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FORSCHUNG
Eine Baldrian-Hopfen-Kombination als pflanzliches Schlafmittel
Wissenschaftliche Belege für ergänzende Wirkung
Pflanzliche Schlafmittel werden von Vertretern «richtiger» Medikamente verharmlost und im Falle echter Schlafstörungen als unwirksam dargestellt. Phytotherapeutisch tätige Fachleute kennen den Nutzen von pflanzlichen Präparaten aber wohl. Eine gut ausgewählte Kombination kann sogar zur Regulierung eines physiologischen Schlafs beitragen. Der folgende Artikel gibt Hinweise dafür.
Christoph Bachmann
Klinische Studie
Bei den vielen pflanzlichen Kombinationspräparaten, die zur Schlafförderung eingesetzt werden, gibt es einige, deren Wirksamkeit durch klinische Studien bestätigt wurde. Dies ist zum Beispiel beim BaldrianHopfen-Extrakt Ze 910191 der Fall. Dabei
1 Handelspräparate in der Schweiz: Redormin® 500 Filmtabletten Valverde® Schlaf forte Filmtabletten
handelt es sich um ein Präparat, das als Wirkstoff eine Kombination aus 500 mg Baldrianextrakt (Valeriana officinalis DEV 5,3:1, Auszugsmittel: 45% Methanol) und 120 mg Hopfen (Humulus lupulus, DEV 6,6:1, Auszugsmittel 45% Methanol) enthält. Die Wirksamkeit dieses pflanzlichen Kombinationspräparats wurde mit einer klinischen Studie überprüft (1). Dabei handelte es sich um eine dreiarmige, randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Prospektivstudie. Die drei Studienarme beinhalteten a) Baldrian-Hopfen-Extrakt Ze 91019 b) Baldrianextrakt Ze 911 (identisch mit dem
Baldriananteil des Extrakts Ze 91019) c) Plazebo.
Primäre Zielvariable war die Einschlaflatenz nach einer vierwöchigen Behandlung mit einem der drei Studienpräparate. Sekundäre Zielvariablen waren der Schlafverlauf nach Eintritt des Schlafs, die Schlafeffizienz, der Anteil der verschiedenen Schlafphasen an der Schlafdauer, die REMLatenz und der klinische Gesamteindruck. Die Messungen wurden bei den Patienten zu Hause mit einem Schlafmonitor vorgenommen und die Resultate wurden statistisch ausgewertet. Für die Studie wurden 43 Patienten rekrutiert von denen 30 den Einschlusskriterien (≥ 18 Jahre, nicht organisch bedingte Schlaflatenz ≥ 30 min) genügten und nicht von den genau festgelegten Ausschlusskriterien an der Teilnahme der Studie gehindert wurden. Die Resultate von 27 Probanden konnten ausgewertet werden. Bei der Verringerung der Schlaflatenz erwies sich der BaldrianHopfen-Extrakt Ze 91019 gegenüber Plazebo als signifikant überlegen (Plazebo: keine Verminderung der Schlaflatenz; Ze 91019: 44,5 min). Auch in der Gruppe, die
das Baldrianmonopräparat einnahm, verminderte sich die Latenzzeit des Einschlafens (22,1 min). Dieser Unterschied erreichte aber keine Signifikanz. Bei der Auswertung der sekundären Zielvariablen konnte beim Slow-Wave-Schlaf und bei der klinischen Gesamtbeurteilung für die Gruppe mit der Baldrian-Hopfen-Kombination gegenüber Plazebo eine signifikante Überlegenheit festgestellt werden. Bei den anderen sekundären Zielvariablen stellte sich keine Signifikanz ein.
Wissenschaftliche Evidenz
In einem weiteren Artikel (2) wurden wissenschaftliche Fakten vorgetragen, die zeigen, dass die beiden Komponenten des Baldrian-Hopfen-Extrakts sich gegenseitig ideal ergänzen. Die Wachheit wird mit ihrer zunehmenden Dauer durch die Freisetzung von körpereigenem Adenosin im frontobasalen Kortexbereich inhibiert. Baldrian wirkt vergleichbar und unterstützt somit die Bereitschaft zum Schlaf. Dies konnte mit Rezeptorbindungsstudien, die Adenosin A1 untersuchten, gezeigt werden. Diese Aktivität zeigten aber nur methanolische Baldrianextrakte, nicht aber ethanolische, die viel häufiger verwendet werden als methanolische. Weiter konnte gezeigt werden, dass Baldrian die Slow-Wave-Aktivität im frontalen Kortex erhöht. Weitere Beobachtungen führten auch zur Vermutung, dass der Baldrianextrakt mit GABA-Rezeptoren interagiert. Da der Extrakt aber selber GABA enthält, ist diese Frage immer noch offen. Die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus führt bei zeitgerechter Interaktion der physiologischen Substanzen dazu, dass der Schlaf eintritt. Diese Steuerung ist eng mit der Freisetzung des körpereigenen Melatonins verbunden. Studien mit dem Hopfenextrakt Ze 119 (identisch mit dem Hopfenanteil von Ze 91019) zeigten eine Affinität
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PHYTOTHERAPIE
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dieses Extrakts mit den Melatoninrezepto-
ren ML1 und ML2 sowie mit weiteren Re-
zeptoren wie zum Beispiel mit Subtypen
des Serotoninrezeptors.
Hopfen wirkt ähnlich wie Melatonin, beide
bewirken eine Verminderung der Körper-
temperatur.
Somit kann angenommen werden, dass
der Baldrian-Hopfen-Extrakt Ze 91019 eine
ideale Kombination zur Regulierung des
physiologischen Schlafs darstellt. Baldrian
erhöht mit seiner Adenosinaktivität die
Schlafbereitschaft. Der Hopfen mit seiner
melatoninähnlichen Wirkung trägt zur Re-
gulierung des zirkadianen Rhythmus bei.
Die Autoren der Studie betonen, dass diese
Fakten mit präklinischen Studien zu-
sammengetragen wurden, dass jedoch kli-
nische Studien diese Überlegungen unter-
stützen (3, 4, 5)
◆
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
Literaturferenzen:
1. Koetter U., Schrader E., Käufeler R., Brattström A.: A Randomized, Double Blind, Placebo-Controlled, Prospective Clinical Study to Demonstrate Clinical Efficacy of a Fixed Valerian Hops Extract Combination (Ze 91019) in Patients Suffering from Non-Organic Sleep Disorder, Phytother Res 2007(9); 21: 847–851.
2. Brattström A.: Scientific Evidence for a Fixed Extract Combination (Ze 91019) from Valerian and Hops traditionally used as a Sleep-inducing Aid, Wien Med Wochenschr 2007(13–14); 157: 367–370.
3. Rodenbeck A. et al.: Veränderte Schlafstrukturen als Hinweis auf die GABAerge Wirkung eines BaldrianHopfen-Präparates bei Patienten mit psychophysiologischer Insomnie, Somnologie 1998; 2: 26–31.
4. Flüssel A., Wolf A., Brattström A.: Effect of a fixed valerian hop extract combination (Ze 91019) on sleep polygraphia in patients with non-organic insomnia: a pilot study, Eur J Med Res 2000; 5: 385–390.
5. Koetter U., Schrader E., Brattström A.: Effects of hops on clinical efficacy of a valerian-hops-extract combination (Ze 91019) in patients suffering from non-organic sleep disorder, Planta Med 2006; 72: 977.
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