an den beta-2adrenergen Rezeptoren erklären. Diese finden sich auch auf den Muskelzellen der glatten Bronchialmuskulatur. Durch Anstieg der cAMP-Konzentration kommt es hier zu einer Verringerung der intrazellulären Ca2+-Konzentration und damit zur Relaxation der Bronchialmuskulatur. Diese molekularen Wirkmechanismen erklären die in klinischen Studien festgestellten deutlichen sekretolytischen und bronchospasmolytischen Eigenschaften von Efeublätter-Trockenextrakten.
Zusammenfassung
Efeublätter-Trockenextrakt stellt ein klinisch und pharmakologisch gut erforschtes Phytopharmakon dar. Die mit einem genau definierten Efeublätter-Trockenextrakt (Prospan®) gewonnenen Daten können nicht auf andere Präparate übertragen werden. Darüber hinaus ist auch der klinische Nachweis eines zusätzlichen Nutzens
durch die Kombination mit anderen pfanz-
lichen Wirkstoffen (z.B. Thymian) zu füh-
ren. Die langjährigen positiven therapeu-
tischen Erfahrungen mit dem Expektorans
beruhen auf indirekten Interaktionen der
Inhaltsstoffe mit dem beta-2-adrenergen
System. Umfangreiche Studiendaten be-
stätigen Wirksamkeit und Verträglichkeit
des Efeublätter-Trockenextrakts insbeson-
dere bei der Anwendung im Kindesalter.
Damit steht für Atemwegserkrankungen,
die einer sekretolytischen und broncho-
spasmolytischen Behandlung bedürfen,
eine effiziente und sichere Therapieoption
zur Verfügung.
◆
AUTOREN: Dr. Manuela Stauss-Grabo E-Mail: m.stauss-grabo@engelhard-am.de Saynab Atiye Dr. Oliver Schmidt Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG Niederdorfelden Professor Dr. Frank Runkel Institut für Biopharmazeutische Technologie University of Applied Sciences, Giessen E-Mail: frank.runkel@tg.fh-giessen.de
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